Die doppelte Krise
Die doppelte Krise
Im April 2020 traf Zyklon Amphan, der schwerste tropische Wirbelsturm in der Region seit zwanzig Jahren, auf Bangladesch und Indien. Amphan zerstörte Dämme, Häuser und Fischereibetriebe, die das Leben tausender Familien sicherten. Doch bereits vor Eintreffen des Zyklons hatten viele Menschen ihre Einkommens- und Existenzgrundlage verloren, denn beide Länder kämpften zeitgleich auch mit der Eindämmung des Coronavirus und mussten strenge Abriegelungsmaßnahmen vornehmen.
Die Corona-Pandemie hat zu einer beispiellosen humanitären Krise geführt. Währenddessen macht die Klimakrise jedoch keine Pause. Das ist besonders für Länder des Globalen Südens ein Problem, da Katastrophenschutzsysteme überlastet und ohnehin knappe Notfallfonds erschöpft werden. Bangladesch und Indien stehen stellvertretend für viele Länder, die dieses Jahr unter der doppelten Krise leiden. Eine aktuelle Studie der Rotkreuz-Rothalbmond-Bewegung zeigt, dass sich von den 132 Extremwetterereignissen, die sich von Januar bis September 2020 ereigneten, neunzig mit der Corona-Pandemie überschnitten. Global waren 51,6 Millionen Menschen zeitgleich von Fluten, Dürren oder Stürmen und der Pandemie betroffen. Auch der Klima-Risiko-Index* von Germanwatch zeigt deutlich, dass Länder des Globalen Südens überproportional von Extremwetterereignissen betroffen sind, die durch den Klimawandel stärker oder häufiger auftreten. Die Weltbank schätzt, dass Covid-19 in 2020 bis zu 115 Millionen Menschen zusätzlich in extreme Armut stürzen könnte. 2021 könnte sich diese Zahl auf bis zu 150 Millionen erhöhen. Die Erfolge, die die am wenigsten entwickelten Länder in den letzten Jahrzehnten auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung erzielen konnten sind laut aktuellem UN-Bericht durch Covid-19 stark bedroht. Das zeigt: Auch wenn Corona- und Klimakrise alle Menschen treffen, sind nicht alle gleichermaßen betroffen. Besonders Verwundbare – wie Arme, Ältere, Kinder, Frauen und Menschen mit Behinderung – sind im Globalen Süden beiden Risiken am stärksten ausgesetzt.
Es ist daher wichtig, die Fähigkeit und Kapazitäten zur Krisenbewältigung der besonders Verwundbaren umgehend zu stärken. Dafür sind umfassende Strategien zur finanziellen Bewältigung verschiedener Risiken, wie zum Beispiel Dürren, Erdbeben, Inflation oder Krankheiten, notwendig. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Länder mit funktionierenden sozialen Sicherungssystemen besser in der Lage sind, die Verwundbarsten der Bevölkerung zu schützen. Die Regierung Malawis unterstützt beispielsweise ärmste Bevölkerungsgruppen und kleine Unternehmen im Umgang mit den Auswirkungen von Covid-19 durch zusätzliche Zahlungen über ein Geldtransferprogramm. Auch (Klima-) Risikoversicherungen können verschiedene Risiken abfedern. Eine Lehre aus der Ebola-Epidemie 2014 war, dass neben Schwächen in den Gesundheitssystemen auch die schleppende und unvorhersehbare Finanzierung der Pandemiebewältigung verantwortlich für die langsame Reaktion betroffener Länder auf den ersten Ausbruch war. Daraufhin hat die African Risk Capacity, ein afrikanischer Pool für die Versicherung von Staaten gegen Dürrerisiken, auch eine Versicherung gegen „Ausbrüche und Epidemien“ aufgesetzt, mit der sich Länder seit dem Frühjahr 2020 gegen Gesundheitsrisiken absichern können. Leider ist Covid-19 momentan noch nicht abgedeckt. Eine entsprechende Erweiterung wird derzeit geprüft. Wenn solche Versicherungen künftig auch unvorhergesehene neuartige Epidemien abdecken würden, könnten
sie Betroffenen noch besser helfen.
Um solche Instrumente effektiv auf- und umsetzen zu können, müssen ausreichend finanzielle Mittel für die Klimaanpassung und das Klimarisikomanagement verfügbar sein. Die reichen Länder müssen jetzt Solidarität zeigen und sich ihrer historischen Verantwortung stellen. Das bedeutet, die verwundbarsten Länder des Globalen Südens im Umgang mit beiden Krisen zu unterstützen und ihren finanziellen Zusagen nachzukommen.
Laura Schäfer & Vera Künzel