Neue Chancen für deutsch-polnisch-französische Klimaschutz-Kooperation
Polen, Frankreich und Deutschland verfügen bereits über eine Plattform für den Austausch: Das Weimarer Dreieck. Dieses sollte als Format zur Koordinierung der Klimapolitik neu belebt werden. So würden Polen Ängste genommen, die trotz zunehmender Klimaschutzbemühungen weiter vorhanden sind.
30 Jahre ist es in diesem Jahr her, dass Deutschland, Polen und Frankreich nach dem Ende des Ost-West-Konflikts das Weimarer Dreieck gegründet haben – eine Initiative zur Förderung der europäischen Integration und zur Stärkung der politischen Bindungen zwischen den drei Staaten. Das Austauschformat galt zuletzt als in weiten Teilen brachliegend, es ist jedoch immer noch existent, wie zum Beispiel die am 10. September unterzeichnete gemeinsame Erklärung der Außenminister aus Polen, Frankreich und Deutschland zeigt, in der sie sich unter anderem für rasche Verhandlungen zum europäischen Klimaschutzpaket aussprechen. Und genau dies zeigt einen Bereich auf, für den ein neues Weimarer Dreieck so notwendig wäre wie nie.
Zeit für ein Grünes Weimarer Dreieck
Wir stehen vor der historischen Herausforderung, die EU zügig zu einer klimaneutralen EU zu machen. Und die Mitgliedsstaaten haben höchst unterschiedliche Ausgangssituationen. Im Jahr 1991 – zu der Zeit der Transformation des politischen Systems in Polen – war das Weimarer Dreieck eine große Entwicklungschance für unseren östlichen Nachbarn. Dieses eröffnete ihm Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit großen Ländern Europas und stärkte seine internationale Position. Damit auch die neue Transformation zur Klimaneutralität bewältigt wird, braucht es bessere Koordinierungsformate zwischen Deutschland, Frankreich und Polen, die zu den fünf größten CO2-Emittenten der EU gehören.
Bisher sind die drei Staaten in klimapolitischen Fragen oft in unterschiedliche Richtungen gegangen, doch mittlerweile ist die Klimapolitik auf der politischen Agenda in Polen nach oben gerückt. Eine Kooperation in dem Bereich mit Klimaschutzmotoren im Westen, die die Herausforderungen in Mitteleuropa im Blick haben, kann diese Dynamik nur stärken. Der Zeitpunkt ist also günstig für eine neue, deutlich engere Zusammenarbeit in der Klimapolitik und die Umsetzung von gemeinsamen Klimaschutzmaßnahmen, auch auf EU-Ebene. 14 große Umweltverbände aus Polen, Frankreich und Deutschland schlagen deshalb in einem Brief an ihre Regierungen die Einrichtung eines Grünen Weimarer Dreiecks vor, mit neuen Austausch- und Kooperationsformaten zwischen den drei Regierungen und Parlamenten, aber auch den Zivilgesellschaften oder Städten und Regionen der drei Länder.
Die effektive Umsetzung des Europäischen Green Deals und die Positionierung der EU als globaler Klimavorreiter ist kaum denkbar ohne einen Erfolg der grünen Transformation in Polen, Deutschland und Frankreich sowie wirkungsvoller Koordination tragfähiger Klimapolitik zwischen Warschau, Berlin und Paris. Polen wendet sich langsam einer auch ökologisch nachhaltigen Zukunft zu. Mit dem neuen Kurs der polnischen Regierung –beschlossener Kohleausstieg, Bekenntnis zum EU-Klimaneutralitätsziel und zum neuen EU-Klimaziel für das Jahr 2030, ehrgeizige Pläne für den Ausbau der Offshore-Wind-Kapazitäten, Zuschüsse für E-Autos und E-Busse – wird versucht, die Rückstände der letzten Jahre aufzuholen.
