Dasselbe in Grün?
„Grüne“ Investitionen haben weltweit Konjunktur. Auch die G20 hat den Finanzsektor als Wegbereiter für eine globale Wende zu mehr Umwelt- und Klimaschutz entdeckt. Was kann die am 1. Dezember beginnende deutsche G20-Präsidentschaft dazu beitragen, das globale Finanzsystem in den Dienst nachhaltiger, klimafreundlicher Entwicklung zu stellen?
Das Klimaabkommen von Paris enthält in Artikel 2.1c den bemerkenswerten Auftrag, alle globalen Finanzflüsse mit den langfristigen Klimazielen in Einklang zu bringen. Nicht zuletzt hierdurch ist „Green Finance“ in den Mittelpunkt internationaler Debatten gerückt. Die globale Transformation zu einer klimaresilienten - also gegenüber den Folgen des Klimawandels widerstandsfähigen - und treibhausgasneutralen Gesellschaft erfordert immense finanzielle Mittel. Basierend auf Daten der Internationalen Energieagentur (IEA) beziffert der Allianz Klima- & Energiemonitor die allein in den G20-Staaten zwischen 2020 und 2035 benötigten Investitionen für saubere Stromerzeugung und Netzinfrastruktur auf etwa 2.3 Billionen US-Dollar jährlich – die Hälfte davon in den Schwellenländern China, Brasilien, Indonesien, Indien und Südafrika. Eine Studie der „New Climate Economy“ schätzt die globale Investitionslücke im Bereich Infrastruktur bis 2030 auf fast 90 Billionen US-Dollar – plus 4 Billionen Mehrkosten für eine energieeffiziente, klimaneutrale Ausgestaltung derselben. Solche Summen lassen sich nur durch das Umlenken von Investitionen aus konventionellen zu „grünen“, klimafreundlichen Geldanlagen und Projekten auftreiben, und maßgeblich durch die Mobilisierung privaten Kapitals.
Ein zentrales Instrument hierfür sind die sogenannten „green bonds“, also Staats- oder Unternehmensanleihen im Bereich Umwelt- und Klimaschutz. Diese würden es institutionellen Anlegern erlauben, einen größeren Teil der von Ihnen verwalteten über 100 Billionen US-Dollar indirekt in Infrastrukturprojekte zu investieren. Denn direkte Investitionen sind oft nicht mit der sogenannten treuhänderischen Pflicht übereinzubringen, wohingegen grüne Anleihen als strukturiertes, abgesichertes und handelbares Finanzmarktprodukt einer anderen Risikoklasse entsprechen, und damit den wirklich tiefen Taschen von Versicherungen, Pensions- und Staatsfonds eher zugänglich sind. Der Markt für „Green Bonds“ wächst rasant: von gerade einmal 3 Milliarden US-Dollar 2012 auf 42 Milliarden US-Dollar im Jahr 2015; mehr als 80 Milliarden US-Dollar werden für 2016 erwartet. China ist hier Vorreiter: 2015 war es das erste Land, das Richtlinien für grüne Anleihen herausgab. Im dritten Quartal 2016 zeichnete es für über 40% der weltweit ausgegebenen Green Bonds verantwortlich.
Neben der Gesamthöhe der mobilisierten Mittel ist für die ökologische Wirksamkeit natürlich entscheidend, wann eine Geldanlage als „grün“ gilt. So schließen z.B. die chinesischen Richtlinien für Green Bonds die „saubere Nutzung von Kohle“ ein. Hier besteht ein Interessenkonflikt zwischen lokalem Umweltschutz (z.B. Entschwefelungsanlagen in Kohlekraftwerken) und langfristigem Klimaschutz. Um der Verpflichtung aus Artikel 2.1c des Pariser Klimaabkommens zu genügen, müssen noch strengere Maßstäbe angelegt werden. Denn Paris-kompatible Projekte müssen nicht nur eine Verbesserung gegenüber dem derzeitigen Zustand darstellen, sondern auch mit den Erfordernissen langfristiger 1.5- bis 2-Grad-Szenarien übereinstimmen. Hier braucht es klare, an der künftigen Entwicklung ausgerichtete Kriterien.
