Ein neues EU-Klimaziel ist nur der erste Schritt
Ein neues EU-Klimaziel ist nur der erste Schritt
Mit dem Europäischen Green Deal verfügt die EU über eine Zielvorstellung, an der sich der Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Corona-Krise orientieren kann: Bis 2050 soll eine klimaneutrale, sozial gerechte und wirtschaftlich erfolgreiche Kreislaufwirtschaft erreicht werden.
Ein wichtiger Bestandteil ist ein neues Klimaziel für 2030. Die Kommission hat dafür eine Verminderung der Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent vorgeschlagen. Das Europäische Parlament spricht sich sogar für 60 Prozent aus. Reduktionen in dieser Größenordnung wären nicht nur erforderlich, damit die EU bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral werden kann. Sie würden auch dafür sorgen, dass der Corona-Wiederaufbau in zukunftsfähigen Bahnen verläuft.
Spätestens beim EU-Gipfel am 11. Dezember müssen die Staats- und Regierungschefs ein neues Klimaziel beschließen, damit dies noch zum fünfjährigen Jubiläum des Pariser Klimaabkommens am 12. Dezember bei den Vereinten Nationen vorgestellt und die offizielle Frist zum Jahresende gehalten werden kann.
Anschließend muss es an die Umsetzung in allen Wirtschaftssektoren gehen. Dabei setzt jede weitere Verzögerung die internationale Klimaschutzdynamik aufs Spiel und riskiert die Möglichkeit, die anstehenden tiefgreifenden Veränderungen geplant und sozialverträglich zu organisieren.
Nur wenn der Europäische Green Deal zum Maßstab für die EU-Politik in allen Bereichen wird, kann er erfolgreich sein. Ein Lichtblick ist die Ankündigung eines europäischen Gesetzes, das europäische Unternehmen in die Verantwortung für ihre Lieferketten nehmen soll. Auch in der Handelspolitik besteht Veränderungsbedarf, wie beim geplanten Mercosur-Abkommen deutlich wird. Mehrere EU-Mitgliedstaaten weigern sich, dem Abkommen zuzustimmen, solange Brasilien den Schutz des Regenwalds und der indigenen Bevölkerung nicht sicherstellt. Ungeklärt bleibt aber, wie eine grundsätzliche Neuausrichtung der Handelspolitik aussehen müsste, die Klimaneutralität, Kreislaufwirtschaft und soziale Gerechtigkeit fördert.
In der Landwirtschaft wird die Lücke zwischen den Ansprüchen des Green Deals und konkreter Europapolitik am deutlichsten. Die Beschlüsse des EU-Parlaments und der Agrarminister*innen im Oktober zur Gemeinsamen Agrarpolitik für die nächsten sieben Jahre enttäuschen, denn die bisherige EU-Landwirtschaftspolitik soll fast unverändert fortgeführt werden. Dass künftig zwanzig bis dreißig Prozent der Direktzahlungen an die Landwirt*innen an Umweltvorgaben gekoppelt werden sollen, ist ein Fortschritt. Es reicht aber nicht, damit die Landwirtschaft ihren Beitrag zum Einhalten der Klimaziele leistet. Konsequent wäre es, wenn die EU-Kommission ihren Vorschlag zugunsten einer echten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik zurückziehen würde. Andernfalls muss in den kommenden Jahren mittels weiterer europäischer Rahmensetzungen in den Mitgliedstaaten mehr getan werden, damit auch in der Landwirtschaft die Klimawende gelingt.
Audrey Mathieu & Lutz Weischer