Corona- und Klimakrise im Globalen Süden
Nach Pam im Jahr 2015 traf im April 2020 mit Harold bereits zum zweiten Mal ein Zyklon mit knapp 280 km/h auf Vanuatu und hinterließ unzählige zerstörte Häuser.
Foto: Silke von Brockhausen / UNDP
Gerade für arme und verwundbare Menschen im Globalen Süden kann die Kombination aus Corona- und Klimakrise schnell zur existenziellen Bedrohung werden. Die internationale Gemeinschaft muss jetzt solidarisch bei der Krisenbewältigung helfen und die Resilienz armer Staaten und ihrer verwundbarsten Bewohner*innen gegenüber Klima- und Gesundheitsrisiken stärken. Dabei trägt der wohlhabende Norden eine besondere Verantwortung. Eine konkrete Möglichkeit für Deutschland, seiner internationalen Verantwortung gerecht zu werden und Solidarität zu zeigen, sind strategische Partnerschaften mit Schwellen- und Entwicklungsländern.
Die Corona-Krise und die Maßnahmen ihrer Eindämmung beherrschen die öffentliche Diskussion. Die ganze Welt ist betroffen und doch unterscheidet sich das Ausmaß – gerade dort, wo die Auswirkungen von COVID-19 und die Folgen des Klimawandels zusammenwirken. Auch wenn der fortschreitende Klimawandel alle trifft und das Coronavirus grundsätzlich jede*n infizieren kann, sind Menschen in Armut weltweit am verletzlichsten – insbesondere im Globalen Süden können Gesundheits- und Klimarisiken schnell zur existenziellen Bedrohung werden. Mangelnde Versorgung mit Nahrung und sauberem Wasser, fehlender Zugang zu Gesundheitsversorgung und fehlende Rücklagen für den Notfall verschärfen ihre Situation. Es fehlt an Möglichkeiten, sich angemessen vorzubereiten und vor den Folgen zu schützen.
Lokal: Solidarität auf Vanuatu während Klima- und Corona-Krise
Wie die eine Krise die andere verstärkt, zeigt sich deutlich am kleinen Inselstaat Vanuatu. Inmitten der Anstrengungen, das Risiko eines Corona-Ausbruchs mit mangelnden Kapazitäten im Gesundheitssystem zu minimieren, traf am 6. April Zyklon Harold auf die Inselgruppe.
Als einer der stärksten Wirbelstürme der vergangenen Jahre, zerstörte und beschädigte Harold Häuser und Infrastruktur und ließ allein auf Espiritu Santos, der größten Insel Vanuatus, mehr als 500 Familien ohne angemessene Unterkunft zurück. In Vanuatu gibt es bisher keine bestätigten Fälle von COVID-19. Die Behörden setzen weiterhin strenge Vorsichtsmaßnahmen durch, damit dies so bleibt. Doch die strengen Reise- und Dekontaminierungsvorschriften tragen zur Verzögerung der Katastrophenhilfe bei: Ausländische Helfer*innen dürfen nicht ins Land, Hilfsgüter müssen vor der Verteilung dekontaminiert werden.
Um mit dieser Herausforderung umzugehen, haben sich die Menschen in Vanuatu selbst organisiert und leben Solidarität vor Ort. Weber*innen des Santo Sunset Environment Network und der Edenhope Foundation bringen den Menschen das Weben von Kokosnusswedeln bei – ein Rohstoff der trotz der Katastrophe verfügbar ist. So werden Dächer und ganze Hütten aus dem natürlichen Rohstoff gefertigt und dienen als Unterkünfte und Treffpunkte für die Gemeinden.
Doch um die enormen Herausforderungen der Corona und Klimakrise bewältigen zu können, braucht es Solidarität auch auf höherer Ebene. Die internationale Gemeinschaft muss jetzt solidarisch handeln und die Resilienz armer Staaten und ihrer verwundbarsten Bewohner*innen stärken. Dabei tragen die reichen Staaten des Globalen Nordens eine besondere Verantwortung: Als Hauptverursachende haben sie die – auch völkerrechtlich festgehaltene – Verpflichtung, bei der Eindämmung des Klimawandels und bei der Unterstützung im Umgang mit dessen Folgen voranzugehen.
Global: Die Rolle der EU zur Förderung globaler Solidarität, Resilienz und Nachhaltigkeit
Diese globale Solidarität muss organisiert werden. Doch das ist im aktuellen geopolitischen Kontext alles andere als einfach. Zum einen fällt die US-Regierung unter Donald Trump als Unterstützerin von multilateralen und wissenschaftsbasierten Lösungen sowohl in der Corona-Pandemie wie auch in der Klimakrise vollständig aus. Zum anderen spitzt sich der Konflikt zwischen den USA und China um die Dominanz auf dem Planeten immer mehr zu und droht andere Themen an den Rand zu drängen. Stärker als gewohnt muss daher die EU – und damit auch Deutschland mit der EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 – eine Führungsrolle übernehmen, um multilaterale Institutionen zu stärken und globale Solidarität, Resilienz und Nachhaltigkeit zu fördern.