Auch Mark Carney, der Vorsitzende des von der G20 eingesetzten Finanzstabilitätsrates (FSB), wirbt für eine weitgehende Standardisierung und Zertifizierung von Green Bonds im Rahmen der G20, um deren Reichweite und Verbreitungsgeschwindigkeit zu vergrößern. Gleichzeitig betont Carney die makroökonomischen Chancen, die langfristige und nachhaltige Investitionen im derzeitigen Niedrigzinsumfeld bieten: Diese könnten nicht nur vagabundierendes Kapital aufsaugen und damit die Zinsen anheben, sondern auch durch Anreize für nachhaltiges Wachstum einen weiteren Beitrag zu ökonomischer Stabilität liefern.
Dieser Zusammenhang dürfte auch die Initiative der chinesischen G20-Präsidentschaft beflügelt haben, dem Thema mit einer Green Finance Study Group ein eigenes Forum zu widmen. Deren erster Abschlussbericht wurde beim Hangzhou-Gipfel offiziell begrüßt. Es ist nun an der deutschen Präsidentschaft, diesen Schwung zu erhalten und in konkrete Handlungen zu überführen. Eine zentrale Rolle spielen hierbei die nationalen und internationalen Entwicklungsbanken: Sie wären in einer hervorragenden Position, die Vergabe ihrer Gelder an klare Kriterien zu binden und dabei auch bestimmte Sektoren als nicht Paris-kompatibel auszuschließen. Dabei ist größtmögliche Transparenz wichtig um sicherzustellen, dass Zusagen eingehalten werden und nicht nur einem grünen Anstrich des Portfolios dienen.
Auch Unternehmen müssen Dekarbonisierungspläne entwickeln und ihre Emissionsdaten und Klimastrategien nach verbindlichen Regeln so aufbereiten, dass sowohl Finanzanalysten als auch eine kritische Öffentlichkeit diese überprüfen können. Die Offenlegung ist eine zentrale Bedingung für eine realistische Risikobewertung und für verantwortungsvolles Handeln von Investoren, die Firmen im Transformationsprozess unterstützen und sich von Unbelehrbaren lossagen wollen – Stichwort Divestment und Re-Investment. Eine globale Definition von „grünen“ bzw. Paris-kompatiblen Finanzen ist mittelfristig kaum zu erwarten. Aber die Entwicklung einheitlicher Reporting-Standards und die Pflicht zur Offenlegung wären ein großer Schritt in die richtige Richtung. Der für Januar 2017 erwartete Bericht der FSB Task-Force zur Offenlegung klimarelevanter Finanzdaten bietet der deutschen G20-Präsidentschaft hier eine Steilvorlage für konkretes Handeln.
Die globalen Finanzsysteme zu reformieren und in den Dienst einer nachhaltigen Wirtschaft zu stellen ist eine Aufgabe, die weit über die Ausgabe von „grünen“ Anleihen und verbindlichere Berichtspflichten hinausreicht. Dass der traditionell rein auf Finanzmarktstabilität und Wirtschaftswachstum fokussierte Finanzstrang der G20 sich diesem Thema zuwendet, könnte ein Anzeichen für einen dringend benötigten Paradigmenwechsel sein.
Hongyu Guo ist als Programm-Managerin bei Greenovation Hub, China, verantwortlich für strategische Kommunikation und Politikberatung im Klimabereich.
Dr. Gerrit Hansen ist Referentin für Internationale Klimaschutzpolitik bei der deutschen Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch.
- Mit finanzieller Unterstützung der Stiftung Mercator. Für den Inhalt ist alleine Germanwatch verantwortlich. -
- Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.klimaretter.info -
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