Acht Maßnahmen für eine ambitioniertere G20-Klimapolitik
Globale Treibhausgasneutralität bis 2050 ist laut dem IPCC-1,5°C-Sonderbericht notwendig, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5°C zu beschränken. Die G20-Staaten sind dabei ein Schlüssel zur Erreichung des Ziels – sie stoßen 80 % der Treibhausgase aus, produzieren 86 % der globalen Wirtschaftsleistung und sind Ursprung 75 % aller ausländischen Direktinvestitionen. Damit beeinflussen ihre Entscheidungen die Entwicklung von Innovation, Geldflüssen und Geschäftsmodellen weltweit.
Entsprechend steht Klimawandel schon lange auf der G20-Agenda. Klimainitiativen einer Präsidentschaft wurden jedoch oft nicht von ihren Nachfolgern weitergeführt. Ein Briefing Paper von Germanwatch, verfasst im Rahmen des internationalen Netzwerkes Climate Transparency, schlägt acht Maßnahmen zur japanischen G20-Präsidentschaft vor, die die G20 ergreifen sollte, um die globale Klimapolitik voranzubringen und Klimaschutz durch Innovation – eine Priorität der japanischen Präsidentschaft – zu fördern.[1]
Langfristige Ausrichtung an 1,5°C
- Die Befunde des IPCC-1,5°C-Sonderberichts sollten anerkannt werden. Der Bericht stellt die aktuellste und umfassendste wissenschaftliche Betrachtung zu den potentiellen Auswirkungen des Klimawandels dar. Um eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf maximal 1,5°C, sollte die G20 sich dazu verpflichten, ihr zukünftiges Handeln an einer 1,5°C-kompatiblen Entwicklung zu orientieren.
- Alle G20-Staaten sollten Langfriststrategien vorlegen, in denen Treibhausgasneutralität bis 2050 verankert ist. Langfriststrategien helfen kurz- und mittelfristiges Handeln besser an der 1,5°C-Obergrenze auszurichten und senden klare Signale an Investoren. Alle Länder sind aufgefordert bis 2020 Langfriststrategien beim Sekretariat der Klimarahmenkonvention UNFCCC einzureichen. 19 der 20 G20-Länder haben sich bereiterklärt dies zu tun; mit Ausnahme der USA. Bisher eingereichte Strategien zielen jedoch noch nicht auf Treibhausgasneutralität ab.
- Bis 2030 ist laut dem Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) schon eine Reduktion des globalen Treibhausgasniveaus auf 25-30 GtCO2e (Stand 2017: 53,5 GtCO2e) notwendig. Die aktuellen nationalen Klimabeiträge (NDCs) der G20-Staaten sind hierfür nicht ausreichend ambitioniert. Kommendes Jahr müssen alle Länder aktualisierte NDCs vorlegen – entsprechend dem im Pariser Klimaabkommen festgelegten 5-Jahresrhythmus zur ambitionierteren Aktualisierung. Die G20 sollte ihre zu aktualisierenden NDCs an einem 1,5°C-kompatiblen Pfad ausrichten und bereits auf dem Klimagipfel des UN-Generalsekretärs im September 2019 vorstellen. Dies wäre ein wichtiger Impuls für andere Länder und für Investoren.
Sofortige Maßnahmen: Infrastrukturplanung und Kohleausstieg
- Infrastrukturmaßnahmen haben eine lange Lebensdauer. Deshalb müssen Infrastrukturpolitik, -pläne und –projekte in den G20-Staaten schon jetzt mit dem 1,5°C Ziel vereinbar und so konzipiert sein, dass sie auch gegenüber zukünftigen Klimarisiken widerstandsfähig sind. Um die Auswirkungen von Klimarisiken auf Wirtschaft und Gesellschaft zu minimieren, muss die Resilienz gegen diese im Zentrum der Infrastrukturplanung stehen.
- Öl-, Kohle- und Gas-Investitionen sind langfristig nicht mit dem 1,5°C-Ziel vereinbar. Für Kohle als schmutzigstem und CO2-intensivstem Energieträger bedeutet dies, dass G20-Staaten Pläne für einen schnellen Kohleausstieg vorlegen müssen. Der Ausstieg muss laut IPCC-Sonderbericht spätestens 2050 vollkommen erfolgt sein, in Industriestaaten schon früher. Aus ökonomischen Gründen ergibt ein Ausstieg zunehmend schon jetzt Sinn – so ist die Instandhaltung vieler Kraftwerke teurer als die Errichtung erneuerbarer Energieträger. Gleichzeitig ist Kohle für rund 800.000 vorzeitige Tode weltweit verantwortlich mit assoziierten Kosten von 70 Mrd. USD jährlich allein in Europa.
Finanzströme in nachhaltige Investitionen verschieben
- Finanzwesen und Realwirtschaft stehen in einer wechselseitigen Abhängigkeit. Finanzströme und Investitionsentscheidungen müssen die Entwicklung zu einer nachhaltigeren Wirtschaft fördern statt sie zu untergraben. Die G20 sollte hierfür Unternehmen verpflichten, die klimabezogenen Risiken ihres Finanzportfolios entsprechend der Empfehlung der Task Force on Climate-related Financial Disclosure (TCFD) offenzulegen. Um diesen Prozess zu unterstützen, sollte die G20 den kollektiven Fortschritt bei der Umsetzung der TCFD-Richtlinien verfolgen.
- Die G20 hatte sich verpflichtet bis 2020 Subventionen für Öl, Gas, Kohle einzustellen. Dies ist nicht erfolgt und sollte spätestens bis 2025 nachgeholt werden, um das systematische Bevorteilen fossiler Brennstoffe zu beenden. Die freiwilligen Peer-Review-Verfahren zur Begutachtung von Subventionen fossiler Brennstoffe sollten zudem bis 2020 abgeschlossen werden.
- Die G20 sollte die Entwicklungsfinanzierung für fossile Brennstoffe beenden. Als wichtigste Shareholder der multilateralen Entwicklungsbanken (MDB) sollten sie die MDBs auffordern, Methoden zur Ausrichtung ihrer Geschäftsmodelle am 1,5°C-Ziel und an Klimaresilienz entsprechend dem Pariser Klimaabkommen umzusetzen und nachzuweisen. Weiterhin sollte die G20 ihre nationalen und bilateralen Entwicklungsbanken anweisen, Kohle-, Öl-, oder Gasprojekte nicht weiter zu finanzieren.
G20 muss ambitionierter Handeln
Ohne das Handeln der G20 ist eine Begrenzung der globalen Erderwärmung auf maximal 1,5°C nicht möglich. Die globalen Schäden, die dadurch entstehen würden, wären auch für die G20 katastrophal. Sie dürfen deshalb nicht hinter die Ergebnisse der G20-Gipfel in Hamburg und Buenos Aires zurückfallen. Gegebenenfalls müssen sie dafür abermals als 19+1 Staaten (die USA haben die klimarelevanten Erklärungen der G20 in Hamburg und Buenos Aires nicht unterstützt), ohne die USA, ambitionierte Schritte vornehmen. Japans Präsidentschaft und deren Fokus auf Klimaschutz durch disruptive Innovation ist eine weitere Möglichkeit dazu, die nicht versäumt werden darf.
[1] Detailliertere Informationen und Quellenangaben sind im vollständigen Briefing Paper zu finden
Autor:innenDavid Ryfisch, Lena Donat und Sophie von Russdorf (Praktikantin Team Internationale Klimapolitik) |