Besserer Blick auf die Ängste in Mittel- und Osteuropa
Diese in die richtige Richtung laufende Entwicklung sollte für Deutschland und Frankreich ein Signal zur frühzeitigen Einbindung Polens in die bisher nur bilateralen Vorabstimmungsprozesse sein. Polen wird jedoch aufgrund seiner zwar nicht rentablen, aber immer noch sehr starken Abhängigkeit von der Kohle, derzeit nicht zu den Ländern gehören, die noch höhere Zielambitionen auf der EU-Ebene fordern.
Enge klimapolitische Abstimmung würde nicht nur für Polen, sondern auch für Deutschland, Frankreich und damit die Brüsseler Ebene Chancen bieten – nämlich einen besseren Blick zu bekommen auf die mit der Transformation verbundenen Ängste in Mittel- und Osteuropa, insbesondere zu sozialen Fragen, die sie gerade dort aufwirft. So könnten die Bedürfnisse und Probleme sowohl der östlichen neueren als auch der westlichen älteren EU-Mitgliedsländer beim Projekt Klimaneutralität auf EU-Ebene besser zusammengeführt werden.
Auf der Grundlage eines so wachsenden Vertrauens kann es zudem für Polen leichter sein, sich auf ambitioniertere EU-Klimaschutzmaßnahmen einzulassen. Der polnische Impuls, Brüsseler Initiativen zur Klimapolitik skeptisch zu begegnen, liegt auch daran, dass man sich oft zu wenig eingebunden fühlt. Gemeinsam erarbeitete Vorhaben für die trilaterale Zusammenarbeit oder für die EU-Ebene können dagegen auf intrinsische Unterstützung aus Polen hoffen.
Ein Grünes Weimarer Dreieck könnte zur Entwicklung grenzüberschreitender Initiativen zur Umsetzung der Klimaziele genutzt werden, von denen Bürger:innen in allen drei Ländern profitieren. Dazu könnten Projekte im Bereich der Industrie, für den Strukturwandel in noch von der Kohle geprägten Regionen oder für verstärkte Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungsketten von morgen gehören.
Im Verkehrsbereich zentral wäre ein gemeinsames Vorantreiben der Renaissance des Bahnfernverkehrs in Europa mit endlich wieder attraktiven und schnellen grenzüberschreitenden Zugverbindungen. Oder eine gemeinsame Initiative, die auch der Verkehrswende im öffentlichen Nahverkehr mehr Schwung gibt. Laut dem Europäischen Autoherstellerverband ACEA waren 2020 über 70 Prozent aller knapp 20.500 neu zugelassenen Busse in der EU mit einem Dieselmotor ausgestattet. Polen hätte an der zügigen Ausweitung der Elektrifizierung als inzwischen größter Exporteur von Elektrobussen in der EU auch wirtschaftliches Interesse.
Das Bündnis würde strategische Orientierung bieten
Ein längerfristig angelegtes Grünes Weimarer Dreieck wäre eine historische Chance. Seine neuen trilateralen Strukturen für die klimapolitische Koordinierung und Zusammenarbeit könnten in der EU dringend benötigte Unterstützung für mehr Konsensbildung und strategische Orientierung bieten, insbesondere bei der Weiterentwicklung und Umsetzung des Fit-for-55-Klimapakets. Eine vertiefte Kooperation mit der polnischen Regierung ist daher im Interesse aller drei Staaten – trotz der Differenzen über die Sorge bereitende Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen. Umweltverbände aus Polen, Frankreich und Deutschland, darunter Germanwatch, sehen die am 1. Januar beginnende französische EU-Präsidentschaft nun als gute Gelegenheit für einen Start dieses Dreiecks und wenden sich im Vorfeld des morgigen EU-Umweltrates an ihre Regierungen.
Mehr gegenseitiges Verständnis und mehr trilaterale Zusammenarbeit sind demnach eine große Chance für eine ambitionierte, sozial gerechte und solidarische Umsetzung des Europäischen Green Deals in der gesamten EU. Sie sollte genutzt werden.
Dieser Blogartikel erschien am 05.10.2021 im Tagesspiegel Background.
Autor:innenSylwia Andralojc-Bodych |