UN-Klimagipfel in Paris: Stabilisierung der Trendwende?

Cover: UN-Klimagipfel in Paris: Stabilisierung der Trendwende?

Nachdem die erste Dekade des Jahrhunderts mit massivem Anstieg der Treibhausgasemissionen ein verlorenes Jahrzehnt für den Klimaschutz war, gibt es nun in jüngster Zeit erstmals gewisse Anzeichen für eine Trendwende:

  • Seit 2012 flacht sich der Anstieg der globalen Emissionen ab. Im Jahr 2014 stagnierten die die globalen Emissionen nach den vorläufigen Zahlen der IEA erstmals, obwohl es keine globale Wirtschaftskrise gab, die eine solche Entwicklung ansonsten erklären könnte.
  • Es mehren sich die Anzeichen, dass erneuerbare Energien (Wind und Sonne) in vielen Teilen der Welt im direkten Vergleich mit Kohlestrom wettbewerbsfähig werden. Entsprechend steigen die Investitionen in Erneuerbare Energien weltweit stark an. Der Handlungsspielraum in der Klimapolitik steigt.
  • In China, das in den letzten 15 Jahren den Emissionstrend der Welt maßgeblich beeinflusst hat, wurde letztes Jahr erstmals seit Jahrzehnten weniger Kohle als im Vorjahr verbrannt.
  • Auch in Indien bremsen Unsicherheit bei Investoren und Bürgerproteste das Wachstum der Kohleverstromung stark ab. Zwischen 2012 und 2014 sind „nur“ noch 10 GW Kohlekraft in Bau gegangen. Ursprüngliche Planungen hatten noch Kohlekraftwerke mit insgesamt bis zu 513 GW in der Planung und Vorplanung.

Doch all das sind Anzeichen, kein stabiler Trend mit ausreichender Geschwindigkeit in Richtung der notwendigen Transformation. Das im Dezember in Paris zu verabschiedende Abkommen sollte daher ein klares Signal für Investoren und Regierungen weltweit setzen: Die Zeit der fossilen Brennstoffe endet bis Mitte des Jahrhunderts. Es ist der gemeinsame Wille der Regierungen, den Übergang zu erneuerbaren Energien und Energieeffizienz zu organisieren. Auch mit Vereinbarungen zum kooperativen Handeln (etwa der finanziellen und technischen Kooperation) kann die Transformation durch Paris beschleunigt und abgesichert werden.

Die zentralen Konflikte

Das Klimapaket in Paris soll Ergebnisse auf fünf Ebenen bringen.

  • Erstens soll das Langfristziel, den globalen Temperaturanstieg auf weniger als zwei Grad zu begrenzen, in ein Investitionssignal heruntergebrochen werden: Es geht darum, zügig aus Kohle, Öl und Gas auszusteigen. Es ist der Verdienst des G7-Gipfels von Elmau, dies weltweit auf die Agenda gesetzt zu haben.
  • Zweitens sollen im Anhang zum Abkommen für alle Staaten die Minimal-Klimaschutzziele (Intended Nationally Determined Contributions) bis 2025 und 2030 festgehalten werden.
  • Drittens soll dann der rechtlich verbindliche Teil des Abkommens die Vergleichbarkeit und Rechenschaftspflicht der Staaten sichern sowie im 5-Jahresrhythmus Nachbesserungsrunden für die Ziele vorsehen. Dies soll die Lücke zwischen den vorgelegten Zielen und dem Langfristziel schrittweise schließen.
  • Viertens wird es eine Reihe von Einzelentscheidungen geben. Diese beziehen sich einerseits auf die Zeit, bevor das Abkommen 2020 in Kraft tritt – zum Beispiel, wie die Industrieländer den Aufwuchs der Klimafinanzierung organisieren wollen. Andererseits geht es um Ausführungsbestimmungen und institutionelle Klärungen für das Abkommen.
  • Fünftens soll es, um zusätzlich Schwung zu erzeugen, eine Aktionsagenda für Staaten, aber auch Bundesstaaten, Städte, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Akteure geben.

