Pressemitteilung | 19.09.2024

Branchendialoge zu Wirtschaft und Menschenrechten haben bislang für Betroffene zu wenig erreicht

Hintergrundpapier: Zivilgesellschaftliche Organisationen ziehen Bilanz nach fünf Jahren Beteiligung an Branchendialogen / Format kann positiv zu gemeinsamem Verständnis für angemessene Umsetzung von Sorgfaltspflichten beitragen / Bislang erzielen sie aber keine konkreten Verbesserungen für Betroffene innerhalb der Lieferketten
Pressemitteilung

Berlin (19. Sep. 2024). Das besondere Format der Branchendialoge hat in den vergangenen fünf Jahren einige positive Wirkungen hervorgebracht – in der Gesamtschau ist die zivilgesellschaftliche Bilanz aber durchwachsen. Zu diesem Schluss kommen an den Branchendialogen beteiligte Nichtregierungsorganisationen (NRO) in einem heute veröffentlichten Hintergrundpapier. Das Papier wurde anlässlich der Veranstaltung “Together Towards Effective Implementation of CSDDD: Multi-Stakeholder Approaches in Corporate Due Diligence” am kommenden Montag in Brüssel herausgegeben.

Sarah Guhr, NRO-Koordinierungsstelle bei Germanwatch: „Unsere Analyse der Branchendialoge zeigt deutlich die Stärken und Schwächen dieses Formats. Sie können einerseits gut ein gemeinsames Verständnis der Risiken in Lieferketten und einen Maßstab für die angemessene Umsetzung von Sorgfaltspflichten entwickeln. Andererseits kommt bisher aber keine nachweisbare Wirkung bei den Betroffenen in der Lieferkette an. Angesichts dieser mangelhaften Umsetzung gemeinsamer Projekte in die Praxis sind die Branchendialoge bislang ungeeignet, wirksame angemessene Maßnahmen im Sinne gesetzlicher Anforderungen - etwa aus dem europäischen Lieferkettengesetz - zu ermöglichen. Dies muss auch bei der Umsetzung des EU-Gesetzes und der Erarbeitung der entsprechenden EU-Leitlinien berücksichtigt werden.“

Anton Pieper, WEED: „Insgesamt haben 24 von 26 Unternehmen des Branchendialog Automobil Produktionsstandorte in Mexiko. Lediglich drei davon beteiligen sich am Pilotprojekt in Mexiko zum Aufbau eines unternehmensübergreifenden Beschwerdemechanismus, welcher aus dem Branchendialog hervorgegangen ist. Das ist viel zu wenig. Maßnahmen zur Umsetzung unternehmerischer Sorgfaltspflichten können ihre volle Wirkung nur entfalten, wenn sie verbindlich, kollektiv und im besten Falle branchenübergreifend sind. Zukünftige Projekte im Rahmen von Branchendialogen müssen dies besser berücksichtigen.“

Arndt von Massenbach, Geschäftsführer INKOTA-netzwerk: „Leider ist es in den fünf Jahren nicht gelungen, durch gemeinsames Handeln die gewünschte Hebelwirkung zu erreichen. Besonders enttäuschend ist die geringe Beteiligung der Unternehmen an Maßnahmen, die konkrete Verbesserungen für die Menschen am anderen Ende der Lieferkette bedeuten würden. INKOTA wird seine Mitarbeit am Branchendialog Automobil daher einstellen und nur das einzige vor Ort umgesetzte Pilotprojekt in Mexiko weiterverfolgen.“

Lisa Kadel, GegenStrömung: „Die Erfahrungen aus dem Automobildialog zeigen, dass das Multi-Stakeholder-Format nicht per se die gewünschte Wirkung entfaltet und die Situation der Betroffenen vor Ort verbessert. Es braucht neben einem klaren Verständnis bezüglich eines gemeinsamen Ziels vor allem die Übereinkunft aller Akteure, konkrete und gemeinsam ausgearbeitete Maßnahmen umzusetzen. Die Unternehmen im Branchendialog Energie müssen an dieser Stelle aus den Schwachstellen des Branchendialogs Automobil lernen und die Umsetzung der entwickelten Maßnahmen garantieren.“   

Hintergrund:
Im Rahmen der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) führt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Branchendialoge durch. Ziel der Dialoge ist es, Unternehmen in Branchen mit besonderen menschenrechtlichen Herausforderungen Orientierung zu bieten und sie dabei zu unterstützen, die NAP-Anforderungen zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht angemessen umzusetzen. An den Branchendialogen sind die zivilgesellschaftlichen Organisationen Germanwatch, INKOTA, Südwind, Transparency International Deutschland und WEED (Branchendialog Automobil) sowie Brot für die Welt, GegenStrömung, die Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik und PowerShift (Branchendialog Energie) beteiligt und werden durch die bei Germanwatch angesiedelte NRO-Koordinierungsstelle unterstützt.