Wichtiger Grundstein für Klimaschutzpflichten nach 2012 gelegt
Bericht vom "Seminar für Regierungsexperten", 16./17. Mai 2005
(eine erweiterte Fassung dieses Berichts finden Sie hier)
Vom 19.5. bis zum 27.5. läuft in Bonn eine neue Sitzungsrunde der UN-Klimaverhandlungen. Zuvor fand Montag und Dienstag ein "Seminar" statt, auf dem Regierungsexperten erstmals über Klimaschutzpflichten nach 2012 diskutierten. Das Seminar war keine "harte Verhandlungsrunde", aber eine sehr wichtige Vorbereitung dafür, dass (hoffentlich) auf dem Klimagipfel in Montreal (28.11.-9.12.) echte Verhandlungen über eine internationale Klimaschutz-Rahmensetzung nach 2012 beginnen können. Analog dem "Berliner Mandat" des Klimagipfels von 1995 (welches zum Kyoto-Protokoll führte, dessen Emissionsziele für 2008-2012 gelten) könnte ein Ergebnis des Klimagipfels in Kanada ein "Montreal-Mandat" sein, d.h. ein Auftrag an die Delegierten, ein Vertragswerk für die Zeit nach 2012 auszuarbeiten.
Es folgt ein Bericht über das Seminar aus der Zeitschrift ECO des weltweiten NGO-Netzwerks Climate Action Network, in dem auch Germanwatch mitarbeitet.
(Übersetzung durch Germanwatch; um der Verständlichkeit willen wurden einige redaktionelle Änderungen vorgenommen)
Ein konstruktives Vorspiel vor dem Beginn von Post-2012-Klimaverhandlungen
Das Climate Action Network (CAN) begrüßt den insgesamt konstruktiven, kreativen und nach vorwärts gerichteten Ideenaustausch, der am Montag und Dienstag im Seminar der Regierungsexperten stattfand. Wir beobachteten mit Freude, dass viele Länder die Notwendigkeit formulierten, auf dem Klimagipfel in Montreal mit echten Verhandlungen zu beginnen. Der Weg nach vorne wird einen klaren "Handlungsplan" (engl. map) benötigen: Zum einen hinsichtlich der Vorgehensweise, zum anderen um das Sammelsurium der Sorgen und Themen zu entwirren, welche die verschiedenen Länder gerne behandeln möchten. Besondere Anerkennung gebührt nach Auffassung von CAN der Offenheit vieler Entwicklungsländer, über den internationalen Klimaschutz nach 2012 zu verhandeln. So hat beispielsweise Südafrika eine Führungsrolle übernommen, indem es ganz klar für ein "Montreal-Mandat" plädierte. Oder Südkorea hat Interesse daran geäußert, das 2-Grad-Limit der EU [1] als Leitlinie für die Klimaschutzverhandlungen über die Zeit nach 2012 zu verwenden.
Das Thema Anpassung an die negativen Folgen des Klimawandels verdient im "Handlungsplan" größere Beachtung als bisher. Es war bemerkenswert zu sehen, wie viele Länder bereits über derzeitige Auswirkungen des Klimawandels in ihrem Land sowie über Zukunftsprojektionen ihrer Verletzlichkeit berichteten. Dies hat das Bewusstsein befördert, wie dringlich das Problem ist. Die USA traten dadurch hervor, dass sie in ihrer Stellungnahme die Themen "Auswirkungen des Klimawandels" und "Anpassung" weitgehend ignoriert hat - sowohl hinsichtlich der Auswirkungen auf die USA selbst als auch auf die in anderen Ländern. CAN ist davon beeindruckt, wie viele Entwicklungsländer bereits ernsthaft begonnen haben, Kapazitäten für Anpassungsmaßnahmen aufzubauen und sich einen Überblick über Erfordernisse zu verschaffen - obwohl dies nur die Spitze des Eisbergs ist. Einige Fragen bleiben nach wie vor sehr komplex, zum Beispiel über das Verhältnis zwischen Anpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen, wo und wie dies im "Handlungsplan" zu behandeln ist und wie diese Themen mit einer allgemeinen Entwicklungs-Agenda koordiniert werden können. Wir hoffen, dass die Diskussion am Samstag über das beim Klimagipfel in Buenos Aires (2004) beschlossene "Arbeitsprogramm zu Anpassungsfragen" einen Anfang machen kann, dieses schwierige Thema für die Verhandlungen in Montreal gut vorzustrukturieren.
