Kipp-Punkte sind nahe
Kipp-Punkte sind nahe
James Hansen verschärft bei seinem Auftritt vor dem US-Kongress angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse seine Forderungen nach verstärktem Engagement zur Stabilisierung des Klimas.
Germanwatch übersetzt Auszüge des Vortrags von J. Hansen vom 23.6.2008.
"Mein Vortrag heute ist genau 20 Jahre nach meiner Sachverständigenaussage vom 23. Juni 1988 vor dem Kongress, welche die Öffentlichkeit darüber alarmierte, dass eine Klimaänderung im Gange ist. (...)
Was steht auf dem Spiel? Die bisherige Erwärmung (...) scheint beinahe harmlos, weniger gefährlich als alltägliche Wetterschwankungen. Aber mehr Erwärmung ist bereits im System, sie ist lediglich durch die große Trägheit der Weltmeere zeitlich verzögert. Und das Klima nähert sich gefährlichen Kipp-Punkten an. (...)
Unter Wissenschaftlern steht nur noch zur Debatte, wie sehr der Meeresspiegel bis zu einem gewissen Datum steigen wird. Meiner Meinung nach wird der Meeresspiegel mindestens um zwei Meter in diesem Jahrhundert ansteigen, wenn sich die Emissionen wie erwartet entwickeln. Hunderte Millionen Menschen würden zu Flüchtlingen werden. Keine stabile Küstenlinie könnte in Zeiträumen, in denen Menschen denken, wieder hergestellt werden. (...)
Die beunruhigende Schlussfolgerung (...) ist, dass ein sicheres Niveau der atmosphärischen Kohlendioxidkonzentration bei höchstens 350 ppm (...) liegt, es könnte sogar weniger sein. Die Menge des Kohlendioxids liegt gegenwärtig schon bei 385 ppm und sie steigt jährlich um 2 ppm. Eine verblüffende Folgerung: Das oftgenannte Ziel, die Erwärmung unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, ist nicht ein Rezept für die Rettung, sondern für ein globales Desaster. (...)
Solche Phänomene, beispielsweise die Instabilität des Arktischen Eises und die der großen Eisschilde, zeigen, dass wir schon zu weit gegangen sind. Wir müssen atmosphärisches Kohlendioxid herunterdrücken, um den Planeten so zu erhalten, wie wir ihn kennen. Ein Niveau von nicht mehr als 350 ppm ist mit Hilfe von Wiederaufforstung und verbesserter landwirtschaftlicher Praxis immer noch machbar, aber gerade noch so - die Zeit läuft uns davon.
Die Anforderungen, den Anstieg des Kohlendioxids anzuhalten, sind mit der Größe der Lagerstätten fossiler Energien verbunden. Für Kohle sind sie weitaus größer als für Öl und Erdgas. Ein Ausstieg aus der Kohlenutzung, solange nicht der Kohlenstoff abgeschieden und gelagert wird, ist die Hauptanforderung, um das Problem der Klimaänderung anzugehen.
Öl wird in Fahrzeugen genutzt, wo man den Kohlenstoff kaum abscheiden kann. Aber das Öl geht zur Neige. Um den Planeten zu retten, müssen wir sicherstellen, dass die nächste Energieressource für den Transportsektor nicht aus der Gewinnung von Öl aus Kohle, Ölsänden oder anderen fossilen Ener-gieträgern kommt. (...)
Vorstandsvorsitzende von fossilen Energieunternehmen wissen, was sie tun, und sind sich der langfristigen Konsequenzen eines ''weiter so'' bewusst. In meinen Augen sollten diese Vorstandsvorsitzenden wegen Verbrechens gegen die Menschheit und die Natur vor Gericht gestellt werden. (...)
Wenn die Politiker Dummköpfe bleiben, müssen die Bürger führen. Wir müssen ein Moratorium für den Neu-bau von Kohlekraftwerken fordern. (...)"
Quelle: Columbia University