Pressemitteilung | 15.03.2024

Emissionsdaten 2023: Bundeskanzler muss Rechtsbruch beim Klimaschutzgesetz beenden

Germanwatch fordert umgehend Sofortprogramme für Verkehrs- und Gebäudesektor / Verkehrsminister Wissings Missachtung von EU-Vorgaben kann für Deutschland teuer werden
Pressemitteilung

Berlin (15. März 2024). Der verschleppte Klimaschutz im Verkehrssektor ist nach Ansicht der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch mittlerweile das gravierendste Problem in der deutschen Klimapolitik. Damit wird das geltende Klimaschutzgesetz gebrochen – dies droht das Vertrauen in den Rechtsstaat und die Verlässlichkeit von Politik zu untergraben. Laut der heute vom Umweltbundesamt (UBA) veröffentlichten Emissionsdaten für 2023 werden im Verkehrssektor zum dritten und im Gebäudesektor zum vierten Mal in Folge die gesetzlich vorgeschriebenen Reduktionsziele verfehlt – trotz Einhaltens der Jahresemissionsgesamtmenge für das vergangene Jahr.  

Lutz Weischer, Leiter des Berliner Büros von Germanwatch: „Sowohl die Sofortmaßnahmen der Bundesregierung 2022 als auch das Klimaschutzprogramm 2023 verstoßen gegen das Klimaschutzgesetz. Da sich Verkehrsminister Wissing weigert, geltendes Recht zu befolgen, muss Bundeskanzler Scholz mit seiner Richtlinienkompetenz dafür sorgen, dass sein Minister endlich zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr umsetzt. Treibhausgasemissionen aus Verkehr und Gebäuden unterliegen zusätzlich der Effort-Sharing-Verordnung der EU. Wenn Deutschland wegen Volker Wissings Realitätsverweigerung diese europäischen Zielvorgaben weiter verfehlt, wird es teuer für den Bundeshaushalt.“

Regierung droht in zentralen Sektoren auf Blindflug zu schalten

Germanwatch erkennt die deutlichen Fortschritte im Bereich des Ausbaus Erneuerbarer Energien an, die auch einen maßgeblichen Beitrag zur Verdrängung der Kohleverstromung im Energiesektor geleistet haben. Trotzdem ist offensichtlich, dass die Einhaltung der Emissionsgesamtmenge in 2023 vor allem äußeren Rahmenbedingungen geschuldet ist und nicht auf strukturverändernden Klimaschutzmaßnahmen in allen Sektoren beruht. Insbesondere im Industriesektor, aber auch bei der Gebäudewärme, ist ein erheblicher Teil der Einsparungen das Ergebnis hoher Energiepreise und einer Wirtschaftskrise. Weischer: „Die EU-Kommission hat Deutschland bereits deutlich darauf hingewiesen,  dass es europarechtliche Vorgaben bricht, weil wirksame Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr und bei Gebäuden fehlen. Bei einer weiteren Zielverfehlung müsste Deutschland Milliarden-Summen aufwenden, um Emissionszertifikate im EU-Ausland aufzukaufen. Vor diesem Hintergrund haben auch die Sachverständigen bei der Expertenanhörung zur Novelle des Bundesklimaschutzgesetzes davor gewarnt, die jährliche Sektorzielbetrachtung aufzugeben. Statt dieses Haushaltsrisiko abzustellen, plant die Bundesregierung jetzt sogar das Klimaschutzgesetz zu schwächen. Wenn die Pflicht zur jährlichen Nachsteuerung entfällt, schaltet die Bundesregierung bei den entscheidenden Sektoren auf Blindflug.“

Anja Köhne, Referentin für klimafreundliche Mobilität bei Germanwatch, dazu: „Trotz angelaufener CO2-Bepreisung und mehr E-Autos auf den Straßen bleibt der Verkehr Problemsektor Nummer 1. Solange sich die Bundesregierung nicht darum kümmert, dass der Autoverkehr abnimmt und die Menschen in eine funktionierende Bahn umsteigen können, wird sich das kaum ändern. Darum müssen jetzt die Infrastrukturinvestitionen in den schnelleren Ausbau der energieeffizienten Schiene fließen und nicht in noch mehr Autoverkehr erzeugende Schnellstraßen.“

„Im Gebäudesektor ist die Zielverfehlung im vergangenen Jahr aufgrund von Einmal-Effekten zwar gering, aber die Projektion zeigt, dass die Lücke in den nächsten Jahren wieder wachsen wird, wenn jetzt keine wirksamen Maßnahmen kommen. Die Bundesregierung sollte die aktuellen Beschlüsse zur Europäischen Gebäuderichtlinie schnellstmöglich nutzen, um zusätzliche Sanierungsanstrengungen in öffentlichen sowie privaten Bestandsgebäuden anzustoßen. Dazu sollten auch die Förderbedingungen sozial gerechter ausgestaltet werden und zudem zusätzliches privates Kapital durch neue Finanzierungsmodelle gehebelt werden. Diese Maßnahmen im Bereich Bestandsgebäude kämen auch der Baubranche zur Fachkräftesicherung zugute“, so Kai Bergmann, Referent für deutsche Klimapolitik bei Germanwatch.