Ökodesign-Verordnung kann Meilenstein für Ressourcenschonung werden
Berlin (23. April 2024). Die heute im Europaparlament verabschiedete Ökodesign-Verordnung ist nach Ansicht der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation Germanwatch und der größten deutschsprachigen Informatik-Fachgesellschaft, der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI), ein großer Schritt in Richtung mehr Ressourcenschonung. „Die Ökodesign-Verordnung hat das Zeug, ein Meilenstein in Richtung Kreislaufwirtschaft zu werden. Insbesondere bei Produkten, die wertvolle Rohstoffe enthalten und zu häufig auf der Müllhalde landen, sollte die Verordnung so schnell wie möglich umgesetzt werden. Die Klima-, Umwelt- und Biodiversitätskrisen drängen zur Eile“, sagt Luisa Denter, Referentin für zirkuläres Wirtschaften bei Germanwatch.
Die Ökodesign-Verordnung hat das Ziel, die Langlebigkeit, Recyclingfähigkeit, Reparierbarkeit und Umweltverträglichkeit nahezu aller Produkte zu verbessern. Bevor die Verordnung aber tatsächlich angewendet wird, muss die Kommission in den kommenden Jahren zunächst Konkretisierungen für die jeweiligen Produkte festlegen. „Damit die EU mit der Verordnung nicht nur eine leere Hülle schafft, muss die Kommission die Verordnung so für die einzelnen Produkte spezifizieren, dass der Umgang mit Rohstoffen und Produkten grundlegend reformiert wird. Dazu sollte die Kommission nicht nur die großen Industrieverbände konsultieren, sondern auch das für die Kreislaufwirtschaft wichtige Handwerk sowie Umweltverbände und Verbraucherschutzorganisationen“, betont Denter.
Für digitale Endgeräte und Infrastruktur könnte die Ökodesign-Verordnung eine echte Reform bedeuten, wenn die Kommission sie nun zügig und mit hohem Ambitionsniveau für Produkte wie Laptops, Smartphones oder Server konkretisiert. Johanna Graf, Referentin für Digitalisierung und Nachhaltigkeit bei Germanwatch: „Es geht zum Beispiel darum, nicht gleich ein neues Handy kaufen zu müssen, weil die Ladebuchse kaputt ist oder man eine bessere Kamera möchte. Solche Komponenten müssten einfach austauschbar werden.“ Dass Unternehmen Produkte obsolet werden lassen, indem sie Softwareupdates nicht mehr zur Verfügung stellen, durch Updates die Leistungsfähigkeit einschränken oder indem sie dafür sorgen, dass Reparaturen kaum möglich oder zu teuer sind, könnte bald der Vergangenheit angehören. „Die Kommission hat jetzt die Chance, dem vermeidbaren rasanten Anstieg von Elektroschrott und der damit einhergehenden Umweltzerstörung und Ressourcenverschwendung etwas Wirksames entgegenzusetzen“, erklärt Graf.
Energie- und Ressourcenverbräuche von Software vernachlässigt
Die heute verabschiedete Ökodesign-Verordnung vernachlässigt jedoch die Effekte von Software auf Klima- und Umweltschutz. „Software ist wesentlich für den Energieverbrauch, die Energieeffizienz und die Nutzungsdauer von Hardware verantwortlich. Deswegen ist es wichtig, dass Ökodesign-Anforderungen auch den Software-Lebenszyklus berücksichtigen. Es wurde eine Chance verpasst, die zunehmend ressourcenhungrigen Anwendungen der Künstlichen Intelligenz - die letztlich auch software-basiert sind -, ebenfalls in den Umweltfokus zu nehmen.“, erklärt Prof. Dr. Volker Wohlgemuth, Sprecher des Fachausschusses Umweltinformatik der Gesellschaft für Informatik e.V.
Während in der Vorstudie der Verordnung Software als eigenständige Produktkategorie diskutiert wurde, findet sie in der finalen Fassung lediglich stark eingeschränkt im Kontext von Softwareupdates für Hardware und im Zusammenhang mit softwarebedingter Obsoleszenz Beachtung - der durch Software verursachte Energie- und Ressourcenverbrauch wird nicht beachtet. Durch diese Auslassung wird die Chance, durch die Ökodesignanforderungen einen ganzheitlichen Beitrag zu einer umwelt- und klimagerechten Digitalisierung zu leisten, nicht genutzt. „Deutschland und die EU sind nun gefordert, durch öffentliche Maßnahmen und Vorschriften eine nachhaltige Softwareentwicklung zu fördern. Dadurch können sie die in der Ökodesign-Verordnung bestehende Lücke zur Regulierung von Software schließen“ fordert Prof. Dr. Stefan Naumann, Sprecher des Arbeitskreises Green Coding der Gesellschaft für Informatik e.V.