Trump-Wahl mit immensen Folgen für Weltordnung und Klimaschutz – nun kommt viel auf EU und Deutschland an
Berlin/Bonn (6. Nov. 2024). Mit großer Sorge blickt die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch auf den Ausgang der US-Wahlen. „Der Wahlsieg Donald Trumps hat das Potenzial, die seit dem zweiten Weltkrieg entwickelte Weltordnung grundlegend umzugestalten. Germanwatch setzt sich für globale Gerechtigkeit sowie den Schutz der Menschenrechte und der massiv bedrängten ökologischen Lebensgrundlagen ein. Donald Trump hat angekündigt, dass die Weltmacht USA sich in all diesen Feldern massiv gegen diese Ziele aufstellen wird“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Mit Trump droht die fossile Lobby die Regierungsgeschäfte in den USA zu übernehmen. Aber die globalen wirtschaftlichen und technologischen Trends sprechen weiterhin für eine dynamische Entwicklung von Erneuerbaren Energien, Speichertechnologien und Elektromobilität.“
Bals weiter: „Wir sehen mit großer Sorge, in welchem Ausmaß Geld aus der fossilen Lobby und der Tech-Szene diesen Wahlkampf befördert hat. Wir setzen nun auf eine EU und Deutschland, die Handlungsfähigkeit nach innen und außen für die eigenen Werte demonstrieren – gemeinsam mit Partnern, gerade auch im Globalen Süden. Das wird allerdings angesichts der zunehmenden politischen Polarisierung in der EU und der in Frage gestellten Handlungsfähigkeit der Bundesregierung eine Herausforderung.“
Weltgemeinschaft bei COP in Baku besonders gefordert
Mit großer Sorge blickt Germanwatch auch auf die klimapolitischen Auswirkungen des Trump-Siegs. „Für den globalen Klimaschutz ist eine erneute Amtszeit Trumps mit republikanischen Mehrheiten im Kongress eine sehr schlechte Nachricht“, so Bals. „Trump zweifelt die Realität der Klimakrise an und wird sich dafür einsetzen, die Förderung von Öl und Gas zu erhöhen, obwohl das die Lebensgrundlagen auf unserem Planeten zerstört. Aber die Klimakrise duldet keinen Aufschub, denn der Physik ist es letztlich egal, wer im Weißen Haus sitzt. Umso wichtiger ist es, dass die Staatengemeinschaft beim anstehenden Klimagipfel COP29 in Baku und beim G20-Gipfel in Rio beweist, dass sie beim Klimaschutz zur Not auch ohne die US-Regierung handlungsfähig sein wird. Die Bundesregierung sollte jetzt die Initiative für die Bildung einer breiten Koalition von Ländern ergreifen, die in den nächsten Tagen ihre Unterstützung für das Pariser Klimaabkommen und seine Ziele bekräftigt.“
Es steht zu befürchten, dass Trump die USA nicht nur aus dem Paris-Abkommen führen wird, sondern auch versuchen wird, die übergeordnete UN-Klimarahmenkonvention zu verlassen. Bals: „Für einen angemessenen amerikanischen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung dürfte es keine Mehrheiten im Kongress geben und auch die Finanzierung multilateraler Institutionen von den Vereinten Nationen bis zur Weltbank ist gefährdet.“
Politisch wird es für Trump zwar schwierig bis unmöglich werden, viele der Förderprogramme für grüne Zukunftstechnologien aus dem Inflation Reduction Act von Präsident Joe Biden zu beenden, er wird sie aber abschwächen. Der Schwerpunkt wird vor allem darauf liegen, die Bedingungen für die Öl- und Gasindustrie zu verbessern. „Trump kann den Wandel in den USA zwar verlangsamen und erschweren – aufhalten wird er ihn nicht. Allerdings wird dies die Erreichung der globalen Pariser Klimaziele für alle untergraben. Die USA sind der weltweit zweitgrößte Emittent von Treibhausgasen. Ihre historische Verantwortung für die weltweit zunehmenden Klimaschäden wird durch Trumps verantwortungslose Politik weiter steigen. Zudem wird seine fossile Politik langfristig der amerikanischen Wirtschaft schaden, wenn er sie zunehmend von Innovationen und Märkten der Zukunft abkoppelt“, so Bals.
EU und Deutschland müssen Trumps fossilem Kurs entgegensteuern
Germanwatch erwartet von Deutschland und der EU nun eine verantwortungsvolle Reaktion. Bals: „Die Bundesregierung und die EU müssen jetzt Sicherheit über den eingeschlagenen Weg schaffen, denn auch die europäische Wirtschaft braucht diese Klarheit. Das heißt auch, den Weg Richtung Elektrifizierung und Erneuerbare Energien noch konsequenter zu gehen. Flüssiggas-Importe nach Deutschland kommen zum Großteil aus den USA. Jede Reduktion dieser Import-Abhängigkeit reduziert auch die Unterstützung für Trumps fossilen Kurs, senkt die Verwundbarkeit gegenüber Entscheidungen der neuen US-Administration und trägt zur Stärkung grüner Geschäftsmodelle bei. Dazu sollte die Bundesregierung unter anderem die Elektrifizierung von Prozessen in Industrie und Gewerbe stärker unterstützen und den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft in Europa entschlossener fördern. Ein ambitioniertes 2040-Klimaziel der EU von mindestens 90 Prozent Emissionsreduktion wäre das richtige Signal. Dazu müssen die EU-Regierungschefs sich bei ihrem nächsten Gipfel verpflichten.“
Auf dieser Grundlage könnte die EU auch eine treibende Kraft werden für eine Koalition von Staaten, die bis zum Februar 2025 die vom Pariser Abkommen geforderten neuen ehrgeizigen Klimaziele vorlegt. Auch Partnerländer wie China, Indien, Südafrika oder Brasilien müssen dafür eingebunden werden. Das Verhältnis zu diesen Ländern wird die EU – nicht nur klimapolitisch – künftig eigenständig definieren müssen. Beim Klimagipfel in wenigen Tagen in Baku muss – auch ohne die USA – zunächst eine Einigung auf ein neues Klimafinanzierungsziel gelingen. Dazu braucht es eine handlungsfähige Bundesregierung mit einem Bundeshaushalt, der bei der internationalen Zusammenarbeit nicht kürzt, sondern in diesen unsicheren Zeiten mehr investiert. Das multilaterale Klimaregime hat bereits in der ersten Amtszeit von Trump seine Resilienz bewiesen – das kann auch dieses Mal klappen, aber es erfordert mutiges und zügiges Handeln. „Es gibt in den USA eine breite Bewegung an Unternehmen, Bundesstaaten, Kommunen und zivilgesellschaftlichen Initiativen, die ernsthaften Klimaschutz umsetzen und sich für Klimaziele einsetzen. Klimadiplomatie muss diese wichtigen Akteure voll und ganz einbinden. Das bedeutet auch eine starke Rolle für die Zivilgesellschaft. Germanwatch wird sich dieser Herausforderung stellen“, so Bals.