Es braucht jetzt eine massive Aufstockung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere für die Unterstützung beim Umgang mit den Folgen der Corona- Pandemie und der Klimakrise. Diese Hilfen müssen so angelegt werden, dass sie die gesamtgesellschaftliche Resilienz stärken und zum Erreichen der Pariser Klimaziele beitragen. Viele der verletzlichsten Staaten sind bereits heute hochverschuldet. Das Zusammenwirken von Corona- und Klimakrise kann in den Staatsbankrott führen. Eine Stundung oder Schuldenerlass können sofort Ressourcen freisetzen, die in die Beantwortung der Krisen und den Aufbau von Resilienz fließen können. Deutschland und die EU sollten sich im Rahmen der G20, bei den multilateralen Entwicklungsbanken und dem IWF dafür einsetzen.
Multilateral: Ein Mechanismus gegen Gesundheits- und Klimarisiken und die Rolle Chinas
Der geplante Gipfel der Regierungschefs der EU-Länder und Chinas im September in Leipzig wurde aufgrund der Corona-Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben. Dennoch dürfte die Diskussion mit China in den kommenden Monaten eine wichtige Rolle spielen. Die EU sollte China als strategischen Rivalen ernstnehmen und Menschenrechtsverletzungen klar kritisieren. Gleichzeitig sollte die EU aber zur Bewältigung von Krisen, die sich ohne China nicht lösen lassen, die Zusammenarbeit suchen. Das gilt für die Bekämpfung der Klimakrise genauso wie für Entschuldung (China ist mittlerweile einer der größten Gläubiger von Entwicklungsländern). China investiert derzeit Milliarden in Zentralasien und Osteuropa, auf dem Balkan und in Afrika. Auch diese Investitionen sollten sich an Resilienz und Nachhaltigkeit orientieren. Hier könnten mit der EU abgestimmte Prinzipien und Kriterien helfen.
In den internationalen Klimaverhandlungen müssen Lösungen gefunden werden, wie die ärmsten Bevölkerungsgruppen bei der Bewältigung von klimabedingten Schäden und Verlusten finanziell unterstützt werden. Eventuell öffnet sich nach der Corona-Krise ein Möglichkeitsfenster, sowohl einen Mechanismus gegen Gesundheits-, als auch einen gegen Klimarisiken zu etablieren. Der nächste UN-Klimagipfel (COP26) in Glasgow wurde auf 2021 verschoben – dann sollte sich die EU mit konstruktiven Vorschlägen für einen solchen Mechanismus einbringen.
Kooperativ: Krisenbewältigung durch strategische Partnerschaften
Mit großen Projekten, wie diesem solarthermischen Kraftwerk in Rajasthan, will Indien vermehrt auf Erneuerbare Energien setzen. Foto: Brahma Kumaris
Eine weitere konkrete Möglichkeit für Deutschland, seiner internationalen Verantwortung gerecht zu werden und Solidarität zu zeigen, sind strategische Partnerschaften mit Schwellen- und Entwicklungsländern für die Bewältigung der Corona- und Klimakrise. Indien ist hierfür ein gutes Beispiel: Der indische Subkontinent ist einerseits von Klimafolgen und der aktuellen Corona-Pandemie stark betroffen. Andererseits ist das Land ein großer Emittent von Treibhausgasen. Resilienzaufbau für arme oder marginalisierte Bevölkerungsgruppen und eine systemische Energiewende zur Nutzung des enormen Potentials an Erneuerbaren Energien durch Windparks, (auch dezentralen) Solaranlagen, Netzausbau und Speichermöglichkeiten sollte daher im Zentrum einer Partnerschaft zwischen Deutschland und Indien stehen. Indien hat die Voraussetzungen für einen Prototyp: Staat, Entwicklungsbank und Investoren entwickeln gemeinsam einen Mechanismus, damit für die notwendigen Erneuerbaren Energien und Klimaschutztechnologien nur ein sehr niedriger Zinssatz zu zahlen ist. So hatte es Kanzlerin Merkel beim letzten Petersberger Dialog vorgeschlagen.
Aber auch Green Mobility in Indiens Städten und die Förderung der Kreislaufwirtschaft sind erfolgversprechende Themen für die indisch-deutsche Zusammenarbeit. Aufgrund der Corona-Krise rückt aber auch soziale Ungleichheit stärker ins Bewusstsein. Wanderarbeiter*innen, die weit weg von zu Hause über kein soziales Sicherheitsnetz verfügen, verloren durch die Ausgangssperre über Nacht ihre Existenzgrundlage. Ihre Notlage verdeutlicht, dass nicht nur der Gesundheitssektor Reformen nötig hat. Das Corona-Hilfspaket der indischen Regierung sollte auch diese Handlungsfelder angehen. Auch in einer strategischen Partnerschaft zwischen Indien und Deutschland zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und der globalen Nachhaltigkeitsziele müssen die Handlungsfelder unbedingt unterstützt werden. Dabei ist nicht zu vergessen, dass es für eine Partnerschaft unumgänglich ist, dass beide Seiten ihre Hausaufgaben machen. Auch Deutschland muss sich im Klimaschutz zu Hause und in der EU mehr engagieren!
Dieser Beitrag erschien im Mitglieder-Magazin EINBLICK 2|2020.
Sie haben Interesse an der Arbeit von Germanwatch und möchten regelmäßig einen EINBLICK erhalten?
Als Fördermitglied unterstützen Sie nicht nur die Arbeit von Germanwatch, sondern erhalten auch quartalsweise unser Mitglieder-Magazin exklusiv per Post oder E-Mail.
Die aktuelle Ausgabe für Sie hier einmalig online zum Stöbern und Kennenlernen – Wir wünschen eine spannende Lektüre!