Die Zukunft der Landwirtschaft: Was sagen die Parteien?
„Landwirtschaft ist systemrelevant.“ Mit diesen Worten beginnt die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) ihre Empfehlungen für die notwendige und nachhaltige Transformation des Agrar- und Ernährungssystems. In der ZKL haben Vertreter:innen eines sehr breiten Spektrums von Interessengruppen (vom Deutschen Bauernverband und Agrarchemie bis zu Umwelt- und Verbraucherverbänden) erstmals im Konsens anerkannt, dass grundlegende Veränderungen in der Landwirtschaft und Ernährung nötig sind. So empfiehlt sie zum Beispiel, deutlich weniger Tiere zu halten. Die Empfehlungen der ZKL sind ein wichtiger Schritt, damit die Landwirtschaft einen Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise, zum Erhalt von Ökosystemen in Deutschland und anderen Ländern und gegen die Verbreitung multiresistenter Krankheitskeime aus der Tierhaltung leisten kann.
Germanwatch hat untersucht, was die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl am 26. September zum Thema Landwirtschaft versprechen – und inwieweit das mit den Empfehlungen der ZKL übereinstimmt, die erst veröffentlicht wurden, als die meisten Programme schon geschrieben waren. Grundlage der Analyse sind die Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, FDP, Linkspartei und Grünen.
Umbau der Tierhaltung
Eine bessere Tierhaltung wird von SPD, Grünen, CDU/CSU und Linken gefordert. Grüne, SPD und Linke unterstützen flächenbezogene Obergrenzen, nennen aber in ihren Wahlprogrammen keine konkreten Zahlen. Angelehnt an die Empfehlungen der sogenannten Borchert-Kommission, die 2019 vom Bundeslandwirtschaftsministerium eingesetzt wurde, wollen die Grünen den Umbau zu tiergerechten Ställen und die Umstellung auf klimaschonendere Weidehaltung durch einen Tierschutz-Cent auf tierische Produkte finanzieren. Auch CDU/CSU bekräftigen ihre Zustimmung zu den Empfehlungen der Borchert-Kommission und wollen ein Gesetz zur Förderung des Umbaus zu emissionsarmen Ställen erlassen. Auch die Linke fordert ein sozial gestaltetes Umbauprogramm für die Massentierhaltung sowie mehr Bürger:innenbeteiligung beim Bau von Mastställen. Die FDP hingegen spricht sich gegen ein Stallgrößenlimit aus.
Nur die Grünen fordern eine Verringerung der Tierzahlen im Sinne der ZKL, wobei nicht klar ist, ob sie dabei so weit gehen wollen wie die ZKL. Diese fordert u.a. einen „den Klimazielen angepassten Umfang der Rinderbestände“ und eine Reduktion des Konsums von tierischen Produkten, entsprechend der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Die DGE-Empfehlungen entsprechen ungefähr einer Halbierung des durchschnittlichen Fleischkonsums – die Tierzahlen müssten in einer ähnlichen Größenordnung sinken. Die von einigen Parteien vorgesehene flächenbezogene Obergrenze würde zu einer Reduktion in Regionen mit besonders intensiver Tierhaltung führen, aber gleichzeitig zumindest theoretisch mehr Tiere in anderen Regionen ermöglichen. Um die ZKL-Empfehlungen umzusetzen, müssten alle Parteien unterschiedlich stark nachlegen.
Antibiotikaeinsatz
SPD, Grüne und Linke wollen den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung reduzieren. Die Grünen und Linken sprechen sich zudem für ein Verbot von Reserveantibiotika in der Tierhaltung aus und die Linke will Verschreibung und Verkauf von Antibiotika trennen.
In den Empfehlungen der ZKL spielt der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung keine besondere Rolle, hat aber starke Berührungspunkte zu Tierwohl und Tiergesundheit. In weniger intensiven Haltungsformen werden Tiere seltener krank und brauchen damit weniger Antibiotika. Germanwatch warnt zusammen mit anderen Organisationen seit Jahren vor den Gesundheitsrisiken für Tier und Mensch und setzt sich für die Reduktion des Antibiotikaverbrauchs und ein Verbot von Reserveantibiotika in der industriellen Tierhaltung ein.
Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik
Die Union zeigt sich zufrieden mit den beschlossenen Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union, die sie als „Systemwechsel“ bewertet. Grüne, SPD, FDP und Linke hingegen fordern grundlegendere Reformen.
Linke und SPD wollen die Direktzahlungen nicht länger an Flächengröße, sondern konsequent an Umwelt-, Klima- und Tierschutz binden. Die Grünen wollen bis 2028 die Hälfte der Gelder mit einer ökologischen Zweckbindung versehen und so die Direktzahlungen zur Gemeinwohlprämie umbauen.
Die Grünen fordern zudem eine stärkere Förderung des Ökolandbaus und wollen dessen Anteil auf 30 Prozent bis 2030 steigern. Sie wollen zudem die Bewirtschaftung öffentlicher Flächen an ökologische Kriterien knüpfen. Auch die Linke will sich für Ökolandbau auf 25 Prozent der Agrarflächen bis 2030 einsetzen und besonders genossenschaftliche Formen der Landwirtschaft unterstützen.
Union, SPD, Linke und Grüne wollen umweltschonende Anbauformen fördern. Die Grünen setzen auf besonders vielfältige Fruchtfolgen, widerstandsfähige Anbausysteme, Paludikulturen (landwirtschaftliche Nutzung von Mooren mit angepassten Pflanzen wie Schilf), Agroforstwirtschaft und Nutzung von robusten Pflanzensorten und Tierrassen. Zudem sollen von öffentlichen Fördergelder vorrangig kleine und mittlere bäuerliche und handwerkliche Betriebe profitieren. Die Union will Landwirt:innen ermöglichen, mit Agroforstsystemen, Agri-Photovoltaik und moorverträglicher Landwirtschaft zusätzliche Einnahmen zu erzielen, und so Anreize für Natur-, Klima-, Arten- und Moorschutzleistungen setzen. Auch die Linken wollen den Ökolandbau, ebenso wie Paludikulturen, Agroforstsysteme und tief wurzelnde Nutzpflanzen fördern und die Weiterbildung zu diesen Themen stärken.
Die FDP fordert pauschal den Abbau der EU-Agrarsubventionen und setzt sich für Investitionsförderungen und marktwirtschaftliche Ansätze ein.
Die ZKL sieht die GAP als ein zentrales Instrument um die Transformationsprozesse in der Landwirtschaft zu unterstützen. Dazu sollen das bisher dominierende Instrument der an die Fläche gekoppelten Direktzahlungen innerhalb der nächsten beiden Förderperioden (also spätestens bis 2034) „vollständig in Zahlungen umgewandelt werden, die konkrete Leistungen im Sinne gesellschaftlicher Ziele betriebswirtschaftlich attraktiv werden lassen“.
Germanwatch vertritt die Position, dass der klima- und umweltwirksame Umbau der Agrarförderung sowie die Förderung des Ökolandbaus mit konkreten Zielen und die Stärkung umweltschonender regionaler Anbausysteme, wie Agroforst und moorverträglicher Bewirtschaftung, für eine nachhaltige Agrarwende und Klimaschutz dringend notwendig ist. Die gerade beschlossen GAP, die bis 2027 vorsieht, nur ein Viertel der Direktzahlungen an zusätzliche Umweltleistungen zu knüpfen, ist dafür nicht ausreichend.
Faire Erzeuger:innenpreise und globaler Handel
Grüne, SPD und Linke fordern in ihren Programmen faire Erzeuger:innenpreise. Die Grünen wollen eine verpflichtende Haltungskennzeichnung und mittels des Wettbewerbsrechts gegen Dumpingpreise vorgehen. Auch die Union will sich für faire Lieferketten und Marktpreise einsetzen. Sie befürwortet zudem das Inkrafttreten des geplanten Handelsabkommens zwischen der EU und den sogenannten Mercosur-Staaten in Südamerika (Mercosur-Abkommen), wenn die importierten Agrarprodukte deutschen landwirtschaftlichen Produktions- und Produktstandards entsprechen. Auch die FDP ist für die schnelle Ratifizierung des Abkommens und will, das nur der Markt die Preise reguliert und Subventionen auf globaler wie nationaler Ebene daher abgeschafft werden.
