Pressemitteilung | 15.04.2024

Prüfbericht des Expertenrates: Machtwort von Bundeskanzler Scholz für wirksame Klimamaßnahmen von Volker Wissing nötig

Germanwatch fordert Sofortmaßnahmen für Verkehrs- und Gebäudesektor / Sektor-Verantwortlichkeiten des Klimaschutzgesetzes müssen erhalten bleiben, um verbindlichen EU-Vorgaben zu entsprechen und Milliardenkosten zu vermeiden
Pressemitteilung

Berlin (15. April 2024). Der Prüfbericht zu den Treibhausgasemissionen 2023 des Expertenrates für Klimafragen bestätigt die Sektorzielverfehlungen im Verkehrs- und Gebäudesektor. Der verschleppte Klimaschutz im Verkehrssektor ist nach Ansicht der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch mittlerweile das gravierendste Problem in der deutschen Klimapolitik. Nach Veröffentlichung des Prüfberichts des Expertenrates müssen nun binnen drei Monaten Sofortmaßnahmen für den Verkehrs- und Gebäudesektor erarbeitet werden. Germanwatch fordert zudem ein Nachsteuern beim Klimaschutzprogramm 2023, um das 65-Prozent-Reduktionsziel bis 2030 rechtssicher durch strukturelle Klimaschutzmaßnahmen zu erreichen.

Lutz Weischer, Leiter des Berliner Büros von Germanwatch: „Bundeskanzler Olaf Scholz darf der klimapolitischen Arbeitsverweigerung von Volker Wissing nicht weiter zusehen, sondern muss ihn anweisen, endlich ernsthaften Klimaschutz zu machen. Es mangelt nicht an Vorschlägen für Maßnahmen im Verkehrssektor, die kurz- und mittelfristig große Wirkung entfalten würden. So sollte das Dienstwagenprivileg umgebaut werden, damit smarte, verbrauchsarme Elektrofahrzeuge schneller in den Gebrauchtwagenmarkt kommen. Ein Bonus-Malus-System bei der KFZ-Steuer könnte zusätzlich den Hochlauf von rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen ankurbeln. Am schnellsten würde ein Tempolimit wirken, so wie es bereits in allen europäischen Nachbarstaaten gilt. Der Verkehrsminister hatte zweieinhalb Jahre Zeit, wirksame Maßnahmen anzustoßen. Wenn Volker Wissing stattdessen jetzt Nebelkerzen wirft und mit Fahrverboten an Wochenenden droht, leistet er nicht nur der Klimapolitik einen Bärendienst, sondern trägt auch ohne Not zur Politikverdrossenheit bei.“

Die Verwässerung des Klimaschutzgesetzes, wie sie Christian Lindner und Volker Wissing vorschwebt, würde aus Sicht von Germanwatch das Problem nicht lösen. Im Gegenteil: Der Kabinettsentwurf zur Reform des Klimaschutzgesetzes ist nicht geeignet, um Rechtsklarheit sicherzustellen und könnte eine neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes notwendig machen. Die Treibhausgasemissionen aus Verkehr und Gebäuden unterliegen neben deutschem Recht zusätzlich der EU-Lastenteilungsverordnung. Verkehrs- und Gebäudeemissionen unterliegen auch hier Jahreszielen bis 2030. Wenn Deutschland diese reißt, drohen Zukäufe von Emissionszertifikaten in zweistelliger Milliardenhöhe nötig zu werden oder sogar ein EU-Vertragsverletzungsverfahren. Daran kann auch eine Novelle des Klimaschutzgesetzes nichts ändern.

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts droht ignoriert zu werden

Weischer weiter: „Die jahresscharfen Sektor-Verantwortlichkeiten des Klimaschutzgesetzes müssen auch bei einer Novelle des Gesetzes erhalten bleiben –  sonst droht ein klimapolitischer Blindflug und ein teures Erwachen. Im schlimmsten Fall könnte dann in der Zukunft tatsächlich notwendig werden, was Volker Wissing derzeit ohne Not als Drohkulisse an die Wand malt: Dass aufgrund von verschlepptem Klimaschutz die Emissionen im Verkehrssektor so hoch bleiben, dass nach 2030 nur noch Radikalmaßnahmen wie Fahrverbote helfen. Das wäre genau die Art von Eingriff in die Freiheitsrechte, vor dem das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss von 2021 gewarnt hat. Bundeskanzler Scholz muss deshalb den Verhandelnden von SPD- und Grünen-Fraktion den Rücken stärken, die das Klimaschutzgesetz als Grundlage für planbaren und rechtssicheren Klimaschutz verteidigen.“