Berlin (25. Feb. 2025). Die Europäische Kommission veröffentlicht morgen ihre Mitteilung über den Clean Industrial Deal. Auf Grundlage der geleakten Kommunikation zu dieser zentralen Initiative der EU-Kommission zieht die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch ein gemischtes Fazit.
Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch: „Die Grundausrichtung des Clean Industrial Deal stimmt: Wettbewerbsfähigkeit und Klimaneutralität lassen sich für die EU nur gemeinsam erreichen. Das unterstreicht die Mitteilung mit dem klaren Bekenntnis zum 90 Prozent-Emissionsminderungsziel bis 2040. Zu Recht setzt die Kommission dafür im Einklang mit dem Draghi-Bericht auf den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien und interessante Vorschläge für Netze und Flexibilität. Sie sieht auch die Kreislaufwirtschaft als Schlüssel für die industrielle Wettbewerbsfähigkeit. Begrüßenswert sind auch die Vorschläge für eine sozial gerechte Transformation, wie soziales Leasing für E-Autos oder Wärmepumpen. Allerdings fehlen überzeugende Ansätze zur Finanzierung und eine klare Aussage, dass die Ziele des Emissionshandels unverändert bleiben. Zudem irritiert, dass die Kommission erwägt, gemeinsam Langfristverträge für Gaslieferungen abzuschließen. Das wirft die Frage auf, ob sie trotz fehlender energiepolitischer Notwendigkeit vor Trump einknickt und damit die Klimaziele gefährdet."
Kreislaufwirtschaft, Leitmärkte und CBAM
Simon Wolf, Leiter des Bereichs Deutsche und Europäische Klimapolitik bei Germanwatch, ergänzt: „Um das lobenswerte Ziel zu erreichen, bis 2030 Weltmarktführer bei der Kreislaufwirtschaft zu werden, setzt die Kommission zu einseitig auf Recycling und Abfallmanagement. Damit schöpft sie das enorme Innovationspotenzial für neue Geschäftsmodelle durch geringeren Rohstoffeinsatz und damit auch deutlich weniger CO2-Ausstoß gerade in der Schwerindustrie nicht aus. Innovative zirkuläre Strategien wie Remanufacturing werden erwähnt, finden sich in aber den vorgeschlagenen Maßnahmen nicht wieder. Spätestens mit dem für nächstes Jahr angekündigten Circular Economy Action Plan kann die Kommission hier nachbessern und einer umfassenden Kreislaufwirtschaft den Weg ebnen.
Die von der Kommission vorgeschlagenen Leitmärkte sind ein starker Hebel, um Nachfrage nach CO2-armen Materialien und Produkten anzukurbeln. Es ist gut, dass die Kommission Vorgaben für die öffentliche Beschaffung CO2-armer Materialien mit gezielter Nachfrage nach Produkten europäischer Hersteller verbinden möchte. Ebenso zu begrüßen ist das Ziel, bei einzelnen Produktgruppen wie Autos auch für private Märkte die Nutzung CO2-armer Materialien verbindlich zu machen. Die Kommission sollte dabei den eigenen Anspruch beherzigen, Kreislaufwirtschaft ins Zentrum von industrieller Wettbewerbsfähigkeit und Dekarbonisierung zu stellen. Dafür sollte sie sich bei der angestrebten schnellen Entwicklung von Label für die CO2-Intensität von Industrieprodukten an existierenden Labels wie LESS für Stahl orientieren, die sowohl Emissionswerte als auch Schrott-Anteile berücksichtigen.“
„Der pragmatische Ansatz der Kommission beim CBAM ist sinnvoll: Fokus auf die großen Importeure bei gleichzeitiger Ausweitung auf weitere Bereiche und indirekte Emissionen. Entscheidend ist, dass der CBAM das doppelte Ziel von Wettbewerbsfähigkeit und Dekarbonisierung optimal unterstützt und so Klimaschutzimpulse auch in andere Staaten sendet: dazu muss er den Zielpfad des EU-ETS absichern und mit einem Teil der Einnahmen internationale Kooperation unterstützen", so Wolf.
Finanzierung: Problem erkannt, Lösungsvorschlag springt zu kurz
Marion Guénard, Referentin für EU-Klimapolitik und französisch-deutsche Klimazusammenarbeit bei Germanwatch: „Der Clean Industrial Deal erkennt zwar die enorme Finanzierungslücke bei der Dekarbonisierung der Energie-, Industrie- und Verkehrssektoren an, liefert aber keinen überzeugenden Plan zur Umsetzung der von Präsidentin von der Leyen angekündigten Investitionskommission. Die Bündelung einer Vielzahl von Förderprogrammen und die Reform staatlicher Beihilfen sind nur sinnvoll, wenn der Zugang zu öffentlichen Mitteln an klaren, konkreten Vorteilen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Umwelt geknüpft ist. Davon ist in der Mitteilung der Kommission jedoch nicht die Rede. Dies birgt das Risiko, dass das Gesamtbudget für einen gerechten Übergang zur Klimaneutralität verringert wird. Außerdem haben bisher von der Lockerung der Regeln für staatliche Beihilfen vor allem Frankreich und Deutschland profitiert. Die Kommission bleibt ein EU-weites Instrument schuldig, um grenzüberschreitende Initiativen und Investitionen viel stärker zu unterstützen. Widersprüchlich ist zudem, dass der Clean Industrial Deal auf mehr grüne Investitionen zielt, die EU-Kommission aber zeitgleich mit der Omnibus-Initiative die Mobilisierung von privaten, grünen Finanzmitteln ausbremsen könnte.“
Clean Industrial Deal: Die grundsätzliche Richtung stimmt, lässt aber viele Umsetzungsfragen offen
Germanwatch sieht kritische Schwächen bei Finanzierung, sehr einseitig verstandener Kreislaufwirtschaft und vermiedener klarer Aussage zu Zielen des Emissionshandels