Die Zukunft des Emissionshandels: Was wir handeln, muss real sein – und wir müssen es beweisen!
Am 27. und 28. September trafen sich in Rom die Mitglieder der G7 Carbon Market Platform zu ihrem 2. Strategischen Dialog. Germanwatch präsentierte auf Einladung der italienischen und deutschen Ko-Vorsitzenden die gemeinsame Erklärung der G20-Begleitgruppen Business 20, Civil 20 und Think 20 zur Umsetzung des Klimaabkommens von Paris, CO2-Bepreisung und Subventionsabbau im Rahmen der G20.
Mit der Carbon Market Platform wurde auf Initiative der deutschen G7-Präsidentschaft 2015 ein Rahmen für den Austausch zwischen Ländern geschaffen, denen der Aufbau von Kohlenstoffmärkten ein zentrales Anliegen ist. Dabei zielt die Plattform ausdrücklich auf eine breite Mitgliedschaft von Industrie-, Entwicklungs- und Schwellenländer mit verschiedenen Emissionsprofilen und Entwicklungsständen. Viele der derzeitigen Mitgliedsstaaten haben auch die sogenannte „Neuseeland-Deklaration“ unterschrieben. Diese Ministerial Declaration on Carbon Markets, die im Dezember 2015 auf Initiative Neuseelands zustande kam, erklärt die Unterstützung der zeichnenden Länder für die Entwicklung von internationalen Marktmechanismen im Rahmen des Pariser Abkommens, die transparent sind, hohen Umweltstandards entsprechen und zu echten Reduktionen führen.
Dieser Ansatz prägte auch den Diskurs beim Strategischen Dialog: Statt globaler Märkte und Preise, Effizienzgewinnung und Kosteneinsparungen durch das sogenannte „linking“, also die Verknüpfung verschiedener nationaler und regionaler Emissionshandelssysteme, standen die Themen Umweltstandards, Ambitionssteigerung, Ausgestaltung von Preisinstrumenten, Kohärenz von Politiken und internationale Kooperation im Mittelpunkt. Spätestens mit dem OECD Bericht „Investing in Growth, Investing in Climate“ ist auch bei den Fans des CO2-Handels angekommen, dass Emissionshandel nur dann ein effizientes und effektives Instrument für Klimaschutz und wirtschaftliche Entwicklung darstellt, wenn er zu wirksamen CO2-Preisen führt und mit intelligenten Wirtschafts- und Steuerreformen sowie Politiken für einen sozialverträglichen Strukturwandel verbunden wird.
Dies entspricht der veränderten Stimmung und dem starken Momentum, das Germanwatch seit Paris in der internationalen Wirtschafts- und Finanzwelt beobachtet. Die Forderung nach einem „globalen CO2 Preis“ war lange eine Abwehrstrategie von Industrieverbänden – unrealistisch und so vor allem geeignet, nationale kurzfristig wirksame Klimaschutzmaßnahmen abzuwehren. Doch das ändert sich: Germanwatch hatte schon im Herbst 2016 gemeinsam mit dem BDI und dem Mercator Research Institut (MCC) dazu aufgerufen, im Rahmen der deutschen G20-Präsidentschaft einen G20-Fahrplan hin zu regional differenzierten, über die Zeit ansteigenden und konvergierenden CO2 -Preisen – in Form von Steuern, Abgaben oder Emissionshandel – zu entwickeln. Es sollten sich also möglichst alle G20-Länder dazu verpflichten, zeitnah Subventionen für fossile Energieträger abzubauen und CO2-Bepreisung einzuführen, mit den national angemessenen Mitteln und zunächst durchaus in unterschiedlicher Höhe. In einer gemeinsamen Erklärung für eine nachhaltige Energiewende der zivilgesellschaftlichen Begleitgruppen Business 20, Civil 20 und Think 20 wurden ähnliche Forderungen an die G20 formuliert. Diese wurde im März auch der offiziellen G20-Arbeitsgruppe zu Nachhaltigkeit vorgestellt, und fand aufgrund der ungewöhnlichen Breite der Koalition auch ein deutliches Echo in den Medien. Bei der Carbon Market Platform unterstrich die Präsentation dieser gemeinsamen Initiativen durch Germanwatch eindrucksvoll das internationale Momentum in der Wirtschafts- und Finanzwelt für ambitionierte Klimapolitik.
