Die Philippinen und der Klimawandel

Weitblick Artikel

Die Philippinen und der Klimawandel

 

"Die Ernte im letzten März war ein Reinfall”, sagt Marian, die während der 80er Jahre als Krankenschwester im Nahen Osten gearbeitet hat. Jahre später kehrte Marian zurück auf die Philippinen, um dort von ihren Ersparnissen und vom Reisanbau zu leben. Unglücklicherweise erwies sich ihr Leben dort nicht als das, was sie sich erwartet hatte. In diesem Jahr sitzt Marians Schmerz tief, vielleicht so tief, wie das Wasser der Flüsse vor dem Klimawandel gewesen ist.

Marian weiß nicht mehr weiter. Noch bevor sie sich von ihren Verlusten aufgrund vergangener Dürreperioden erholen konnte, hatte El Niño bereits die Hälfte ihrer neu gepflanzten Reissetzlinge zerstört. Es ist noch nicht lange her, da hätte sie nur die Wasserpumpe anstellen müssen und Süßwasser wäre auf ihre Felder geflossen. Heute freilich kann Marian nur noch auf die Wasserpumpe starren und über deren Nutzlosigkeit brüten. Das Meer ist in frühere Flußgebiete eingedrungen. Das Süßwasser, das einst ihre Felder genährt hatte führt nun Salz. “Mala-in sa humay! - Schlecht für die Setzlinge!” klagt Marian frustriert.

Fußspuren und Muster

Schwere Trockenperioden und häufigere El-Niño-Ereignisse. Zunehmende Belastungen für Süßwasserquellen. Steigender Meeresspiegel. Die Verbindungen zwischen fossilen Treibstoffen und einer sich rasant erwärmenden Welt zu ziehen, ist ein komplexer Prozess. Mit dem, was wir heute wissen, ist es freilich nicht weit hergeholt, dem Klimawandel eine Mitschuld an Marians verzweifelter Lage zu geben. Selbst wenn man annehmen wollte, ihre Situation wäre in Zukunft nicht eindeutig mit den Auswirkungen der globalen Erwärmung verknüpft, so wird doch allein der stetige Anstieg der globalen Temperaturen ihre Zwangslage und die von vielen anderen verschlimmern.

Die Warnung im Dritten Bericht des IPCC ist unmissverständlich: Entwicklungsländer, vor allem Archipele und tief liegende Inselstaaten sind vor der globalen Erwärmung am wenigsten geschützt und werden von den Auswirkungen des Klimawandels am schlimmsten betroffen sein.

Vokabular der Verletzbarkeit

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Philippinen sind alles andere als trivial; in Anbetracht ihrer Küstenlinie von 32 400 Kilometern sind die Philippinen dem Anstieg des Meeresspiegels hilflos ausgeliefert. Nach neuesten Forschungen genügt ein Anstieg um nur 30 cm, damit die Uferlinie 30 Meter weiter ins Inland zurückweicht. Dieses hätte das Versinken hunderter kleiner Inseln sowie Teilen Manilas und anderer Städte zur Folge.

Andere Auswirkungen des Klimawandels auf die Philippinen sind nicht weniger alarmierend:

  • Nach neuesten Studien könnten die Ernteerträge pro Grad Celsius Temperaturanstieg um zehn Prozent sinken. Angesichts der Tatsache, dass selbst die Nächte auf den Philippinen heute um 2,5°C wärmer sind als noch vor 50 Jahren, ist dies überaus bedenklich.
  • Zusätzlich bedrohen vermehrt auftretende El-Niño Ereignisse, Wirbelstürme und extreme Niederschläge die Landwirtschaft.
  • Auch das Ausbleichen der Korallen gibt Anlass zur Besorgnis. 1998, im heißesten Jahr seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen, hat ein massives Auftreten von Korallenbleiche zwischen 30 und 70 Prozent der harten Korallen vernichtet. Solche Ereignisse führen zu signifikanten wirtschaftlichen Verlusten. Die philippinischen Riffe verfügen über eine große Artenvielfalt an Korallen und tragen zu mindestens 15 Prozent jährlichen zur gesamten Fischproduktion bei.
  • Nach Aussagen von Gesundheitsexperten leben 45 Prozent der Weltbevölkerung in Gebieten mit Malaria-Ansteckungsgefahr. Infolge des Klimawandels werden jährlich 50 bis 80 Millionen neue Malariafälle erwartet.
  • Das Potential für eine Dengue-Fieber-Epidemie würde sich um 31 bis 47 Prozent erhöhen. In den Philippinen sind beide immer noch schwerwiegende Krankheiten und stellen ein hohes Risiko dar.

Der Klima-Imperativ: Erneuerbare Energien

Obgleich die UNO die 90er Jahre zum Internationalen Jahrzehnt des Rückgangs von Naturkatastrophen ernannt hatte, wurden durch Naturkatastrophen mehr Menschen als durch bewaffnete Konflikte vertrieben und es entstanden höhere wirtschaftliche Verluste als in den 40 Jahren zuvor. Viele Auswirkungen der globalen Erwärmung machen erworbene Entwicklungen zunichte. Gleichwohl ist die Situation nicht so ausweglos, wie sie erscheint. Es existieren klar vorgegebene Wege, um das Einsetzen eines gefährlichen Klimawandels abzuwenden — zu den wichtigsten gehören die allmähliche Abschaffung fossiler Treibstoffe und die massive Hinwendung zu erneuerbaren Energien. Das gilt für Industriestaaten ebenso wie für Entwicklungsländer — die Bedrohung durch den Klimawandel ist global und die Antwort muss es gleichermaßen sein.

Wir schulden es Marian und den anderen, die wie sie den Auswirkungen der globalen Erwärmung zunehmend schutzloser ausgeliefert sind. Die Philippinen sollten nicht an ihrer zukünftigen Zerstörung mitwirken, indem sie weiterhin an konventionellen Technologien auf der Basis fossiler Treibstoffe festhalten. Das Land verfügt in Hülle und Fülle über erneuerbare Energieressourcen. Allein das Windkraftpotenzial der Philippinen wird auf 70.000 Megawatt geschätzt und Sonnenenergie ist fast überall im Land verfügbar. Die Ressourcen an Biomasse werden auf eine potenzielle Kapazität von 22.281 Megawatt geschätzt. Nirgendwo steht geschrieben, dass die Auswirkungen des Klimawandels überall nur Verzweiflung bedeuten müssen. Das chinesische Schriftzeichen für "Krise" setzt sich aus zwei Zeichen zusammen - "Gefahr" und "Chance". Der Weg der Gefahr führt zu fossilen Treibstoffen, der Weg der Chance zu erneuerbaren Energien.

Sich für den Weg der erneuerbaren Energien zu entscheiden, ist schlicht notwendig. Das Überleben und das Eigeninteresse der Philippinen als Entwicklungsland fordern es. Die Fülle der erneuerbaren Energieressourcen des Landes ermöglicht es. Die Zukunft des gesamten Planeten verlangt es.

Red Constantino, Klima- und Energie-Aktivist, Greenpeace Südostasien