Die meisten großen Emittenten haben bereits die von ihnen intendierten Klimaziele vorgestellt, andere werden dies im Herbst tun. Dabei zeichnet sich ab, dass die Welt nach Paris von einem Pfad, der zu einem globalen Temperaturanstieg von 4° C führt, auf einen 3-Grad-Pfad umgeschwenkt sein könnte (siehe die Bewertung des climateactiontracker.org). Zwischen den Risiken einer 3°- und einer 4°-Zukunft liegen Welten. Immerhin. Aber damit ist auch klar, dass noch eine dramatische Lücke klaffen wird zum Ziel, unkalkulierbare Großrisiken abzuwenden durch Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 2 wenn nicht gar 1,5 Grad. Obwohl sich in China und den USA positive Trendwenden abzeichnen, reichen diese bislang ebenso wenig wie die von der EU vorgelegten Ziele aus, um dieses Langfristziel zu erreichen. Man wird sehen, ob im Herbst noch ein Ruck durch die wichtigsten Emittentenstaaten gehen wird, um die Ziele nachzubessern.

Großer Nachholbedarf

Wie kann Paris trotz des verlorenen Jahrzehnts bis 2010, in dem es nur wenige strukturändernde Beschlüsse im internationalen Klimaprozess gab, die Weichen in Richtung 2-Grad-Ziel stellen? Von zentraler Bedeutung sind dabei die folgenden Aspekte:

  • Paris kann das wissenschaftlich wichtige, aber ökonomisch bedeutungslose 2°-Limit in ein Investitionssignal umwandeln. Ab jetzt geht es um den Ausstieg von Kohle, Teersand, Öl und Gas. Erneuerbare Energien sollen Mitte des Jahrhunderts die Energieerzeugung dominieren. Die massive Kostenreduktion bei erneuerbaren Energien gibt hier neuen Handlungsspielraum.
  • Die vereinbarten Minimalziele von Paris sollten alle fünf Jahre nachgebessert werden. Wichtig sind die Regeln dafür: regelmäßige Nachbesserungsrunden, bei denen Ziele verschärft, aber nicht abgeschwächt werden können.
  • Es werden rechtlich verbindlich verbesserte Transparenz- und Rechenschaftspflichten in Bezug auf Klimaschutz- und Klimafinanzierungsbemühungen sichergestellt. Hier handelt es sich nicht um eine technische Feinheit. Transparenz- und Rechenschaftspflichten sind ebenso die Grundlage für Vertrauensaufbau wie dafür, Monitoring und Nachbesserungsrunden zu organisieren. Dies gilt auch in Bezug auf die Klimafinanzierung, die die armen Länder bei Klimaschutz und -anpassung unterstützen soll. Um in eine Aufwärtsspirale „Ambition treibt Finanzierung, Finanzierung treibt Ambition“ hineinzukommen, ist Transparenz bei Geber- und Nehmerstaaten die Grundlage.
  • Es muss klar werden, dass auf Staaten mit viel Wohlstand und Emissionen eine deutlich größere Notwendigkeit zur Unterstützung für die betroffenen Staaten und Regionen zukommt, wenn die globale Temperatur um mehr als 1,5° bzw. 2°C steigen wird. Bei einer Reihe der dann zu erwartenden Großrisiken gerät Anpassungspolitik an ihre Grenzen. Unbewohnbar werdende, heute dicht besiedelte Küstenregionen ebenso wie massive Ernteausfälle gehören zu den möglichen Folgen. Nach der Klimarahmenkonvention sind Staaten mit großen finanziellen Ressourcen bzw. hohen Emissionen besonders gefragt. Es ist zu erwarten, dass der Verhandlungsprozess um „Schäden und Verluste“ den notwendigen Druck aufbauen wird, auch wenn die Industrie- und auch einige Schwellenländer massiv bremsen werden. Es wird auch um konkrete Initiativen gehen, die jetzt schon helfen können. Deutschland hat hier eine besondere Verantwortung, denn es hat im Rahmen der G7 eine Klimaversicherungsinitiative initiiert, die zum Beispiel soziale Sicherheitsnetze in Afrika stützen soll. Bei guter Umsetzung kann eine solche Initiative in Paris ein wichtiger Beitrag sein.
  • Ein wirkungsvolles Abkommen und die Bereitschaft zum Nachbessern setzen einerseits voraus, dass die Einzelstaaten entsprechend ihrer wirtschaftlichen Fähigkeiten das ihnen Mögliche tun, um einen gefährlichen Klimawandel abzuwenden. Andererseits müssen sich die Staaten fair (bzw. im gleichen Maße unfair) behandelt fühlen. Die Klimarahmenkonvention spricht von einer „gemeinsamen, aber differenzierten“ Verantwortung. Bislang wurde dabei zwischen Industrie-und Entwicklungsländern unterschieden. Angesichts der veränderten Weltverhältnisse passt diese grobe Schablone nicht mehr, sie war einer der Gründe für das Scheitern des Klimagipfels von Kopenhagen (2009). Der pragmatische Weg einer reinen Selbstdifferenzierung, der derzeit am wahrscheinlichsten ist, birgt die Gefahr von Trittbrettfahrern. Zumindest für die etwa fünfzig Staaten mit mehr als einem Prozent der globalen Emissionen sollte es ausreichend Druck oder Spielregeln geben, die eine angemessene, quantifizierbare Beteiligung sicherstellen.

