Steigeisen gegen den Absturz des Kyoto-Protokolls

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Steigeisen gegen den Absturz des Kyoto-Protokolls

 

In seiner Antrittsrede erklärte der neue US-Präsident, er wolle das Klima ändern. Viele meinten, er  würde über das moralische Klima in Washington reden. Inzwischen wissen wir, dass G.(lobal) W.(arming) Bush das Weltklima meinte. In dem Moment, wo sich die wissenschaftliche Evidenz für den globalen Klimawandel bis zur Sicherheit verdichtet - siehe den dritten Sachstandsbericht des IPCC -, zieht sich die einzig verbliebene Weltmacht von ihrer Verantwortung zurück.

Ein ermatteter Bergsteiger namens Kyoto-Protokoll muss nach jahrelanger Bergtour jetzt den letzten schwierigen Gipfel nehmen. Er hängt ungesichert im letzten Steilfelsen, hunderte Meter über dem Erdboden. Seit er vor einigen Monaten in Den Haag stolperte, weht ihm zusätzlich ein heftiger eisiger Wind entgegen. Von einem Helikopter aus verkünden Piloten  mit texanischen Cowboyhüten, der Bergsteiger sei schon tot. Auch viele Beobachter  unten wissen nicht, wieviel Hoffnung sie noch in den Bergsteiger setzen sollen. Werden sie ihn absichern? Wer steckt ihm noch Steigeisen zu? Wer feuert ihn an?

Der Klimaprozess bewegt sich langsam wie eine Raupe. Er muss zum beflügelten Schmetterling werden, wenn die notwendigen Ziele bis Mitte des Jahrhunderts erreicht werden sollen. Das Kyoto-Protokoll ist langfristig nur dann wirklich hilfreich, wenn es der Einstieg in weit ehrgeizigere Ziele zum Schutz des Weltklimas ist. Aber der Einstieg in solche völkerrechtlich verbindlichen Prozesse ist meist das Schwierigste - wie man auch derzeit sieht. Immerhin  sind die Verhandlungen für die zweite Verpflichtungsperiode - nach 2012 - schon terminiert. Konstruktiver Druck kann der Raupe  helfen, zum Schmetterling zu werden...

Die neue Situation wird zum Lackmustest für alle Unternehmen, die sich in den vergangenen Jahren positiv zum Klimaschutz geäußert haben. Jetzt kann man sehen, ob die Worte der Vergangenheit wirklich durch Taten gedeckt sind, ob es ernst gemeint ist, "beyond petrol” - so wird BP seit kurzem übersetzt - zu gehen.  Wieviele Unternehmen werden sich hinter die zukunftsweisende Pro-Kyoto-Initiative "e-mission55” von Unternehmern stellen, möglichst bald das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren?

Bisher war es immer die Europäische Union (EU), die - meist mit guten Gründen - Bedenkenträger war, wenn es darum ging, ganz vorne auf einer der großen Innovationswogen zu reiten. Diesmal aber schrecken die USA zurück. Für Europa bietet sich die einmalige Chance, Vorreiter zu sein, wenn es darum geht, ins Zeitalter einer nachhaltigen Energiezukunft aufzubrechen. Nicht "Arbeitsplätze oder Klimaschutz” sondern "Arbeitsplätze durch Klimaschutz” muss es jetzt heißen.

Es ist zu  begrüßen, dass die EU die Initiative ergriffen hat, eine Ratifizierungsmehrheit für das Kyoto-Protokoll zu organisieren. An dieser Strategie müssen sich neben der EU und Osteuropa zumindest Japan,  Russland und zentrale Entwicklungsländer beteiligen. Durch die diplomatisch brüskierende Art des Vorgehens der US-Regierung sind - ungewollt - die Chancen dazu gestiegen. Aber wird die EU einig bleiben? Wird sich auch Berlusconi in die EU-Strategie einreihen? Wird der Bundeskanzler seinen Urlaub unterbrechen und in Bonn für das Kyoto-Protokoll kämpfen? Wird das zögerliche Japan mit den Europäern mitziehen? Und was ist mit Russland? Wie verhalten sich die Entwicklungsländer nach dem Ausstieg der USA? Fragen über Fragen ...

In diesem neuen Kontext spricht immer mehr für die Einführung eines Emissionshandelssystems in der EU und in Deutschland. Denn ein funktionierender Emissionshandelsmarkt wird einer der größten Attraktoren für die US-Regierung und andere Klimabremser sein, sich über kurz oder lang an einem internationalen Klimaschutzregime konstruktiv zu beteiligen. Es ist erschreckend, dass ausgerechnet der deutsche Wirtschaftsminister Müller gegen die verbindlichen Reduktionsziele für Unternehmen in der von der EU-Kommission beabsichtigten Richtlinie zum Emissionshandel Sturm läuft.

Der Klimagipfel von Den Haag ist vor allem an der Nichteinigung über das Ausmaß des wissenschaftlich zurecht umstrittenen Einbezugs von Senken - Bäumen und Büschen - in das Kyoto-Protokoll gescheitert.  Die USA haben darauf hin einen "Bush” - also eine Senke - zu ihrem Präsidenten gemacht ( "gewählt” wäre ein Euphemismus). Und dieser Bush versucht nun zu einer Senke für das Kyoto-Protokoll zu werden. Jeder von uns sollte alles tun, um diese Senkentätigkeit zu unterbinden; zum Beispiel anstelle einer klimaschädlichen Flugreise in den Urlaub am 21. Juli in Bonn ein Rettungsboot für den internationalen Klimaschutz bauen (siehe Seite drei). Machen Sie mit!!!

Christoph Bals
 

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