Kreislaufwirtschaft: Recycling ist nicht die beste Lösung
Reparieren oder recyceln? Bei Smartphones ist eine Reparatur häufig besonders aufwendig, was die Nutzungsdauer verringert.
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Selbst wenn alle Rohstoffe recycelt werden könnten, der rasant wachsende Bedarf wäre dadurch allein nicht zu decken. An erster Stelle müssen alle Optionen zur Abfallvermeidung und Wiederverwendung ausgeschöpft und Produkte und Infrastruktur so lange wie möglich genutzt werden. Zudem müssen diese so designt sein, dass sie langlebig sind und gut repariert werden können.
Wenn es um Lithium, Kobalt, Kupfer und Seltene Erden geht, ist immer häufiger die Rede von einem internationalen Wettlauf um Rohstoffe. Die EU-Kommission betrachtet den Zugang zu solchen Rohstoffen gar als Frage der europäischen Souveränität. Ist Recycling nun die Lösung, um die Rohstoffversorgung zu sichern, Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen und von Rohstoffimporten aus China und anderen Drittstaaten unabhängiger zu werden?
Recyceln statt Schürfen
Laut der in Deutschland geltenden Abfallhierarchie ist das Recycling von Stoffen nur die drittbeste Lösung. Denn selbst wenn die Utopie Realität würde, dass fast alle Rohstoffe, die technisch recycelbar sind, tatsächlich recycelt werden, könnte dies den rasant wachsenden Rohstoffbedarf global nicht decken. Zudem geht bei jedem Nutzungszyklus eines Stoffs einiges verloren: Energie, Wasser und gegebenenfalls Chemikalien für die Wiederaufbereitung; auch die Qualität durch zunehmende Verunreinigungen und auch Material selbst, da meist nur ein kleiner Teil des Materials aus einem Produkt zurückgewonnen werden kann. Trotzdem müssen wir uns auch für diese drittbeste Lösung einsetzen, denn dem Abbau von Primärrohstoffen ist Recycling deutlich vorzuziehen. Das Potenzial dafür ist groß: So enthalten laut einer Studie des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen elf Kilogramm Smartphones die gleiche Menge Gold wie eine Tonne Golderz.
Beim Recycling muss noch vieles verbessert werden. So beschränkt sich die globale Recyclingkapazität beispielsweise nur auf zirka 25–35 Prozent des Elektroschrotts, und dessen Mengen steigen rasant an. Die Recyclingraten erreichen nicht den Umfang, der technisch bereits möglich wäre. So liegt die Recyclingrate bei einigen Rohstoffen wie Gallium oder Siliziummetallen, welche die EU sogar als kritisch oder strategisch einstuft, bei null. Dies hat verschiedene Ursachen. Einige Beispiele: Für die wenigsten Produkte gibt es leicht zugängliche, gut funktionierende Sammelsysteme. Produkte werden zudem häufig so gebaut, dass sie kaum auseinandergenommen werden können. Metalle werden in Legierungen genutzt, die es schwer machen, sortenreine Materialströme im Recycling zu erreichen. Sie kommen oft in kleinsten Mengen vor, wie zum Beispiel in elektronischen Tags in Kleidung oder Spielzeug. Einige aufwändige, aber effektive Recyclingverfahren werden nicht großflächig angewendet, weil sie als nicht wirtschaftlich gelten.
Nutzungsdauer maximieren und Ressourcenbedarf reduzieren
Diese Grenzen des Recyclings machen deutlich, dass die Kreislaufwirtschaft auf andere Maßnahmen setzen muss. Laut Abfallhierarchie sollen zunächst alle Optionen zur Abfallvermeidung und Wiederverwendung ausgeschöpft werden. Die Kreisläufe müssen also verlangsamt werden: Produkte und Infrastruktur müssen so lange wie möglich genutzt werden, um ressourcenintensive Neuproduktionen zu minimieren. Produkte müssen so designt sein, dass sie langlebig und gut reparierbar sind. Die Politik hat die Aufgabe, die Bedingungen für eine lange Nutzung und Reparatur zu fördern. Am Beispiel von Elektronikgeräten sieht man jedoch, dass viele Unternehmen die kurze Nutzungsdauer ihrer Produkten bewusst vorantreiben. Nicht ersetzbare Verschleißteile, fehlende Bereitstellung von Softwareupdates und aggressives Marketing sind einige Beispiele für entsprechende Strategien, zum Beispiel im IT-Sektor. Abgesehen von Abfallvermeidung und Wiederverwendung muss auch der Rohstoffbedarf reduziert werden, um Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen durch Bergbauprojekte vorzubeugen und eine bessere Versorgungssicherheit zu erreichen. Dazu benötigen wir Strategien, die über eine Kreislaufwirtschaft hinausgehen: Dazu gehört eine Mobilitätswende, die auf weniger und kleinere Autos mit kleineren Batterien setzt; dazu gehört eine Praxis, die Produkte teilt und verleiht, anstatt sie immer wieder neu zu kaufen.
Politische Prozesse hin zu einer Kreislaufwirtschaft
Auch die Politik denkt hier leider noch nicht ausreichend um. Recycling steht weiterhin zu oft im beinah (alleinigen) Fokus, wenn es um Kreislaufwirtschaft geht – insbesondere auch dann, wenn die Finanzierung dafür zur Verfügung gestellt wird. Es sind auch politisch einige Schritte in die richtige Richtung zu beobachten, leider gehen sie noch nicht weit genug: Mit einer Ökodesignverordnung möchte die EU langlebiges, reparatur- und recyclingfähiges Produktdesign verpflichtend machen. Sie plant zudem eine Richtlinie zur Förderung von Reparaturen – der Vorschlag der Kommission vernachlässigt jedoch zentrale Barrieren für Reparaturen wie beispielsweise teure und schwer zugängliche Ersatzteile.
Das Umweltministerium erarbeitet aktuell eine nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie. Dies ist eine große Chance, um Strategien zur langen Nutzung und Wiederverwendung sowie zur Reduktion des Bedarfs voranzutreiben und zu stärken. Das für die Strategie erstellte Grundlagenpapier nährt jedoch Sorgen, dass der Fokus im Detail und in der Finanzierung wieder auf dem drittbesten Weg liegen könnte: dem Recycling.
Der Beitrag erschien zuerst in Böll.Thema, dem Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung.
Autor:innenLuisa Denter (Germanwatch), Johanny Sydow (Böll-Stiftung) |