Nützlich war außerdem, angesichts der sehr verschiedenen geäußerten Bedürfnisse zu erkennen: Es gibt viele Unterschiede in den jeweiligen Bedingungen der Länder. Dies bedeutet, dass ein erfolgreiches "Post-2012-Regime" mehrere verschiedene Elemente enthalten muss, vor allem hinsichtlich der Entwicklungsländer. Eine wichtige Lehre ist sicherlich auch, dass wir uns von der bisherigen, vereinfachenden Unterteilung in Industrie- und Entwicklungsländer in Richtung eines ausgeklügelteren Ansatzes von "differenzierten Verpflichtungen" bewegen müssen. Der dazu notwendige "mehrstufige Ansatz" wurde im Seminar erwähnt. Im "Montreal-Handlungsplan" muss jede Stufe ihren Platz finden und in jeder Stufe Flexibilität gewährleistet sein.
Wichtig ist, dass es nach 2012 eine nahtlose Kontinuität und eine Stärkung der bestehenden Elemente des Kyoto-Protokolls gibt. Insbesondere die Marktmechanismen des Kyotoprotokolls und der dadurch entstehende "CO2-Preis" senden ein entscheidendes Signal an die Wirtschaft. Kontinuität ist essentiell für Investitionen und Planungssicherheit sowie dafür, dass die erste Verpflichtungsperiode (2008-2012) mit Leben gefüllt wird. Kontinuität ist auch notwendig, um die Effektivität des CDM [2] zu befördern. Viele Entwicklungsländer hoben hervor, wie sehr der CDM - trotz seiner Unvollkommenheit - das Interesse von Gastländern und anderen Akteuren anspornt.
Diskutiert wurde auch, wie die bestehenden flexiblen Mechanismen so gestärkt und erweitert werden können, dass sie am effektivsten Investitionen in kohlenstoffarme Technologien in Entwicklungsländern befördern können. Beispielsweise wurden für den CDM Ansätze diskutiert, die weniger projektbasiert sondern mehr sektoral sind. Insgesamt wird eine ganze Bandbreite von Ansätzen für Technologietransfer und "Dekarbonisierung" benötigt.
Die Industrieländer wurden auf dem Seminar wiederholt gefragt, ob sie ihre bestehenden Kyoto-Verpflichtungen einhalten werden. Viele nationale Politiken wurden daraufhin erläutert. Am Ende wird es jedoch in jedem Fall ein kritischer Schritt zur Vertrauensbildung sein, dass die Kyoto-Ziele für die erste Verpflichtungsperiode tatsächlich erfüllt werden.
Nun - niemand hat jemals gesagt, dass dies einfach sein würde, quasi auf der Titanic zu sein und zu versuchen, Eisbergen auszuweichen. Es wurde jedoch ein kleiner, aber guter Anfang gemacht. Das Seminar hat gezeigt, dass wir in den kommenden Monaten und Jahren sehr sorgfältig über die sehr komplexen, hier aufgeworfenen Themen und Fragen verhandeln müssen - voll und ganz im Bewusstsein der Dringlichkeit der Lage, die von vielen Ländern hier in Bonn zum Ausdruck gebracht wurde: Der Klimawandel trifft uns bereits. Rapide schließen sich die "Handlungsfenster", um noch unter 2°C globaler Erwärmung zu bleiben und um zu vermeiden, dass viele Länder in den falschen Entwicklungspfad investieren. CAN hofft, dass diejenigen Länder, die ihren Wunsch nach konkretem Fortschritt und einer Weiterentwicklung des Kyoto- und UN-Klimakonventions-Rahmens beim Klimagipfel in Montreal geäußert haben, sich nun weiter annähern und dem Gastgeber Kanada dabei helfen, dass dort echte Verhandlungen beginnen können.
Fußnoten:
[1] In der wissenschaftlichen Debatte wird immer häufiger ein Limit von 2°C Erwärmung gegenüber vorindustriellen Werten genannt, ab dem global intolerable Schäden oder unabsehbare Risiken zu erwarten sind. Dies ist auch seit 1996 offizielle EU-Position.
[2] CDM = Clean Development Mechanism. Der CDM ist einer der im Kyoto-Protokoll geregelten "Flexiblen Mechanismen": Hier finanziert ein Akteur aus einem Industrieland ein Klimaschutzprojekt in einem Entwicklungsland und lässt sich die entstandene Emissionsminderung gutschreiben. Hintergrund des CDM ist zum einen, Klimaschutz dort umzusetzen, wo dies am kosteneffektivsten ist, zum anderen soll er nachhaltige Entwicklung in Entwicklungsländer fördern.
Redaktion: Germanwatch e.V. Gerold Kier, Christoph Bals (V.i.S.d.P.) |