Keine Konkurrenz zwischen Trog und Teller?
In der Ausgabe der DLG-Mitteilungen vom Dezember 2017 der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft wird in einer Kurznachricht in Frage gestellt, dass eine bedeutende Konkurrenz zwischen der Ernährung von Tieren und Menschen besteht.
Der Bericht bezieht sich auf eine aktuelle der Studie der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) wonach "mit 86 % die überwiegende Menge dessen, was im Tierfutter landet nicht für die menschliche Ernährung geeignet (ist). Dazu zählen Erntereste, Nebenprodukte, aber vor allem der Aufwuchs der Grünlandflächen." Daraus schließen die AutorInnen: "Die Konkurrenz zwischen Trog und Teller ist weitaus weniger dramatisch als von Veganern und NGOs gerne behauptet."
Diese Interpretation ist in vieler Hinsicht fragwürdig. In der FAO Studie werden die Anteile am Futter aufgrund des Trockengewichts der verfütterten Pflanzen geschätzt. Über den für die Ernährung von Mensch und Tier wichtigeren Energie- und Nährstoffgehalt sagt das allerdings wenig aus.
Quelle: www.fao.org/gleam/results/en/
Tatsächlich können Menschen weder Gras noch Blattwerk verzehren, daher bedeuten diese Futteranteile keine Nahrungskonkurrenz, sondern eine ökologisch und sozial vorteilhafte Nutzung. Das gilt auch für Erntereste und Nebenprodukte wie Spelzen oder (Hafer-)Stroh (19 Prozent). Doch schon beim Schrot aus Ölsaaten kommt es auf das Detail an: Zumeist handelt es sich dabei um Sojaschrot, das nach der Extraktion des (für menschliche Ernährung geeigneten) Öls übrigbleibt. Soja muss aber nicht notwendigerweise gepresst werden, sondern die ganze Bohne bestimmter Soja-Sorten kann zum Beispiel in Form von Tofu als Lebensmittel für Menschen verwertet werden. In der Tat wird Soja überwiegend angebaut, weil Nachfrage für das Schrot als Futtermittel besteht. Das Öl ist dann eher das (lukrative) Nebenprodukt. Auch andere Ölsaaten wie Sonnenblumenkerne können ganz von Menschen verzehrt werden während bei Raps, nur das Öl für Menschen genießbar ist. Damit stehen insgesamt maximal 73 Prozent der weltweit eingesetzten Futtermittel außer Konkurrenz zu Lebensmitteln. Rund ein Viertel der globalen Futterzusammensetzung aber besteht aus Produkten, die für Lebensmittel genutzt werden könnten.
Um die Konkurrenz zwischen menschlicher Ernährung und Tierfutter einschätzen zu können, ist ohnehin der Blick auf diese für menschliche Ernährung geeigneten Produkte wichtiger. Neben den Ölsaaten vor allem Getreide für die Tierfütterung eine zentrale Rolle. Laut "Food Outlook" der FAO werden jährlich über 900 Millionen Tonnen Getreide verfüttert. Menschen verzehren 1,1 Milliarden Tonnen jährlich1. 560 Millionen Tonnen werden zur Erzeugung von Agrarenergie, alkoholischen Getränken wie Bier und Spirtuosen sowie als Rohstoff für die Industrie genutzt.
In Deutschland landen laut Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) sogar fast 60 % der Getreideernte im Trog und weniger als ein Fünftel auf unseren Tellern.
Wofür wird Getreide in Deutschland verwendet?
Die Grafik des BMEL zeigt die Durchschnittwerte der Wirtschaftsjahre 2012/13 und 2014/152.
Die Futterration hat sich im Zuge der Industrialisierung der Fleisch-, Milch- und Eiererzeugung drastisch verändert. Die Auswahl der Futterkomponenten in der Intensivtierhaltung dient in erster Linie der Verringerung der Kosten je erzeugter Einheit Fleisch, bzw. Milch. Daher landen in den Trögen der Industriestaaten Kohlenhydrate und Eiweißträger, die überwiegend eigens dazu angebaut werden, und die Fleischtiere in kürzester Zeit schlachtreif werden lassen und bei Milchkühen kurzfristig enorme Milchmengen ermöglichen. Betrachten wir die Fütterungsempfehlungen in der Intensivmast für Schweine in Deutschland, so ist der Anteil von Gras und Blättern gleich Null. Der Anteil von Getreide und Soja, die auch für Menschen genießbar sind, liegt hingegen weit über dem globalen Durchschnitt bei 87 Prozent.
Für die Rindermast in Deutschland ist Maissilage von besonderer Bedeutung. Sie kann von Menschen nicht direkt genutzt werden. Da die Flächen aber auch für andere Getreide genutzt werden könnten, ergibt sich eine deutliche Konkurrenz in der Flächennutzung.
Ganz am Ende des Beitrags fällt dann auch den DLG-Mitteilungen auf, dass die in ihren Seiten immer wieder geforderte Intensivierung und "Effizienzsteigerung" in der Tierhaltung die Konkurrenz zwischen Trog und Teller weiter verschärft. Die Lösung, Verbrauch und Erzeugung von Fleisch und Milch zu verringern, so dass der Futterbedarf insgesamt sinkt und tatsächlich ein großer Teil dieses Futters aus für Menschen nicht geeigneten Pflanzen erzeugt werden kann, kommt den AutorInnen des Beitrags nicht in den Sinn.
Der Beitrag "86 % sind nur für den Trog geeignet" erschien in den DLG-Mitteilungen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft im Dezember 2017 auf Seite 13 als Kurznachricht - ohne namentliche Nennung der AutorInnen.