Pressemitteilung | 27.11.2023

Weltklimakonferenz muss weltweiter Polarisierung und Angriff fossiler Lobby trotzen

Germanwatch zur COP28: Staatengemeinschaft muss trotz herausfordernder Spannungen und Kriege für Klimaschutz und Resilienz zusammenrücken / Globale Bestandsaufnahme muss Prozess für Zielerreichung einleiten
Pressemitteilung

Bonn/Dubai (27. Nov. 2023). Die am Donnerstag beginnende Weltklimakonferenz COP28 findet unter extrem herausfordernden geopolitischen Vorzeichen statt. Sie steht im Schatten von Kriegen in Nahost und der Ukraine sowie einer weltweiten Polarisierung – nicht zuletzt zwischen den beiden größten CO2-Emittenten China und USA. Diese Ausgangssituation darf nach Ansicht der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch nicht dazu führen, dass entschlossene Schritte zu einem Pfad zur Einhaltung des 1,5-Grad-Limits und zur solidarischen Bewältigung der Folgen der Klimakrise ausbleiben. „Die Staatengemeinschaft muss zeigen, dass sie trotz aller Spannungen bei der Überlebensaufgabe Klimakrise zusammenrückt. Deutschland und die EU müssen helfen, eine globale Allianz zu schmieden, um endlich die Blockade der Öl-, Gas- und Kohlelobby zu überwinden, die für das fossile Wirtschaftsmodell einen gesunden Planeten opfert. Wir brauchen zum einen einen bindenden Beschluss, Erneuerbare Energien und Energieeffizienz bis 2030 weltweit massiv hoch sowie gleichzeitig Kohle, Öl und Gas massiv herunter zu fahren. Zum anderen gilt es, den Fonds für die nicht mehr vermeidbaren Schäden und Verluste infolge der Klimakrise handlungsfähig zu machen“, betont Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Der Grundsatz muss sein: Das Unbewältigbare vermeiden und das inzwischen Unvermeidbare bewältigen.“



Entscheidend für die Dynamik des Gipfels in Dubai wird nach Ansicht von Germanwatch sein, ob es gelingt, die bereits existierende High Ambition Coalition (HAC) so zu vergrößern, dass sie bezüglich Klimaschutz, Klimaanpassung und -finanzierung den notwendigen Druck auf alle großen Emittenten ausüben kann, um diese zu ambitionierten Schritten zu treiben. Christoph Bals: „Es untergräbt nicht nur den Klimaschutz, sondern auch die eigenen Interessen, dass Deutschland nicht bereits die letzten zwei Erklärungen der sich aufbauenden High Ambition Coalition unterschrieben hat. Bundeskanzler Scholz sollte diesen Schritt zu Beginn der Weltklimakonferenz endlich gehen und damit ein dringend notwendiges Signal an die Weltgemeinschaft setzen.“



Ein Realitäts-Check mit Leitlinien für neue Klimaziele



Ein Kernelement der COP28 wird die erste Runde des Mechanismus zur Nachbesserung der Ziele des Pariser Klimaabkommens sein. Die globale Bestandsaufnahme dafür wird nun abgeschlossen. Sie überprüft alle fünf Jahre, wie groß die Lücke beim Handeln der Vertragsstaaten für die Umsetzung des Pariser Abkommens ist – und wie diese geschlossen werden kann. Bisher ist klar: Die Welt hat sich zwar seit 2015 von einem 4-Grad-Pfad auf einen 2,7-Grad-Pfad bewegt – aber sie ist noch weit entfernt von einem Pfad zum 1,5 Grad-Limit. Auch eine Begrenzung der Erderhitzung auf „deutlich unter 2 Grad“ – das Minimalziel von Paris - ist bisher nicht in Reichweite.



