Generation Zukunfts̶a̶n̶g̶s̶t̶
Germanwatch-Referentin Aylin Lehnert (unten links) mit jungen Engagierten auf der #MitmischenNRW-Konferenz im Juni 2023.
Germanwatch setzt sich im Projekt #MitmischenNRW für die Stärkung junger Menschen in der Nachhaltigkeitspolitik ein. Während rechtsextreme Stimmen in Europa lauter werden, kommt es einmal mehr darauf an, durch Bildung und Beteiligung eine lebendige Demokratie zu stärken. Mit Blick auf die diesjährige Europawahl ab 16 Jahren lohnt sich der Blick zu dieser Generation besonders.
Die Politik befindet sich in einer Vertrauenskrise; die Ausmaße in Deutschland sind gravierend: Junge Menschen fühlen sich von der Politik weder gehört noch ernst genommen. Auch bei den Teilnehmenden unserer Workshops zum Germanwatch-Handabdruck zeichnet sich deutlich der Frust über fehlende Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen und die mangelnde Repräsentation im politischen Raum ab. Hinzu kommen Krisenerschöpfung, Zukunftssorgen und mangelnde Selbstwirksamkeitserwartung.
Das zeigte auch die „Zukunft? Jugend fragen!“ Studie vom Umweltbundesamt (2021). Ihr zur Folge haben 75 Prozent der jungen Menschen Angst vor der Zukunft und viele zweifeln an der Kompetenz der Politik, die Krisen zu bewältigen. Politik bleibt durch unüberschaubare Prozesse für viele junge Menschen unbegreiflich, während zugleich die Möglichkeiten fehlen, aktiv an politischen Gestaltungsprozessen teilzunehmen. Verschärft wird dies durch die fehlende politische Resonanz, die diese Generation trotz ihrer Energie und Handlungsbereitschaft für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft erfahren.
In den letzten Landtagswahlen hat sich abgezeichnet, dass die AfD besonders bei jungen Wähler:innen an Beliebtheit gewinnt. Insbesondere mit Blick auf die Europawahl Anfang Juni, müssen wir dieser besorgniserregenden Entwicklung entgegenwirken. Denn dieses Jahr dürfen in Deutschland erstmals auch Jugendliche ab 16 Jahren wählen. Es ist wichtig, diese Wähler:innengruppe und ihre Anliegen ernst zu nehmen und ihnen die Chance zu geben, sich politisch einzubringen. Bildungsarbeit spielt dabei als Brücke zwischen Politik und Jugend eine entscheidende Rolle.
#MitmischenNRW als junge Partizipationsplattform
Junge Menschen können und wollen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Germanwatch setzt sich dafür ein, dass Jugendliche dafür eine wirkungsvolle Plattform erhalten. Mit unserem Projekt #MitmischenNRW ermöglichen wir Engagierten aus Nordrhein-Westfalen, sich aktiv in die Nachhaltigkeitspolitik ihres Landes einzumischen. Kern des Programms ist, den Austausch zwischen jungen Menschen und politischen Entscheidungsträger:innen zu fördern.
Im Sommer 2023 haben junge Bürger:innen auf unserer #MitmitschenNRW-Jugendkonferenz 115 Forderungen für eine nachhaltige Transformation des Landes NRW entwickelt. An den 17 Zielen für Nachhaltige Entwicklung orientiert, sind ihnen drei Kernforderungen besonders wichtig:
- Grundvoraussetzungen für ein nachhaltiges NRW schaffen durch eine starke Demokratie, schlanke Bürokratie, Wissenschaftsorientierung und Klimaschutz als Verfassungsziel.
- Die NRW-Nachhaltigkeitsstrategie als legislaturübergreifenden und rechtlich bindenden Kompass mit spezifischen und messbaren Zielen, sowie einem Nachhaltigkeitshaushalt umsetzen.
- Lebendige Jugendbeteiligung in NRW verankern durch einen Jugendcheck von Gesetzesentwürfen, einer Herabsetzung des Wahlalters und jugendgerechten öffentlichen Konsultationen bei Zukunftsfragen.
Bereits auf der Konferenz diskutierten die Jugendlichen ihre Forderungen mit dem Staatssekretär des NRW-Umweltministeriums, Viktor Haase. In den Monaten darauf führten sie Gespräche zur Umsetzung der Forderungen mit Vertreter:innen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und allen Ministerien ihres Bundeslandes. Auf der Nachhaltigkeitstagung des Landes NRW mit über 500 Gäst:innen konnten unsere Teilnehmer:innen ihre Forderungen im Landtag vorstellen und an NRW-Umweltminister Oliver Krischer überreichen.
