Offener Brief: Der deutsche Nationale Energie- und Klimaplan verfehlt EU-Ziele und birgt finanzielle und rechtliche Risiken für Deutschland
Im vergangenen Dezember hat die Europäische Kommission ihre Bewertung des deutschen Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP) veröffentlicht. Dieser Bewertung nach ist Deutschland momentan nicht auf einem geeigneten Pfad, um wichtige EU-Klimaziele zu erreichen. Das gefährdet nicht nur die gemeinsame Verwirklichung der EU-2030-Ziele, sondern birgt auch finanzielle und rechtliche Risiken für Deutschland.
Die endgültige Version des NEKPs, die bis zum 30. Juni 2024 vorzulegen ist, sollte aus unserer Sicht die unten genannten Aspekte berücksichtigen. Diese sind in der Governance-Verordnung rechtlich verankert. Im Hinblick auf den zunehmenden Trend zu Klimaklagen könnte die Formulierung des endgültigen NEKP ohne diese Punkte dazu führen, dass sich die Bundesregierung in kommenden Jahren vor Gericht angreifbar macht, insbesondere im Bereich der Öffentlichkeitsbeteiligung.
- Ziellücke schließen: Projektionen zufolge verfehlt Deutschland deutlich die verbindlichen Jahresziele, vor allem in den Bereichen der Klimaschutz-Verordnung („Effort-Sharing“). Ohne Sofortmaßnahmen in den Sektoren Verkehr und Gebäude wird Deutschland Emissionszertifikate mit öffentlichen Geldern kaufen müssen. Zu diesen Sofortmaßnahmen wurde die Bundesregierung auch durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom November 2023 verpflichtet. Außerdem sollte Ihre Regierung die Ziellücke für Energieeffizienz im Endenergieverbrauch schließen und das „Energy Efficiency First“-Prinzip einhalten. Dieses Prinzip wurde weder im NEKP noch im Energieeffizienzgesetz (EnEfG) benutzt, was nicht im Einklang mit der Governance-Verordnung (Artikel 3) und der Energieeffizienz-Richtlinie steht.
- Maßnahmen konkretisieren: Wo Deutschland die EU-Ziele erreicht, müssen die Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele hinreichend beschrieben werden und die Annahmen transparent machen, auf denen die Projektionen beruhen. Insgesamt beschreibt der NEKP die erwarteten Auswirkungen bestimmter Politiken und Maßnahmen nur ungenügend. Die neuen Berichtspflichten aus den Aktualisierungen der Richtlinien über Erneuerbare Energien und Energieeffizienz wie die Waldbiomasse-Prüfung (Artikel 29, Absatz 7b) müssen in den finalen NEKP Eingang finden. Eine Quantifizierung des Finanzbedarfs für die aufgeführten Maßnahmen ist ebenso notwendig wie Aussagen zur Finanzierung der Maßnahmen, wie es in der Governance-Verordnung (Artikel 7) vorgesehen ist.
- Klimaschädliche Subventionen beenden: Für die Berichterstattung der Energiesubventionen verweist der NEKP auf den 29. Subventionsbericht, der eine zu restriktive Definition von Subventionen verwendet. Wir fordern, dass die Definition des Umweltbundesamts von klimaschädlichen Subventionen für die Berichterstattung verwendet wird. Gemäß der Governance-Verordnung sollte auch ein Zeitplan für das Auslaufen aller Subventionen für fossile Brennstoffe bei-gefügt werden.
- Soziale Auswirkungen bemessen und frühzeitig abfedern: Klimaschutz kann so organisiert werden, dass er zugleich sozialen Zielen dient. Anstelle der aktuell sehr knappen Beschreibung der sozialen Auswirkungen der Energiewende fordern wir deshalb, dass der endgültige NEKP Ausgleichsmaßnahmen vorsieht, um den Strukturwandel zu begleiten. Zu den betroffenen Berufs-ständen sollte die Bundesregierung Pläne verfassen, wie sie unterstützt und wie die benötigten Kompetenzen für zukunftsfähige Jobs ausgebildet werden. Auch im Bereich Energiearmut sollte der NEKP konkreter werden und einschätzen, wie viele Haushalte von Energiearmut betroffen sind, sowie ein nationales Richtziel der Verringerung der Energiearmut aufnehmen, wie es in der Governance-Verordnung (Artikel 3) und in der Empfehlung der EU-Kommission zu Energiearmut vorgesehen ist. Zudem fordern wir Sie auf, die Kohärenz zwischen dem NEKP und dem Klima-Sozialplan zu gewährleisten sowie die Einflussfaktoren auf die Mobilitätsarmut in den endgültigen NEKP aufzunehmen.
- Wirksame öffentliche Beteiligung ermöglichen: Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf wirksame und frühzeitige Partizipation in der Entwicklung des NEKPs. Artikel 10 der Govenance Ver-ordnung und die Aarhus-Konventionen stützen es. Eine solche Beteiligung hat nicht stattgefunden und die für 2024 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vorgesehene Online-Konsultation entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine wirksame Beteiligung. Wir fordern, dass in dieser Legislatur eine umfassende und transparente Konsultation durchgeführt wird, deren Modalitäten im NEKP beschrieben werden.
Noch hat die Bundesregierung fünf Monate Zeit, um die notwendige Klimapolitik auf den Weg zu bringen, die die sozialen Auswirkungen frühzeitig und verantwortungsbewusst adressiert und die positiven Nebeneffekte gerecht verteilt. Den European Green Deal zum Erfolg zu machen, ist in diesem Wahljahr, das vom wachsenden Euroskeptizismus dominiert wird, nicht nur eine Voraussetzung für die Erreichung der EU-Klimaziele, sondern auch für die künftige demokratische Stärke europapolitischer Prozesse.