„Bei der Klimakonferenz brauchen wir eine ehrgeizige und entschlossene Reaktion auf die globale Bestandsaufnahme. Die Staaten müssen zeigen, dass sie den Weg zum Erreichen der Pariser Klimaziele nun ernsthaft einschlagen wollen und wie sie dies tun wollen“, fordert Petter Lydén, Bereichsleiter für Internationale Klimapolitik bei Germanwatch. „Dies erfordert schon auf der COP28 eine klare Zusage der Staaten, ihre Klimaziele, die sie 2025 der Klimakonferenz neu vorlegen müssen, deutlich zu verbessern. Das Treffen der Staats- und Regierungschefs in den ersten Tagen der Weltklimakonferenz bietet eine große Chance, mit klaren Willensbekundungen den Weg zu solchen Entscheidungen zu ebnen.“



Ein Energiepaket mit klaren Zielen



Viele Staaten haben bereits signalisiert, einen Beschluss über Ziele für den globalen Ausbau von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz zu unterstützen. „Die Zielsetzung, bis 2030 den Ausbau von erneuerbaren Energien mindestens zu verdreifachen und die Energieeffizienz mindestens zu verdoppeln, wäre eine wegweisende Entscheidung der COP“, so Lydén. Zudem müsse die Sprache zum Herunterfahren der fossilen Brennstoffe deutlich nachgeschärft werden. „Vor zwei Jahren, auf der COP26, haben sich die Vertragsstaaten lediglich auf das schrittweise Herunterfahren von Kohle einigen können. Diesmal brauchen wir dringend den Beschluss, den Einsatz von Kohle, Öl und Gas bis 2030 zu halbieren und dann schnellstmöglich sowie sozial gerecht aus allen fossilen Brennstoffen vollkommen auszusteigen“, fordert Lydén.



Ein handlungsfähiger Fonds zum Umgang mit Schäden und Verlusten



Die Etablierung des Fonds zum Umgang mit Schäden und Verlusten auf der letzten Weltklimakonferenz war ein historischer Durchbruch. „Der neue Fonds für Schäden und Verluste muss auf der COP28 handlungsfähig gemacht werden. Nach jahrelanger Blockade des Themas - insbesondere durch viele Industrieländer - müssen jetzt endlich Fortschritte zur Unterstützung der gegenüber der Klimakrise verletzlichsten Länder und Menschen erzielt werden. Nur so kann das infolge lange Zeit nicht eingehaltener Zusagen zur Klimafinanzierung gesunkene Vertrauen der Entwicklungsländer wiederhergestellt werden. Scheitern die Verhandlungen um den Fonds, droht die Klimakonferenz in Dubai auch bei anderen zentralen Themen zu scheitern“, sagt Laura Schäfer, Referentin für Klimarisikomanagement bei Germanwatch. „Zusätzlich brauchen wir konkrete Finanzzusagen für den Fonds - denn ein leerer Fonds hilft niemandem. Deutschland sollte hier einen angemessenen ersten Beitrag versprechen. Der Gastgeber Vereinigte Arabische Emirate, der seinen Reichtum auf fossilen Quellen aufgebaut hat, könnte zudem andere Staaten mitziehen, wenn er selbst mit einem Beitrag ambitioniert vorangeht.“



Konkretisierung des Anpassungsziels



Auch zur Ausgestaltung des globalen Anpassungsziels erwartet Germanwatch eine wichtige Entscheidung auf der COP28. Das zu beschließende Rahmenwerk zu globaler Anpassung an Klimawandelfolgen soll das Anpassungsziel aus dem Pariser Klimaabkommen präzisieren und messbar machen. „Die Ausgestaltung des globalen Anpassungsziels soll den Ländern als Orientierung für ihre regionalen Anpassungsmaßnahmen dienen und damit eine Ausweitung der Anpassungsfinanzierung ermöglichen, die bisher völlig unzureichend ist“, erklärt Rixa Schwarz, Co-Bereichsleiterin für Internationale Klimapolitik bei Germanwatch. „Es geht darum, einen besseren Schutz für die von der Klimakrise am meisten betroffenen Länder und Menschen zu ermöglichen.“