Blogpost | 22.11.2023

Forderungen für ein COP28-Energiepaket

Der Globale Süden braucht finanzielle Unterstützung für den Ausbau der Erneuerbaren
windmill and power station

Dringender Handlungsbedarf zum Start der COP28

Die 28. UN-Klimaverhandlungen (COP28) finden vom 30. November bis 12. Dezember 2023 in Dubai statt. Die Präsidentschaft haben die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) inne. Ein Land, das als einer der größten Öl- und Gasexporteure weltweit auf Kosten des Klimas enormen Reichtum angehäuft hat. Zudem ein Land mit horrenden pro-Kopf-Emissionen und gänzlich unzureichenden Klimazielen. Bisher verkaufen die VAE fossile Energieträger als Teil der Lösung. Es beunruhigt daher, dass den Verhandlungen der CEO der staatlichen Ölgesellschaft ADNOC vorsitzt. Die COP28 könnte zu einer Messe fossiler Scheinlösungen werden, indem zum Beispiel die Carbon Capture and Storage (CCS)-Technologie als Allheilmittel beworben wird.

Klar ist: Die globalen CO₂-Emissionen müssen bis 2030 fast halbiert werden, damit die Welt die 1,5-Grad-Grenze nicht überschreitet. Rund drei Viertel der globalen Emissionen gehen auf die Verbrennung fossiler Energieträger zurück. Laut dem Emission Gap Report des UN Environment Programme im Oktober 2023 führen aktuelle Planungen fossiler Fördermengen zu einem weltweiten Anstieg der Kohleproduktion bis 2030, der Öl- und Gasproduktion sogar bis mindestens 2050. Um die 1,5-Grad-Grenze nicht zu überschreiten, ist ein harter Kurswechsel unabdingbar. Energie ist dabei ein Weichensteller. Ohne einen schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien und einen raschen, vollständigen Ausstieg aus fossilen Energieträgern werden wir sämtliche Klimaziele verfehlen. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat wiederholt gewarnt, dass die fossile Infrastruktur nicht weiter ausgebaut werden darf.

Mut macht der Ausbau von Erneuerbaren Technologien, z. B. Batterien, Elektromobilität und Wärmepumpen. Er hat in den letzten Jahren exponentiell zugenommen. Allerdings ist diese Entwicklung weiterhin zu langsam. Zur Erreichung der Klimaziele benötigen wir global etwa eine Verdreifachung der jährlichen Investitionen in Erneuerbare. Die Länder des Globalen Südens sind im Übrigen vom exponentiellen Trend der Erneuerbaren bisher abgeschnitten. So wurden nur 2 % der weltweiten Investitionen in Erneuerbare Energien in Afrika getätigt, obwohl dort rund 20 % der Weltbevölkerung leben und sich dort über etwa 60 % der besten Solarstandorte weltweit befinden. Die am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries, LDCs) für sich genommen zeichnen ein noch düsteres Bild: Weniger als 1 % der globalen Investitionen in Erneuerbare zwischen 2013 und 2020 wurden hier getätigt.

Sollten reiche Länder wie Deutschland den Globalen Süden nicht erheblich umfangreicher unterstützen, droht er beim Ausbau der Erneuerbaren weiter zurückzufallen. Auch die Energiearmut ist ohne weitere finanzielle Unterstützung nicht zu überwinden. Viele Länder des Globalen Südens sind hochverschuldet. Hohe Zinsen wiederum behindern den Ausbau von Erneuerbaren. Fossile Infrastrukturen bleiben leider auch im Globalen Süden weiterhin attraktiv, da sie mit niedrigeren Anfangsinvestitionen verbunden sind.

Das Energiepaket zum Kurswechsel

Die COP28 muss daher ein starkes Signal für den beschleunigten Ausbau von Erneuerbaren Energien und für den zügigen Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen senden – überall und für alle. Dazu braucht der Energiesektor ein starkes, verbindliches Energiepaket. Es sollte im Wesentlichen vier Punkte umfassen:

1. Ausstieg aus den Fossilen Energien

Die COP28 muss einen fairen, vollständigen und schnellen Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen – Kohle, Öl und Gas – bis spätestens 2050 beschließen. Auch die Subventionen für fossile Brennstoffe müssen enden. Erneuerbare Energien werden die fossilen Brennstoffe über kurz oder lang verdrängen, da sie bereits heute deutlich billiger sind als Kohle, Öl und Gas. Es braucht aber einen konkreten Plan, der einen kontrollierten Rückgang bis zum Ausstieg vorzeichnet. Industrieländer müssen dabei schneller aussteigen und die Länder des Globalen Südens finanziell unterstützen. Der Einsatz von CCS sollte dabei auf das absolut Notwendige reduziert werden (z. B. industrielle Prozessemissionen), indem alle weiteren Optionen schnellstmöglich vorangetrieben werden (z. B. Ausbau der Erneuerbaren Energien oder Energieeffizienz).

