Weltklimakonferenz: „Insgesamt starkes Signal“ aus Dubai
Dubai/Berlin (13. Dez. 2023). Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch zieht ein überwiegend positives Fazit der Weltklimakonferenz in Dubai. Der Abschlusstext enthalte zwar Schwächen, sende aber auch in zentralen Bereichen starke Botschaften. „Die COP28 sendet insgesamt ein starkes Signal an die Welt. Erstmals fordert eine Weltklimakonferenz alle Staaten auf, die Wende weg von Kohle, Öl und Gas zu organisieren. Das ist ein wichtiger Schritt“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Historisch ist dieser Schritt allerdings nur, wenn in den nächsten Jahren tatsächlich weltweit ein massives Herunterfahren von Kohle, Öl und Gas erfolgt.“
Entsprechende Aktivitäten für die Abkehr von fossilen Energien sollen laut Beschluss in diesem entscheidenden Jahrzehnt, also bis 2030, beschleunigt werden. Dies wird untermauert durch die Aufforderung, zur Umsetzung der sehr ambitionierten globalen Ziele für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz beizutragen. Diese Ziele sehen eine Verdreifachung der heute installierten Erneuerbaren Energien und eine Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030 vor. Um dieses Ziel zu Hause umzusetzen, müssen die EU-Mitgliedsstaaten – Deutschland eingeschlossen – allerdings noch ihre Hausaufgaben machen. Stand heute ist die EU weit weg von einem Kurs, ihr neues Erneuerbaren-Energien-Ziel für 2030 von 42,5 bis 45 Prozent Anteil am Energiemix zu erreichen. Bals: „Auch die EU ist jetzt in der Pflicht, alles dafür zu tun, dass die globalen Treibhausgas-Emissionen tatsächlich bis 2030 um 43 Prozent gegenüber 2019 sinken, so wie es die Wissenschaft für einen 1,5 Grad-Pfad fordert. Nicht nur die kleinen Inselstaaten haben Zweifel, dass alle Staaten dabei an einem Strang ziehen. Die Akzeptanz von Gas als Brückentechnologie im Beschlusstext kann große Schlupflöcher öffnen.“
Globale Bestandsaufnahme: EU müsste bis 2040 treibhausgasneutral werden
Zum ersten Mal ging es darum, den Ambitionssteigerungsmechanismus des Pariser Klimaabkommens in Gang zu setzen, weil die nationalen Klimaziele noch nicht ausreichen, um die Klimaziele von Paris umzusetzen. Die erste globale Bestandsaufnahme überhaupt ist die Hauptentscheidung der COP28. Sie soll als Basis für die 2025 einzureichenden neuen nationalen Klimapläne (NDCs) dienen. Dafür wurden nun eindeutige Leitlinien vereinbart. „Die globale Bestandsaufnahme drängt die Regierungen dazu, ihre nächsten Klimapläne an der 1,5 Grad-Grenze auszurichten”, erläutert Petter Lydén, Bereichsleiter Internationale Klimapolitik bei Germanwatch. „Insbesondere verletzliche Länder und einige Industrieländer, darunter Deutschland, haben sich stark für ein ambitioniertes Ergebnis der Bestandsaufnahme eingesetzt.“
Die nun beschlossene globale Abkehr von der Nutzung fossiler Energien würde im Sinne der gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortung der Staaten für die EU eigentlich bedeuten, die Verstromung von Kohle bis 2030 einzustellen und wenige Jahre später zu einem weitgehend fossilfreien Stromsektor zu kommen. Spätestens bis 2040 müsste die EU nach diesem Prinzip der fairen weltweiten Verteilung der Verantwortung eigentlich treibhausgasneutral werden. Die Schwellenländer müssten diese Entwicklungen jeweils etwa zehn Jahre später vollziehen.
Es ist positiv, dass die globale Bestandsaufnahme im Bereich Waldschutz nicht nur Entwaldung, sondern auch ein Ende der Walddegradierung bis 2030 zum Ziel hat. Dabei sollen Maßnahmen gegen Entwaldung und Walddegradierung soziale Aspekte berücksichtigen und somit zu einer nachhaltigen Entwicklung und der Armutsbekämpfung beitragen.
Arbeitsprogramm für Emissionsminderung mit großen Schwächen
Es war interessant zu sehen, dass insbesondere reiche Ölländer verhindern wollten, dass ein wirkungsvolles Programm zur Umsetzung der Klimaziele (Mitigation Work Program (MWP)) beschlossen wurde. So gelang es nicht, zentrale Kernbotschaften und Lösungsvorschläge, die während der Globalen Dialoge dieses Jahr identifiziert worden waren - etwa für den Verkehrssektor - in der formalen Entscheidung zum MWP zu benennen. Damit fehlt der Globalen Bestandsaufnahme nun ein wichtiger Umsetzungsmechanismus.