Engagierte überreichen Umweltminister Oliver Krischer ihre Forderungen, v.l. Simon Käsbach, Bettina Schröder, Florian Winkler, Oliver Krischer, Christina Thomas, Aylin Lehnert
Demokratie muss gelernt und gelebt werden
Germanwatch setzt in der Bildungsarbeit darauf, junge Menschen zu motivieren, sich in demokratische Prozesse einzubringen und Beteiligungsformen zu nutzen. Kernelement dessen ist es, ihnen Begegnungsräume mit Realpolitik zu schaffen: So erhalten sie Raum, ihre Perspektive dort einzubringen, wo sie gehört und vor allem ernst genommen werden kann.
Aus unserer Erfahrung wird deutlich: Demokratie muss gelernt und gelebt werden. Demokratiepolitische Bildungsangebote ermöglichen jungen Menschen erste Berührungspunkte mit demokratischen Aushandlungsprozessen. Sie verstehen lokale, nationale und supranationale Entscheidungsebenen, finden ihre Position als Interessengruppe, erleben Interessens- und Zielkonflikte und entdecken demokratische Lösungsansätze für diese.
Ich habe die Hoffnung, dass wir hier wirklich etwas bewegen können und unsere Punkte mit in die NRW-Nachhaltigkeitsstrategie einfließen und die Landesregierung auf die Stimme der Jugend hört.
- Jonathan Andraczeck (23 Jahre), Teilnehmer von #MitmischenNRW
Ein Recht auf Beteiligung
Auf politische Mitsprache haben junge Menschen laut UN-Kinderrechtskonvention (Artikel 12) auch ein Recht. So schreibt die Konvention fest, dass Kinder und Jugendliche in alle sie betreffenden Verfahren eingebunden und beteiligt werden sollen, um ihre Gegenwart und Zukunft aktiv mitgestalten zu können. In Deutschland gibt es u. a. mit dem jungen Beteiligungsforum „youpaN“ zur Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) bereits Beispiele gelungener Kinder- und Jugendbeteiligung; ihr Erfolg und ihre Wirkung hängen aktuell noch stark am politischen Willen. So sind das youpaN und #MitmischenNRW darauf angewiesen, dass Entscheidungsträger:innen sich auf den Austausch mit Engagierten auch einlassen. Ausbaufähig ist besonders die langfristige Verankerung von Beteiligungsrechten und -formaten auf Bundes-, Landes- und kommunaler sowie internationaler Ebene.
Eine erfolgreiche Europawahl ab 16 Jahren
Ein positiver erster Schritt zum Ausbau der Beteiligungsrechte ist die Absenkung des Wahlalters für deutsche Wähler:innen bei der EU-Wahl. Eine Wahlrechtsänderung allein führt jedoch nicht automatisch zu höherer Wahlbeteiligung junger Menschen und der Wahl demokratischer Parteien, die sich für einen positiven Wandel in der Gesellschaft einsetzen. Für die Entscheidung, ob und wenn ja, wie gewählt wird, spielen diverse Faktoren eine Rolle. Wichtig ist, dass das Vertrauen in die repräsentative Politik und in die Erwartung der eigenen Wirksamkeit gestärkt werden. Auf ihrem Weg zu demokratischem Denken und progressivem Handeln brauchen junge Menschen Begleitung und Bildung. Dafür ist der Ausbau schulischer und außerschulischer politischer Bildung für nachhaltige Entwicklung unabdingbar.
Dem Rechtsruck in Deutschland treten wir in unserer Germanwatch Bildungsarbeit entschlossen entgegen. Dafür sehen wir aus bildungspolitischer Sicht eine Lösung darin, junge Menschen aktiv in demokratische Prozesse einzubinden und ihre Anliegen ernst zu nehmen. Dafür setzen wir uns bei #MitmischenNRW auf Landesebene ein und empowern mit der #climatechallenge über 15.000 Teilnehmende deutschlandweit, sich in eigenen Projekten für den Klimaschutz und die Veränderung gesellschaftlicher Strukturen einzusetzen. So erleben sich junge Menschen als wirksame Gestalter:innen des Wandels!
Dieser Artikel ist zuerst in unserem Magazin EINBLICK erschienen
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Autor:innenAylin Lehnert |