Hunderte Millionen von Menschen in Gefahr

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Hunderte Millionen von Menschen in Gefahr

Wie viele Menschenleben werden bei welchem Treibhausgas-Emissionspfad riskiert? Dieser Frage geht ein internationales Team von IPCC-Autoren, herausgegeben vom Jackson Environment Institute in der University of East Anglia nach. Sie versuchen auf diesem Weg akademische Hilfestellung beim Finden von "optimalen" Emissionsreduktionszielen zu geben. Die Autoren verfolgen einen integrativen Ansatz, der sowohl Emissionsminderung und Anpassungsmaßnahmen umfasst.

GERMANWATCH übersetzt Auszüge.

"Vereinbarungen zur Verminderung der Treibhausgasemissionen wurden durch zahlreiche Faktoren erschwert, nicht zuletzt durch die anfallenden Kosten. Die Kosten wären jedoch viel besser akzeptiert, wenn wir ein klares Bild darüber hätten, welche Schäden durch verschiedene Emissionsreduktionen vermieden würden. (...)

Zum einen kommen immer mehr Millionen von Menschen [durch die menschgemachte Klimaänderung, Anm. GW] in Gefahr. Weniger offensichtlich ist, dass dies sowohl von einer wachsenden und verwundbarer angesiedelten Bevölkerung im Jahr 2080 gegenüber 2050 als auch von einer Temperaturzunahme oder daraus folgenden Veränderungen des Niederschlags und Meeresspiegelanstieg herrührt. (...)

Abbildung: Millionen Menschen in Gefahr um 2080
 

Zweitens zeigt die Abbildung, wie sehr Emissionen gesenkt werden müssen, um weniger Menschenleben zu riskieren. Wir schätzten ab, welche Auswirkungen es haben würde, wenn die atmosphärischen CO2-Konzentrationen bei 750 ppmv (parts per million) im Jahr 2250 beziehungsweise bei 550 ppmv im Jahr 2150 stabilisiert werden. Diese Szenarien bedeuten ungefähr das 10- bzw. 20-fache der durch das Kyoto-Protokoll angepeilten Emissionsreduktion. Beim 750-ppm-Ziel treten die Schäden verzögert auf, aber sie können nicht vermieden werden. Bis 2080 könnte sich gegenüber dem allgemeinen Trend die Anzahl der durch Hunger, Überschwemmungen gefährdeten Menschen um die Hälfte, die durch Malaria bedrohte Bevölkerung um vielleicht ein Drittel und die von Wasserknappheit Bedrohten um ein Viertel vermindern. Um nicht einige hundert Millionen, sondern nur einige zehn Millionen von Menschenleben zu riskieren, bedarf es einer Stabilisierung bei etwa 550 ppmv.

(...) Obwohl bisher keine Auswirkungsanalysen für Stabilisierungsniveaus von 450, 650 und 1000 ppmv vorliegen, scheint es so, dass beim 450-ppmv-Ziel eine sehr große Verminderung der Millionen riskierter Menschenleben erreichen würde, wobei allerdings sehr hohe Emissionsverminderungskosten aufträten. Es ist genau dieser Abgleich, der einer besseren Analyse bedarf.

Eine dritte Schlussfolgerung besteht darin, dass nunmehr Informationen vorliegen, die bei der Auswahl von Reduktionszielen helfen können. Bisher wurden solche Ziele, etwa das von Kyoto, nach einer Top-down-Methode ohne genaue Kenntnisse der vermiedenen Klimafolgen ausgewählt. Darin lag zum Teil ihre Schwäche. Nun können wir beispielsweise argumentieren, dass das Ausmaß des Anstiegs der Weltmitteltemperatur so zu begrenzen ist, dass die Gefahr unterhalb eines als tolerabel akzeptierten Niveaus (etwa eine bestimmte Anzahl zusätzlich riskierter Menschenleben) bleibt; Emissionsziele könnten dann daran orientiert werden, dieses Niveau zu erreichen.

Viertens ist klar, dass Emissionsminderung allein das Problem Klimaänderung nicht lösen kann. Anpassung wird notwendig sein, um möglichst viel des potentiellen Schadens zu vermeiden oder zumindest zu vermindern; zu begrüßen sind viele der positiven Auswirkungen von Anpassungsmaßnahmen heute (z.B. verbesserter Dürreschutz in der Landwirtschaft, besserer Überschwemmungsschutz, effizientere Wassernutzung, bessere Malariakontrolle). Und da wir solche Strategien unabhängig davon brauchen, wie die Klimaänderung in der Zukunft ausfallen wird, sind viele der Anpassungsstrategien zur Klimaänderung "win-win"-Optionen.

Wir müssen eine Kombination von Emissionsminderung und Anpassung finden, um der Herausforderung der Klimaänderung zu begegnen. Emissionsminderung kann Zeit kaufen für Anpassungsmaßnahmen (z.B. Auswirkungen verzögern, bis sie durch Verbesserung von Technik und Management bewältigt werden können); Anpassung ihrerseits kann - etwa durch zunehmende Dürre-Toleranz von Nutzpflanzen - die tolerierbaren Schwellenwerte, deren Überschreiten durch Emissionsminderung vermieden werden muss, erhöhen. Betrachtet man Emissionsminderungen und Anpassungsmaßnahmen getrennt, scheinen sie unzulänglich, um einer solchen Herausforderung zu begegnen, aber kombiniert würden sie eine wirkungsvolle Antwort darstellen."

Erschien auch in: Global Environmental Change 11 (2001): 181-183