Historische Operationalisierung des Fonds für Schäden und Verluste
Die Anpassungsfähigkeit und Resilienz gegenüber den Folgen der Klimakrise zu stärken war der zweite wichtige Verhandlungsstrang auf der COP28. „Die historische Entscheidung zur Operationalisierung des Fonds für Schäden und Verluste am ersten Tag der Konferenz legt den Grundstein für mehr Klimagerechtigkeit. Die bisher zugesagten fast 700 Millionen US-Dollar sind ein erster Schritt. Aber noch wird die Größenordnung den Bedarfen nicht gerecht. Die Summe muss dringend massiv erhöht werden. Das notwendige Geld darf nicht die Unterstützung für andere bestehende Verpflichtungen schmälern. Es muss neu und zusätzlich auf den Tisch gelegt werden”, betont Vera Künzel, Referentin für Anpassung an den Klimawandel und Menschenrechte bei Germanwatch.
Globales Anpassungsziel in vielen Teilen zu schwach
Ein zentrales Anliegen der Ärmsten und gegenüber der Klimakrise Verletzlichsten war das Rahmenwerk zum Globalen Anpassungsziel. Rixa Schwarz, Bereichsleiterin für Internationale Klimapolitik bei Germanwatch, kritisiert: „Die Ausgestaltung des globalen Anpassungsziels von Paris ist mit dem neuen Rahmenwerk zu schwach ausgefallen. Die thematischen Unterziele zu unter anderem Ernährungssicherheit, Gesundheit, Armutsbekämpfung, Ökosysteme und Infrastruktur wurden nicht konkret genug ausformuliert und nicht quantitativ untermauert. Diese Lücke muss nun in einem neuen zweijährigen Arbeitsprogramm zu Indikatoren für die Unterziele geschlossen werden. Das Globale Anpassungsziel liefert den Ländern längst noch nicht die nötige Orientierung für ihre regionalen Anpassungsmaßnahmen und deren Umsetzung für den deutlich verbesserten Schutz für die von der Klimakrise am meisten betroffenen Länder und Menschen.“ Anzusetzen ist aber neben den thematischen Unterzielen bei grundsätzlichen Prinzipien wie den Menschenrechten und der transformativen Anpassung, die in der Entscheidung enthalten sind. Da Anpassungspläne von allen Ländern umgesetzt werden müssen, hat auch Deutschland hier Hausaufgaben zu erledigen.
Massive Lücke in der Klimaanpassungsfinanzierung
„Der Fortschritt für die Finanzierung von Schäden und Verlusten wurde von einem deutlichen Rückgang der Anpassungsfinanzierung durch die Industrieländer und einer sich drastisch weitenden Anpassungsfinanzierungslücke überschattet. Die Industrieländer haben es in Dubai versäumt, diesem Abwärtstrend ein deutliches Zeichen entgegenzusetzen. Deutschland hat sich zwar erneut für den wichtigen Anpassungsfonds stark gemacht, konnte aber den Großteil der Industrieländer und reichen Ölstaaten hier nicht zum Mitziehen bewegen“, kritisiert Julia Grimm, Referentin für Klimafinanzierung und Anpassung bei Germanwatch.
„Kommendes Jahr wird es bei den Verhandlungen um die Klimafinanzierung für die Zeit nach 2025 zum großen Finanzshowdown kommen. Die enorme Lücke zwischen Finanzierungsbedarfen der Entwicklungsländer und verfügbaren Geldern wurde im zentralen Beschluss klar benannt. Drei zusätzliche Termine sollen jetzt die Verhandlungen für nächstes Jahr vorbereiten. Mehr konnte dieses Mal nicht geschehen, denn alle Länder haben bereits auf die große Entscheidung im kommenden Jahr geschielt”, sagt David Eckstein, Referent für Klimafinanzierung und Investitionen bei Germanwatch. Fraglich ist, woher die dringend notwendige Klimafinanzierung kommt.
Zentrale Bedeutung für die weitere Handlungsfähigkeit Deutschlands in der internationalen Klimadebatte hat die Budgetdebatte in Deutschland: “Für den Fortgang der weltweiten Transformation muss auch in der Haushaltsdebatte und künftigen Haushaltsplanung der wachsende deutsche Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung gesichert werden. In einer zunehmend multipolaren Welt stärkt dies Deutschlands Glaubwürdigkeit und das Auftreten als Partner. Einen Beitrag dazu können auch neue Finanzquellen wie globale Abgaben auf Emissionen aus der Schifffahrt oder die Übergewinne der fossilen Unternehmen leisten”, sagt David Ryfisch, Co-Bereichsleiter für Internationale Klimapolitik bei Germanwatch.