Die ZKL empfiehlt, die ökologischen und sozialen Kosten der Landwirtschaft bei den Erzeuger:innen- und Verbraucher:innenpreisen einzubeziehen. Zudem soll die Stellung der Landwirt:innen in der Lieferkette gestärkt und bestehende Instrumente wie die Gemeinsame Marktordnung im Rahmen der GAP genutzt werden, um Preiseinbrüche durch eine verringerte Produktion zu vermeiden. Durch die transparente Kennzeichnung von Tierwohl, Herkunft, Regionalität, Nährwert und perspektivisch Nachhaltigkeit von Lebensmitteln sollen auch am Markt höhere Preise erzielt werden.
Auch Germanwatch ist überzeugt: Faire Erzeuger:innenpreise sind wichtig für eine sozial und ökologisch gerechte Landwirtschaft. Das EU-Mercosur-Abkommen könnte negative Auswirkungen besonders für Viehhalter:innen und Milchbäuer:innen in der EU haben sowie die Abholzung im Mercosur erhöhen, was Klima und Biodiversität schadet. Germanwatch hält daher insgesamt einen Umbau der exportorientierten Landwirtschaft hin zu regionalen und nachhaltigen Lieferketten für sinnvoll.
Klimaschutz
CDU, SPD, Linke und Grüne betonen, dass die Landwirtschaft bei der Bekämpfung der Klimakrise eine wichtige Rolle spielt.
Die Union will daher Klimaleistungen der Landwirtschaft künftig stärker honorieren. Die FDP will vor allem international Moor- und Waldschutz stärker belohnen und so die Emissionen mindern. Die Linke will den Umbau zu einer klimagerechten Tierhaltung fördern. Auch die Grünen wollen Produktion und Konsum tierischer Produkte im Sinne des Klimaschutzes reduzieren.
Union, SPD und Grüne wollen außerdem den Ausbau von Agri-Photovoltarik fördern, damit mehr Flächen sowohl für die landwirtschaftliche Produktion als auch für Photovoltaikanlagen genutzt werden können.
Die ZKL empfiehlt, den Umfang der Tierhaltung, besonders die Rinderhaltung, an die Klimaziele anzupassen, bei Konzentration auf grünlandbasierte Rinderhaltung. Zudem sollen Düngungs- und Fütterungsmanagement, verbesserte und verringerte Stickstoffüberschüsse durch eine Stoffstrombilanzierung und gegebenenfalls weitere Maßnahmen wie eine Stickstoffabgabe erreicht werden.
Für Germanwatch sind Reduktion und Umbau der Tierhaltung in Richtung Weidehaltung und lokaler/regionaler Fütterung der wichtigste Hebel, um den Beitrag der Landwirtschaft zum Klimaschutz zu steigern.
Fazit
Die ZKL hat wichtige Empfehlungen für die nachhaltige Transformation des Agrar- und Ernährungssystems beschlossen, die in einigen Punkten deutlich über das hinausgehen, was sich die Parteien in ihren Wahlprogrammen vorgenommen haben. Besonders deutlich wird das in der nicht nur für den Klimaschutz zentralen Frage der Tierhaltung. Das Wahlprogramm der Grünen liefert hier insgesamt die konkretesten Inhalte für eine Agrarwende. Auch in den Programmen von Linken und SPD finden sich einige Ansatzpunkte für die Umgestaltung von Tierhaltung und Landwirtschaft für mehr Umwelt- und Klimaschutz. Weniger ambitioniert sind die Programme der Union und der Liberalen. Im Programm von CDU/CSU finden sich einige Elemente wie die Förderung des Tierwohls und der klimafreundlichen Bewirtschaftung von Mooren, die aber nicht in ein umfassenderes Konzept zum Umbau eingebettet sind – hier steht insgesamt der Erhalt des Status quo im Vordergrund. Die FDP will hingegen eine weitgehende Marktorientierung mit der Abschaffung von Subventionen und staatlichen Rahmensetzungen, gibt damit aber auch Möglichkeiten zur Lenkung in eine nachhaltige Richtung auf.
Aus Sicht von Germanwatch müssen die Parteien daher in möglichen Koalitionsverhandlungen nachlegen, und im Koalitionsvertrag konkrete Schritte definieren, wie der Einstieg in eine Tierhaltung aussehen kann, in der die Höfe mit weniger Tieren bessere Einkommen erzielen und nachhaltiger wirtschaften können.