Internationale Münzen

Reform der internationalen Finanzarchitektur

Die Klimakrise erfordert massive Investitionen. Doch viele Länder im Globalen Süden haben erschwerten Zugriff auf internationale Finanzmärkte, leiden unter hohen Kapitalzinsen und sind durch erdrückende Schuldenlasten gelähmt. Germanwatch setzt sich deshalb für eine internationale Finanzarchitektur ein, die eine fairere und nachhaltigere Finanzierung ermöglicht. Dabei fokussieren wir uns auf eine Reform bei internationalen Finanzinstitutionen. Dazu gehören deren Governance Strukturen, und eine stärkere Ausrichtung von diesen Institutionen auf der Klimakrise. Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit konzentriert sich auf die Erschließung neuer Finanzquellen.

Ob Klimakrise, Pandemien oder wachsende globale Spannungen – in den vergangenen Jahren schwappte eine Welle an enormen Herausforderungen über die weltweite Staatengemeinschaft. Um sie zu bewältigen, brauchen viele Länder vor allem eins: Geld. Öffentliche Finanzierung zur Krisenbewältigung ist wichtiger denn je. Das gilt insbesondere für globale Güter wie den Kampf gegen die Klimakrise.

In den kommenden Jahren müssen alle Länder hohe Summen in klimaneutrale Technologien, in Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor den Folgen des Klimawandels oder in den Wiederaufbau nach Extremwetterereignissen investieren. Gleichzeitig sinkt das Budget für Entwicklungspolitik in vielen Geberländern. In diesem Kontext braucht es neue Ideen, wie weltweit genug Geld in den Klimaschutz fließen kann. Denn was wir als Weltgemeinschaft jetzt in Klimaschutz und -resilienz investieren, sparen wir um ein Vielfaches in der Zukunft ein.

Weniger Finanzspielraum, weniger Klimaschutz

Vielen Ländern im Globalen Süden fehlt der finanzielle Spielraum. Die Mittel für eine ambitionierte Klimapolitik und eine zukunftsfähige Entwicklungsagenda schrumpfen. Einige dieser Länder zahlen mehr für ihren Schuldendienst, als sie für Bildung und Gesundheit zur Verfügung haben. Hinzu kommt, dass die aktuelle Finanzarchitektur das bestehende Machtgefälle zwischen Globalem Norden und Süden festigt. So erhielten etwa reiche Industrieländer in Krisenzeiten viel mehr finanzielle Unterstützung in Form sogenannter Sonderziehungsrechte (SZRs) durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) als Länder des Globalen Südens.

Diese Ausgangslage hindert genau diese Länder häufig daran, notwendige Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen. Obwohl viele von ihnen bereit sind, auf erneuerbare Energien zu setzen oder die lokale Bevölkerung besser vor Dürren und Überschwemmungen zu schützen, ist ihnen oft der Zugang zu den nötigen Mitteln verwehrt. 

Finanzarchitektur muss reformiert werden

Ein wichtiger Ansatz zur Lösung dieses Problems ist die Reform der internationalen Finanzarchitektur. Dazu gehören verschiedene Institutionen wie der IWF, die Weltbank sowie andere bi- und multilaterale Entwicklungsbanken (Multilateral Development Banks, MDBs). Einige dieser Institutionen wurden bereits vor etwa 80 Jahren gegründet. Ihre Funktionsweise ist daher nicht auf eine Welt ausgerichtet, die sich mit einer langfristigen Krise wie dem globalen Klimawandel und gleichzeitig mehreren zusätzlichen akuten Krisen in engen Zeitabschnitten konfrontiert sieht.  

Eingang zum Gebäude des IWF

Dieses System auf neue Füße zu stellen und neue Finanzquellen zu erschließen, hilft dabei, zusätzliche finanzielle Mittel für Klima- und Entwicklungsfinanzierung bereitzustellen. Von solchen nachhaltigen und fairen Finanzierungsinstrumenten, die wirtschaftliche Krise abmildern und Überschuldung reduzieren, profitieren insbesondere die Länder des Globale Süden. Sie erhalten die Möglichkeit, der Klimakrise angemessen zu begegnen, etwa indem sie sich besser vor den Auswirkungen von klimawandelbedingten Extremwetterereignissen schützen. Damit sinken die Kosten für Krisenmanagement und Wiederaufbau weltweit – auch für Deutschland. 

Währungsfonds gerecht gestalten, Zukunftsinvestitionen ermöglichen

Eine Möglichkeit, die Finanzarchitektur gerechter zu gestalten, betrifft den IWF. Zu dessen Aufgaben gehört es, Stabilität der Weltwirtschaft zu bewahren und Mitgliedsländer mit vorübergehender Finanzhilfe zu unterstützen. Dafür gibt es etwa die SZRs, eine Reservewährung, mit der Staaten in Krisenzeiten geholfen werden kann. 2021 wurden zuletzt große Mengen dieser SZR verteilt. Reiche Industriestaaten wie Deutschland haben dabei einen hohen Anteil erhalten - lassen die Rechte aber ungenutzt. Gleichzeitig würden Länder des Globalen Südens deutlich höhere Mengen nutzen, wenn sie die Zugriffsrechte hätten. Deutschland könnte seine SZR an den IWF oder MDBs geben, die diese nutzen können, um zusätzliche Klimamaßnahmen in Ländern des Globalen Südens zu ermöglichen.

