Ende oder Wende für den EU-Emissionshandel?
Würde er funktionieren, er wäre das wichtigste gemeinschaftliche Klimapolitikinstrument, das die EU hat. Doch dem europäischen Emissionshandel geht es richtig dreckig. Viele halten ihn für praktisch tot. Bei Preisen, die seit 2012 zwischen drei und acht Euro je Tonne CO2 schwanken, scheint das nur folgerichtig. Denn der Zertifikatspreis müsste um ein Vielfaches steigen, damit die Wirtschaft ein klares Signal für Investitionen in Energieeffizienz, Verbrauchsreduktion und Erneuerbare Energien bekommt.
Leider kommen auch andere europäische Klimapolitikinstrumente nicht richtig voran. So scheint eine EU-weite CO2-Steuer vorerst schwer möglich und die Energieeffizienzvorgaben der EU beeindrucken die Unternehmen bis jetzt auch nicht recht. Gleichzeitig geht in Brüssel das Gespenst der Renationalisierung der EU-Klimapolitik um. Der marginalisierte EU-Emissionshandel bewirkt, dass Mitgliedstaaten die Dekarbonisierung ihrer Wirtschaft zunehmend mit nationalen Maßnahmen voranbringen.
Die jahrelange Kampagne – auch der deutschen Umweltverbände – für eine grundlegende Reform des fehlkonstruierten Emissionshandels fängt an, Früchte zu tragen. Mitten in der Euro- und Wirtschaftskrise gelang zunächst das sogenannte Backloading. 900 Millionen Tonnen CO2 – nicht einmal die Hälfte des aktuellen Überschusses – werden von 2014 bis 2016 vom Markt genommen, zunächst allerdings mit der Absicht, sie 2019 und 2020 zusätzlich auf den Markt zu werfen. Das Backloading ist Sofortmaßnahme mit Symbolcharakter: EU-Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten haben das Problem erkannt und gehen die Strukturreform des Handels jetzt an. Den Klimaschutzgegnern war das klar. Daher entfalteten sie enormen Druck gegen das eigentlich völlig unambitionierte Backloading.
Nächster Reformschritt bis zum Sommer ist die Einführung einer Art Zentralbank, der Marktstabilitätsreserve (MSR). Die MSR soll die enorme Zahl überschüssiger Zertifikate nach und nach aus dem Markt saugen und wieder abgeben, wenn eine bestimmte Zahl von frei gehandelten Zertifikaten unterschritten wird. Der Emissionshandel wird dadurch stärker reguliert und für Investoren vorhersehbarer.
Das Wichtigste ist aber: Es wird nie wieder einen großen Überhang von Zertifikaten geben, die niemand braucht und die die Preise drücken. Für Unternehmen bedeutet das Investitionssicherheit. Fehlinvestitionen würden verhindert. Die durch die Reserve höheren und kontinuierlicher steigenden Zertifikatspreise würden darum, wie die Forscher von Climate Strategies jüngst gezeigt haben, das zunächst paradox erscheinende Ergebnis haben, den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas bis 2050 kostengünstiger und dadurch am Ende sicherer zu machen. Die MSR würde die Zertifikatspreise bis 2030 im Schnitt um 14 Euro anheben, hat Thomson Reuters Point Carbon errechnet.
Zentral ist, dass die 900 Millionen Backloading-Zertifikate nicht zurück in den Markt kommen. Das Umweltbundesamt empfiehlt zur Korrektur des von der Politik verursachten strukturellen Überschusses die Komplettstilllegung von 1,6 Milliarden Zertifikaten. Ohne Stilllegung wäre das Erreichen des langfristigen Emissionsziels bis 2050 gefährdet.
Wenn die Etablierung der MSR in den nächsten Wochen gelingt, wird mit Beginn des Sommers um die weitergehende Reform des Emissionshandels gerungen. Entscheidend wird dabei sein, ob die neue Emissionshandelsrichtlinie es der Politik leicht macht, den vom EU-Gipfel vorgegebenen ängstlichen Reduktionspfad bis 2030 zu verschärfen. Die Menge der ausgegebenen Zertifikate müsste jährlich nicht um die vorgesehenen 2,2, sondern mindestens um 2,6 Prozent abnehmen, soll der Emissionshandel die EU zu einem 2050-Emissionsziel von deutlich mehr als nur 80 Prozent unter dem Niveau von 1990 bringen. Für den Klimagipfel in Paris Ende 2015 wäre das ein richtungsweisendes Signal.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift umwelt aktuell (3/2015).