Positionen der wichtigsten Akteure

Ein Kollaps der Verhandlungen wie in Kopenhagen ist für Paris unwahrscheinlich. Trotzdem ist keineswegs sicher, dass ein wirkungsvolles Abkommen und die notwendigen Entscheidungen erreicht werden. Trotz positiver Bewegung in der Klimapolitik haben alle großen Emittenten auch dicke Probleme. Die USA haben mit einer Verdoppelung des Reduktionstempos zwar ein relativ ambitioniertes Klimaschutzziel vorgelegt, aber die republikanische Opposition hängt wie ein Klotz am Bein. China betreibt zwar eine faszinierende Politik zur Eindämmung der Kohle und für Investitionen in erneuerbare Energien. Wie andere Schwellenländer auch will das Land aber international weniger zusagen, als sich national abzeichnet. Man will sich von den Industrieländern nicht Reduktionen vorschreiben lassen, die möglicherweise die Entwicklung behindern. Chinas Verhandlungsposition und die anderer wichtiger Schwellen- und Ölländer in einer eigenen Verhandlungsgruppe ist weit weniger konstruktiv als ihre Klimapolitik zuhause.

Und die EU hat ihre Führungsrolle – was Dynamik für den Klimaschutz angeht – abgegeben. Ihr Ziel, die Emissionen in der EU um 40 Prozent bis 2030 zu reduzieren, ist nicht genug für einen 2°-Pfad. Und wegen interner Blockaden insbesondere durch Polen ist sie derzeit auch nicht in der Lage, die notwendigen Nachbesserungszyklen von fünf Jahren für die Nachbesserung der Klimaziele zu unterstützen.

Eine Schlüsselfrage für Paris ist, ob es bei den Verhandlungen zu einer Allianz progressiver Entwicklungs- und Industrieländer kommt. Angesichts ihrer eigenen schwachen Ziele wird es der EU schwer fallen, hier die notwendige Rolle zu spielen. Deutschland ist deshalb besonders gefragt. Die Staaten, die ein schwaches Abkommen wollen, werden hingegen alles tun, um die Verhandlungen zu verzögern. Mehr Verzögerung heißt: Weniger Inhalt schafft es in das Abkommen.

Messlatte für den Erfolg

Den Erfolg von Paris wird man in zwei Stufen bewerten müssen. Zunächst Mitte Dezember nach der Konferenz: Wurden die wesentlichen Verhandlungsziele erreicht? Und dann ein, zwei Jahre später: Konnten die Anzeichen für eine Trendwende zu einem wirklichen Trend stabilisiert und im notwendigen Maße beschleunigt werden? Ohne den notwendigen Druck und intelligente Vorschläge aus der Zivilgesellschaft wird dies nicht gelingen.


Dieser Beitrag erschien auch in:
Zeitschrift „Resultate“ (Ausgabe 3/2015) der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen.
www.sue-nrw.de/images/stories/newsletter/rundbrief_3_2015


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