Studie: G20 trotz positiver Entwicklungen noch nicht auf dem Weg in eine Welt ohne Kohle, Öl und Gas
Peking (1. Sep. 2016). Trotz vermehrter Anzeichen, dass der Anstieg der energiebedingten CO2-Emissionen gestoppt ist, müssen die G20-Staaten ihre Anstrengungen deutlich vergrößern, um den Einstieg in eine treibhausgasneutrale Welt zu organisieren, so wie sie das Pariser Klimaabkommen anstrebt. Prioritäten müssten insbesondere in den Bereichen Kohleverstromung, Subventionsabbau für fossile Energien und bei einer langfristigen Rahmensetzung für die Klimapolitik gesetzt werden. Zu diesem Schluss kommt eine heute in Peking von "Climate Transparency" veröffentlichte Studie. An dem wenige Tage vor dem G20-Gipfel in China von dem internationalen Konsortium veröffentlichten Report arbeiteten Experten verschiedener Organisationen aus aller Welt (siehe Info am Ende der PM). Sie analysierten und bewerteten die G20-Staaten in vielen Bereichen der Klima- und Energiepolitik, unter anderem Emissionen, Entwicklung der Kohleverstromung, der Erneuerbaren, "grüne" Investitionen und auch Ambition der klimapolitischen Vorgaben für die kommenden Jahre.
Die G20-Staaten sind für rund drei Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, allein die energiebedingten Emissionen sind von 1990 bis 2013 um mehr als die Hälfte gewachsen (56%). Die gute Nachricht ist: Dieses CO2-Wachstum ist zum Stillstand gekommen. Während beim Neubau von Kraftwerken inzwischen die Erneuerbaren Energien mehr als die Hälfte der Investitionen ausmachen, dominieren aber in den bestehenden Energiesystemen in den G20-Staaten noch immer die braunen Energieträger Kohle, Öl und Gas.
"Unsere Studie zeigt zweierlei: Auf der einen Seite scheint das Wachstum der globalen Emissionen beendet zu sein. Auf der anderen Seite entfaltet der Umbau von der fossilen zur grünen Wirtschaft noch nicht genug Dynamik", sagt Jan Burck von Germanwatch, einer der Autoren der Studie.
Niklas Höhne, NewClimate Institute, Co-Autor der Studie, ergänzt: "Die G20 hat zwar grüne Investitionen als wichtiges Thema erkannt, aber das reicht noch nicht für den Einstieg in eine dekarbonisierte Welt. Der Umbau zu einer grünen Wirtschaft birgt aber enorme Chancen: Er ermöglicht eine Versorgung nicht nur mit genug sondern ebenso mit erschwinglicher Energie auch für die Ärmsten weltweit und er setzt neue wirtschaftliche Impulse frei. Nicht zuletzt ist dieser Umbau schlicht notwendig, um den Klimawandel in einem bewältigbaren Rahmen zu halten - und er muss jetzt beginnen."
Die Bewertung für Deutschland fällt zwiespältig aus: Lange Weltmeister beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und vorbildlich bei der internationalen Klimafinanzierung - allerdings bereiten der immer noch sehr hohe Anteil von Kohleverstromung und Subventionen für fossile Energien Sorgen. Nicht zuletzt schreckt auch der noch immer nicht in der Ressortabstimmung befindliche Entwurf des Klimaschutzplans 2050 vor den notwendigen Rahmensetzungen - etwa für den Ausstieg aus der Kohle - zurück. "Eine deutliche Nachbesserung des Plans würde Deutschland die notwendige Glaubwürdigkeit geben, um Klimaschutz in der G20 beim Gipfel in Deutschland im kommenden Jahr voranzutreiben", sagt Jan Burck.
Einige Hauptaussagen der Studie:
• Bei der Investitionsattraktivität in Erneuerbare Energien rangieren China, Indien, Frankreich, Deutschland, die USA und Großbritannien an der Spitze der G20. Russland, Saudi-Arabien und die Türkei bilden das Schlusslicht. "Die künftige Entwicklung Chinas und Indiens wird die größten Auswirkungen auf das Klima haben. Es ist ein sehr gutes Zeichen, dass sie hier an der Spitze liegen", erklärt Burck. "Für Russland und Saudi Arabien brauchen wir eine Kooperations-Strategie für die notwendige Transformation, um gemeinsame Energie- und Klimasicherheit zu ermöglichen."
• Die große Anzahl geplanter Kohlekraftwerke in den G20-Staaten stellt laut der Studie ein Hauptproblem dar. Würden alle Planungen tatsächlich umgesetzt, liefe das nahezu auf eine Verdopplung des Kohleverbrauchs hinaus. Dies würde es nach Einschätzung der Experten praktisch unmöglich machen, die weltweite Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Das Paris-Abkommen gibt gar eine Begrenzung auf deutlich unter 2 Grad vor, mit dem Ziel, sogar nur 1,5 Grad zu erreichen.
• Die in Paris zugesagten nationalen Klimaschutzziele der G20-Staaten sind noch bei weitem nicht ausreichend, um das Temperaturziel von "deutlich unter" 2 Grad zu erreichen. "Die G20-Staaten müssen sich von ihrer Kohle-Abhängigkeit lösen. Das würde ihnen bedeutend mehr Spielraum zur Erhöhung ihrer Klimaziele geben und sie könnten tatsächlich auf einen Pfad zu einer Erwärmung unter 2 Grad einschlagen", betont Niklas Höhne vom NewClimate Institute.
• Die jährliche Menge der Primärenergie aus Erneuerbaren Energien ist in den G20-Staaten seit 2008 um 18 Prozent gewachsen. Dies ist gut, allerdings nicht gut genug. Um das Temperaturziel des Pariser Abkommens zu erreichen, müssten die stark gestiegenen jährlichen Investitionen in den regenerativen Sektor weiter wachsen und sich bis 2035 verdoppelt haben (bezogen auf die Investitionen 2000-2013).
• Trotz wiederholter Ankündigungen der G20 seit 2009, Subventionen in fossile Energien abzuschaffen, bleiben diese hoch. In den Industrienationen übersteigen diese Subventionen ohne Ausnahme nach wie vor ihre bisherigen Zusagen für die internationale Klimafinanzierung.
"China, das Gastgeberland des bevorstehenden G20-Gipfels, hat mehrfach die Notwendigkeit des Klimaschutzes betont. Unsere Studie zeigt, dass China mehr tut als viele andere Staaten. China kann beim bevorstehenden Gipfel eine Führungsrolle in der Klimapolitik übernehmen und helfen, die Welt vor einem gefährlichen Klimawandel zu bewahren", betont Peter Eigen, Co-Vorsitzender von Climate Transparency.
Über Climate Transparency:
Climate Transparency ist ein internationales Konsortium. Sein Ziel ist es, die Klimapolitik weltweit durch mehr Transparenz voranzutreiben und ambitionierter zu machen. An dieser Studie waren unter anderem Experten des NewClimate Institute, von Germanwatch, der Humboldt-Viadrina Governance Platform und des britischen Overseas Development Institute beteiligt. Die Daten stammen unter anderem vom Globalen Klimaschutz-Index von Germanwatch sowie dem Climate Action Tracker von Climate Analytics, NewClimate Institute, Ecofys und dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung.