Resilienz und Empowerment in den Bildungsbereich
Lernbedingungen wie hier sind nicht in jeder Familie gegeben. Foto: Muscat_Couch / Pixabay
Seit Beginn der Corona-Krise musste unser Bildungssystem so manche bittere Pille schlucken – mit Nebenwirkungen für die Bildungsgerechtigkeit. Wie können und müssen wir Bildung und Gesellschaft jetzt neu denken? Wie verleihen wir transformativer Bildung neue Impulse, um Resilienz in der ganzen Gesellschaft zu fördern – in Politik, Wirtschaft und Finanzsystem und insbesondere unter Lehrenden und Lernenden?
Vom Krisenmodus des Bildungssystems...
In Deutschland haben wir vom guten Bildungsstand vieler Menschen profitiert, die durch umsichtiges Handeln das Wachstum der Krise eingedämmt und solidarische Aktionsformen auf den Weg gebracht haben. Doch Corona trifft gerade den Bildungssektor hart: Schulen wurden geschlossen, nur ein geringer Teil des Unterrichts fand digital statt und freien Bildungsakteur*innen, Kulturschaff enden und Berater*innen brachen die Einnahmen weg. Das Bildungssystem verlor damit vorübergehend und teilweise seine Funktion als Ort der Entwicklung, Betreuung, des Schutzes und auch der gemeinsamen Mahlzeit. Externe, oft zivilgesellschaftliche Expert*innen hatten keinen Zugang mehr zu Schüler*innen – auch die Germanwatch Klima- und Rohstoffexpedition fand lange nicht statt.
Negativ betroffen sind vor allem Kinder, die aus sozial benachteiligten Verhältnissen kommen, die auf besondere pädagogische Unterstützung angewiesen sind, Deutsch nicht als Muttersprache sprechen oder deren Eltern nicht die Rolle der Ersatzlehrer*innen übernehmen können. Viele haben nicht den Raum, die Ausstattung und die Ruhe, eigenständig zu lernen und sich selbst zu entwickeln – mitunter auch, weil der Schulunterricht ihnen zuvor zu wenig Eigenverantwortung für Lernprozesse vermittelt hat. Die Beteiligung von Schüler*innen bei der Gestaltung von Schule funktioniert in der Krise noch schlechter als sonst. Die digitale Kluft verschärft in der Krise Bildungsungerechtigkeit und somit auch die soziale Kluft in der Gesellschaft. Als Reaktion auf diese Herausforderungen finden sich wichtige Bildungsmaßnahmen im Corona-Konjunkturprogramm, die es nun wirkungsvoll umzusetzen gilt.
...zum Möglichkeitsraum für transformative Bildung
Wir erleben in der Krise „disruptive Momente“: die Unterbrechung alltäglicher Gewohnheiten oder auch Brüche in den Annahmen darüber, wie unser Gesellschaftssystem funktioniert. Wir erleben den „Normalzustand“ deutlich als nicht nachhaltig. Bildung findet vermehrt außerhalb des formalisierten Rahmens statt. Das kann auch positive Effekte haben. Manche Schüler*innen finden so zu einem eigenen Rhythmus, zu eigenen Themen, zu Kreativität. Bildungsarbeit kann und muss Lehren aus der Corona-Krise ziehen und sie mit den Chancen und Anforderungen des neuen UNESCO-Programms „Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) 2030“ verknüpfen.
Menschen, die Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten in ihrem Umfeld kennen und wissen, wie sie diese ergreifen können, können proaktiver, selbstwirksamer und somit resilienter auf Veränderungen und Krisen reagieren. Bildungsarbeit muss in Zukunft also Bildungsakteur*innen und Prozesse resilienter machen, indem sie Lehrende und Lernende in der Mitgestaltung ihres eigenen Aktionsraums bestärkt.
Die Corona-Krise bietet Chancen, um verantwortungsvoll auf die Klima- und Biodiversitätskrise, die Umsetzung der Menschenrechte und eine Transformation der Landwirtschaft hinzuarbeiten. Bildung für nachhaltige Entwicklung muss daher vermitteln, dass Menschenrechte und globale Nachhaltigkeitsziele, die unsere Lebensgrundlagen (wie Biodiversität und Klima) schützen und die Kluft zwischen Arm und Reich verringern sollen, die Grundlage für eine solidarische, nachhaltige und resiliente Gesellschaft sind.
„BNE in Aktion ist Bürger*in-sein in Aktion.“ So ein Zitat aus dem Programm „BNE für 2030“, damit drängt die UNESCO auf eine Entwicklung: Lehrende und Lernende sollen zu politischem Engagement befähigt werden, um die globalen Nachhaltigkeitsziele umzusetzen. Germanwatch wird sich auch in Zukunft dafür einsetzen, dass die Impulse aus dem UNESCO-Programm lokal, regional, in Deutschland, der EU und international umgesetzt werden.
Dieser Beitrag erschien im Mitglieder-Magazin EINBLICK 2|2020.
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