Neue Steuern für mehr Klimaschutz

Eine weitere Gerechtigkeitsfrage betrifft den Beitrag von einzelnen Bevölkerungsgruppen zur Klimakrise: Im Jahr 2019 war das reichste Prozent der Weltbevölkerung für rund 16 % der globalen CO2-Emissionen verantwortlich, das entspricht etwa den Emissionen der ärmeren zwei Drittel - rund fünf Milliarden Menschen - zusammengenommen. 

Auch hier sollten vor allem die für Klimaschutz und -anpassung zahlen, die am stärksten zur Klimakrise beitragen. Das geht zum Beispiel durch innovative Steuern und Abgaben, etwa auf Reisen mit Privatjets, die sich nur Superreiche leisten können und die besonders klimaschädlich sind. Durch eine solche Steuer könnten allein in Deutschland 263,8 Millionen Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen eingenommen werden. Dieses Geld könnte gezielt in Klimaschutzmaßnahmen fließen. Denkbar sind darüber hinaus weitere Abgaben, die dem Verursacherprinzip (Polluter Pays Principle) folgen. Dies könnte gezielt Unternehmen betreffen, deren Geschäftsmodell mit hohen Treibhausgasemissionen verbunden ist und die Rekordgewinne gemacht haben, während die durch sie verursachten Kosten sozialisiert werden.

Unsere Arbeit zur IFA-Reform 

Bei beiden oben genannten Beispielen geht es darum, innovative Quellen für Klimafinanzierung zu erschließen. Dieses Ziel bildet einen Schwerpunkt der Arbeit von Germanwatch zur Reform der internationalen Finanzarchitektur. Wir arbeiten aktiv darauf hin, dass solche neuen Finanzquellen schnellstmöglich identifiziert und genutzt werden. Mittlerweile haben wir uns in diesem Feld als starke Stimme in der deutschen Zivilgesellschaft etabliert. Unsere Arbeit setzt insbesondere an drei Punkten an: 

  • Reform des Internationalen Währungsfonds und anderer Finanzinstitutionen: Obwohl Klimaschutz mehr Relevanz bekommt, wird dieser vom IWF noch immer nicht ausreichend als zentraler Faktor für die Finanzstabilität betrachtet. Unser Ziel ist es, dass sich der Währungsfonds zu einer gerechten, transparenten und klimaresilienten Organisation entwickelt. Dafür muss er eine nachhaltige und inklusive wirtschaftliche Entwicklung priorisieren und klimarelevante Investitionen als unverzichtbarer für die globale Stabilität anerkennen. Auch andere Finanzinstitutionen, wie die MDBs, sollten reformiert werden, um in klimapolitischer Hinsicht wirkungsvoller arbeiten zu können. Darunter fällt auch, dass sie ihre Aktivitäten systematisch am Pariser Abkommen ausrichten.
     
  • Einführung neuer Steuern und Abgaben: Ohne neue Finanzquellen wird auf die internationalen Finanzierungsbedarfe nicht angemessen reagiert werden können. Dabei sollte das Prinzip angewandt werden, dass insbesondere diejenigen für Klimaschutz,  Anpassung  und den Umgang mit Schäden und Verlusten zahlen, die am meisten zur Klimakrise beitragen bzw. beigetragen haben (Polluter Pays Principle). Wir setzen uns daher unter anderem für eine stärkere Besteuerung von Superreichen ein. 
     
  • Reform des internationalen Schuldensystems: Die extreme Schuldenlast verhindert in vielen Ländern notwendige Investitionen in eine zukunftsfähige Entwicklung. Wenn es der internationalen Staatengemeinschaft gelingt, diese enorme Schuldenlast zu reduzieren, erweitert das dort den Spielraum für eine ambitionierte Klimapolitik in den betroffenen Staaten. Damit eine Reduktion der Schuldenlast nachhaltig ist, müssen Investitionen, bspw. in den Klimaschutz, anders betrachtet werden als Schulden für Konsumausgaben. Dies ist auch für die Schuldenanalysen des IWFs relevant. Langfristig müssen Lösungsansätze verfolgt werden, die ermöglichen dass die Kapitalkosten im Globalen Süden sinken.

Germanwatch legt den Fokus auf die Rolle der deutschen Regierung bei den Reformen der internationalen Finanzarchitektur. Hierbei haben wir im letzten Jahr drei Ansätze verfolgt: Vernetzung und Kapazitätsaufbau mit der deutschen und internationalen Zivilgesellschaft, Advocacy-Arbeit gegenüber deutschen Entscheidungsträger:innen und eine breit angelegte Kommunikationsstrategie. Gemeinsam mit anderen Vertreter:innen der Zivilgesellschaft haben wir Forderungspapiere an Politiker:innen versandt, Advocacy-Strategien entwickelt und die Interessen der deutschen Zivilgesellschaft in multilateralen Foren vertreten.

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