Professor Ottmar Edenhofer vom MCC stellte den Bericht der High Level Commission on Carbon Pricing vor, der unter anderem „Paris-kompatible“ Preiskorridore für CO2 von 24-39 USD/t CO2 im Jahre 2020, und 30-100 USD/t CO2 für 2030 berechnet hat, und ebenfalls die Wichtigkeit von kohärenten Politiken und einem Instrumentenmix betont. Dadurch begann die Sitzung mit einem lebhaften Austausch zu sehr reellen Fragen, wie der Notwendigkeit und Höhe von (nationalen) Mindestpreisen und der zu erwartenden Wirksamkeit der anstehenden Reform des europäischen Emissionshandels. Weiterhin wurde auf dem Treffen diskutiert, wie internationale Kooperation zur Ambitionssteigerung beitragen kann, und wie Märkte und Politikinstrumente hierfür konkret ausgestaltet werden müssten. Die Frage, wie aus Mechanismen zur Treibhausgasreduktion echte Transformationspolitiken werden, nahm dabei erheblichen Raum ein. Auch die bestehenden Fehlanreize durch Subventionen wurden diskutiert, sowie die Frage, welche Änderungen im Steuer- und Abgabensystem notwendig sind, um diese zu beheben und Investitionen in Innovation und nachhaltige Infrastruktur zu fördern – oder zumindest gegenüber den fossilen Energien nicht zu benachteiligen.
Ihren Kern traf die Debatte in der Session zu „Environmental Integrity“ – es wurde sehr klar, wie wichtig es ist, vergangene Fehler zu vermeiden und nicht den Eindruck zu erwecken, die Industrieländer wollten sich mit „billigen Zertifikaten“ von eigenen Anstrengungen freikaufen. „Was wir handeln, muss real sein – und wir müssen es beweisen!“ Diese Zusammenfassung eines Delegierten brachte die Aussagen vieler der vertretenen Regierungen auf den Punkt. Am Ende zähle, was in der Atmosphäre ankommt. Gleichzeitig betonten gerade VertreterInnen von Ländern mit ambitionierten Zielen, wie wichtig CO2-Märkte für das Erreichen ihrer nationalen Beiträge sei. Denn sie hätten bei der Erstellung ihrer ehrgeizigen Ziele darauf gebaut, in Sektoren mit kurzfristig schwer zu mindernden Emissionen, wie z. B. der Tierhaltung oder dem Gebäudebestand, zur Überbrückung auch auf Zertifikate aus internationaler Kooperation zurückgreifen zu können. Und nicht zuletzt die anwesenden VertreterInnen aus Entwicklungsländern betonten, wie wichtig Instrumente der internationalen Kooperation für sie seien, um ihre Klima- und Entwicklungsziele umzusetzen und Sektoren zu erreichen, die bisher in den nationalen Beiträgen nicht berücksichtigt worden seien. Die Regeln müssten so ausgestaltet werden, dass der CO2-Markt beim Auf- und Umbau der Infrastruktur in Entwicklungsländern eine entscheidende Rolle spielen und dessen Tempo steigern könnte. Lasst das Perfekte nicht zum Feind des Guten werden, wurde mit Blick auf hohe Standards für internationale Kooperation gewarnt.
So wurden viele Spannungsfelder angesprochen, die sich in den Verhandlungen zu Artikel 6 des Klimaabkommens von Paris wiederspiegeln werden. Artikel 6 befasst sich mit internationaler Kooperation zur Treibhausgasminderung, Anpassung und nachhaltiger Entwicklung, und reicht von „nicht marktförmigen Instrumenten“ über einen zentralen CO2-Markt bis zu freiwilligen und bilateralen Kooperationen auch zwischen nicht-staatlichen Akteuren. Dabei entspricht die Breite der Palette den – durchaus widersprüchlichen - Interessen der Akteure. Die Carbon Market Platform versteht sich als Plattform für politischen Dialog über Fragen der Ausgestaltung von Preisinstrumenten und internationaler Kooperation. Sie könnte auch ein Forum sein, um Vorschläge zu erarbeiten und zu sondieren, wie einzelne Bausteine und Formulierungen zur Umsetzung des komplexen Artikels 6 aussehen könnten. Von der COP23 in Bonn sind hier keine konkreten Ergebnisse zu erwarten, da die Positionen zu Artikel 6 noch sehr weit auseinander liegen. Aber auch wenn viele Delegationen erst 2018 im Paket abstimmen werden, wären konstruktive Zwischenschritte bei der zentralen Frage um Rolle und Ausgestaltung von CO2-Handel und internationalen Kooperationen ein immenser Fortschritt, der auch die Verhandlungen zu anderen Teilen des Regelwerks für den Klimavertrag von Paris entscheidend beeinflussen könnte.