Flugverkehr könnte Klimaschutzziele zunichte machen
Flugverkehr könnte Klimaschutzziele zunichte machen
Der Flugverkehr als klimaschädlichster Massenverkehrsträger weist hohe Wachtumsraten auf und ist, was die internationalen Flüge angeht, von jeglicher Emissionsbeschränkung entbunden. Für wirksame Maßnahmen auf europäischer Ebene erhält die EU-Kommission nun Rückendeckung aus der Zivilgesellschaft. Fast sechstausend Menschen und zweihundert Organisationen haben sich an der EU-Internet-Konsultation zu Flugverkehr und Klima beteiligt. Eine große Mehrheit der beteiligten Bürger - über 80 % - stimmen damit überein, den Flugverkehr in den Klimaschutz einzubeziehen, bei den Organisationen waren es sogar 99,5 %.
Mit diesem eindeutigen Votum hat EU-Umweltkommissar Dimas eine starke Legitimation, sein Projekt zum Einbezug des Flugverkehrs in den EU-Emissionshandel durchzusetzen. Dabei sollen die Flüge aller Fluggesellschaften, die von den 25 Mitgliedsstaaten der EU aus starten, einbezogen werden. Bleibt zu hoffen, dass es ihm auch gelingt, nicht nur die CO2-Emissionen zu berücksichtigen, sondern auch die (beim Flugverkehr ja deutlich höhere) Erwärmungswirkung der übrigen Emissionen.
Denn die Warnungen aus der Wissenschaft bezüglich der Klima-Auswirkungen des Flugverkehrs reißen nicht ab: Der Flugverkehr droht durch sein Wachstum, viele Klimaschutzbemühungen zu Nichte zu machen, warnt das Tyndall Centre for Climate Change Research.
Es folgt eine Pressemitteilung von Friends of the Earth Europe vom 31.5.05 (Übersetzung durch Germanwatch).
Heute, am 1. Juni 2005, wurden von Friends of the Earth England, Wales and Northern Ireland neue Forschungsergebnisse des Tyndall Centre for Climate Change Research publiziert. Sie zeigen, dass, solange die EU und die Regierung Großbritanniens keine Maßnahmen zur Reduzierung des Wachtums der Emissionen aus dem Flugverkehr unternehmen, die Emissionen der Flugindustrie alle Emissionseinsparungen aus anderen wirtschaftlichen Sektoren zunichte machen wird.
Die Forschungsergebnisse zeigen auch, dass die Treibhausgas-Reduktionsziele nahezu unmöglich zu erreichen sind, wenn die Emissionen aus dem Flugverkehr weiterhin mit den vom Tyndall Centre unterstellten Wachstumsraten steigen.
Tyndall, in Großbritannien die führende unabhängige Klimaschutz-Forschungseinrichtung, kommt zu folgender Schlussfolgerung: Der Flugverkehr wird, falls dessen Wachstum anhält und wir (bezüglich der Gesamtemissionen) in sicheren Grenzen bleiben wollen, bis 2040 das gesamte Emissions-Budget aller Sektoren der EU-Wirtschaft und bis 2037 aller Sektoren Großbritanniens aufbrauchen. Dies würde bedeuten, dass Schulen, Krankenhäuser, Handel, Haushalte und Industrie nicht die geringsten Emissionen freisetzen dürften, wenn Großbritannien und die EU in den umweltverträglichen Grenzen bleiben wollten. Friends of the Earth beschrieben solch ein Szenario als "absurd, ungerecht und unerreichbar".
Die Studie untersucht Wachstumstrends in der Flugindustrie und ermittelt unter der Annahme, dass die Trends sich nicht ändern, einen starken Anstieg der Emissionen dieses Sektors bis zum Jahr 2050. Die Studie berücksichtigt ebenfalls Art und Weise der "Reifung" von Lufttransportmärkten und unterstellt eine signifikante Verbesserung in der Treibstoffeffizienz.
Der Bericht folgert, dass es "ernste Konsequenzen für Großbritannien und die EU in Bezug auf das Erreichen der Kohlendioxid-Reduktions-Verpflichtungen" geben wird "wenn die europäischen Regierungen die historisch hohen Wachstumsraten im Flugverkehr weiterhin zulassen oder sogar fördern."
Friends of the Earth glauben, dass es politisch unmöglich wird, die insgesamt notwendigen Reduktionen der CO2-Emissionen zu erreichen, falls die EU dem Flugsektor erlaubt, den Prognosen entsprechend zu wachsen. Friends of the Earth fordern die EU auf, ökonomische Instrumente und Sektorziele einzuführen, um die Stabilisierung des CO2 auf 450ppm bis zum Jahr 2050 zu erreichen.
Flug-Campaigner Richard Dyer von Friends of the Earth sagte: "Die wichtigste Frage für diese Generation ist, wie wir den Klimawandel anpacken. Die EU muss ökonomische Instrumente einführen, um Flugemissionen einzuschränken. Dieser Bericht malt ein verheerendes Bild von den zukünftigen Auswirkungen eines unkontrollierten Wachstums des Flugverkehrs auf die Umwelt. Entscheidungsträger müssen sich einer Tatsache stellen: Den Klimawandel anzugehen bedeutet, die Nachfrage nach Flügen anzugehen."
Der Klimawandel ist das dringlichste Umweltproblem für die Menschheit. Der britische Premierminister Tony Blair beschrieb ihn kürzlich als "eine Herausforderung, so weit reichend in ihren Auswirkungen und irreversibel in ihrer zerstörerischen Kraft, dass sie die menschliche Existenz radikal verändert."
Die Flugbranche ist eine schnell wachsende Industrie und die am schnellsten wachsende Quelle von klimaschädlichen Emissionen. Die europäische Kommission untersucht zur Zeit die Vorzüge eines Einbezugs des innereuropäischen Flugverkehrs in den bereits existierenden EU-Emissionshandel als Schlüsselpolitik für die Reduktion der Emissionen dieses Sektors. Dies ist eine der von der EU in Betracht gezogenen Optionen, aber Steuern und Emissionsabgaben werden von ihr auch diskutiert. Die Kommission muss ihren Standpunkt zu den politischen Optionen im Sommer 2005 bekannt machen. Friends of the Earth meinen, dass die Mitgliedstaaten die bestehenden Mehrwertsteuer- und Kerosinsteuer-Befreiungen auf inländische Flüge aufheben sollen und mit einer Emissionsabgabe beginnen sollten, sich für wirksame EU-weite Maßnahmen einzusetzen.
Quelle: http://www.foeeurope.org/press/2005/JK_1_June_flights.htm
Weitere Infos:
- Zusammenfassung des Tyndall-Reports [PDF, 3,3 MB]
- Vollständige Version des Tyndall-Reports [6,2 MB]
- Germanwatch: Flugverkehr