2. Globale Ziele für Erneuerbare und Effizienz

Die COP28 sollte ein globales Ziel für die Verdreifachung der fairen, sicheren und sauberen Kapazitäten für Erneuerbare Energien auf über 11.000 Gigawatt bis 2030 festlegen. Dazu gehört ein Ziel für die Verdopplung der jährlichen Energieeffizienzsteigerungen auf über 4 % jährlich bis 2030. Ohne diesen raschen Zubau von Erneuerbaren Energien ist der zügige Ausstieg aus fossilen Energien und die Überwindung der katastrophalen Energiearmut im Globalen Süden nicht möglich. Insbesondere wenn dabei die Vereinbarungen zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung bis 2030 gewürdigt werden sollen.

Dabei gilt: Je größer die Steigerung der Energieeffizienz, desto geringer der Bedarf an Erneuerbaren Energien und desto schneller der vollständige Ausstieg aus den fossilen. Bis 2050 muss der globale Energiebedarf um mindestens ein Viertel sinken und dabei ausgeglichen werden. Ärmere Menschen im Globalen Süden dürfen ihren Energiezugang und -verbrauch deutlich erhöhen; wohlhabende, verbrauchsstarke Menschen dagegen drastisch senken – vor allem in reichen Industriestaaten. Die Beschleunigung der Energieeffizienz bringt außerdem viele Vorteile. Eine Verdopplung der Effizienzfortschritte bis 2030 würde die Energiesicherheit erhöhen. Nebenbei würde dies Arbeitsplätze schaffen und den Zugang zu Elektrizität für viele Menschen fördern. Die globalen Ziele müssen zudem schnellstmöglich national ausformuliert und in Umsetzungspläne übertragen werden.

3. Just Transition

Der Ausbau Erneuerbarer Energien geht mit der Gefahr einher, Ökosysteme zu schädigen und Menschenrechte zu verletzen – ähnlich wie bei fossilen Energieträgern. Lithium, ein Rohstoff für Batterien, wird immer wieder auf Kosten der Natur sowie der Rechte indigener Völker abgebaut. Die Errichtung großer Solar-und Windfarmen kann zur Verletzung von Landrechten und Landnutzungskonflikten führen (z. B. Ackerbau gegen Viehhaltung). Die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff kann dazu führen, dass Exportinitiativen auf Kosten des lokalen Energiezugangs und der Energieversorgung bevorzugt werden.

Wir brauchen einen sozial gerechten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen sowie Ausbau von Erneuerbaren. Das Wohlergehen von Menschen und der Naturschutz müssen zusammen berücksichtigt werden. Hierfür braucht es strikte soziale und ökologische Leitlinien für den Energiesektor, z. B. der Schutz von Menschenrechten, von Land-, Wasser- und Meeresressourcen sowie die Beteiligung von Bürger:innen in der Entscheidungsfindung. Diese Leitlinien müssen Verbindlichkeit entfalten, z. B. indem sie in den Work Programmes on Just Transition Pathways der Klimarahmenkonvention UNFCCC festgelegt werden.

Die Just Transition im Globalen Süden ist ohne Bekämpfung der Energiearmut nicht umzusetzen. Noch heute fehlt knapp 700 Millionen Menschen der Zugang zu Strom. Über 2,6 Milliarden Menschen kochen und heizen mit „traditioneller Biomasse“ – mit erheblichen Gesundheitsfolgen. Der Zugang zu sauberer Energie muss hier angemessen und fair durch Finanzmittel der reicheren Länder ermöglicht werden.

4. Finanzierungspaket mit Schwerpunkt Globaler Süden

Die jährlichen globalen Investitionen müssen sich bis 2050 mindestens vervierfachen. Hierbei müssen reiche Länder mit hohen Emissionen die Länder des Globalen Südens unterstützen, z. B. durch Technologietransfer, Kapazitätsaufbau oder finanziell. Ohne eine deutliche Steigerung der finanziellen Mittel ist das hier vorgeschlagene Energiepaket weder im Globalen Süden noch Globalen Norden umzusetzen. Regierungen im Globalen Süden müssen jedoch besonders zu Investitionen in Energiezugang, Netze, Bildung oder den Aufbau grüner Industrie befähigt werden. Ohne deren staatliche Investitionen können letztlich auch die nötigen privaten Investitionen nicht steigen.

Neben finanzieller Unterstützung braucht es für die gerechte Energiewende auch eine umfassende Reform des globalen Finanzsystems. Viele Länder des Globalen Südens sind massiv verschuldet: der Anteil der Verschuldung an der Wirtschaftsleistung hat den Höchstwert seit Beginn des Jahrhunderts erreicht; Höchstwerte bei Schulden- und Zinstilgungen sind in den kommenden Jahren zu erwarten. In Afrika alleine sind 20 Länder akut vom Schuldennotstand bedroht. Dringenden Investitionen in Klima- und Naturschutz bleibt somit kein fiskalischer Spielraum. Weiterhin liegen Zinssätze für die Finanzierung von Erneuerbaren Energien in Schwellen- und Entwicklungsländern deutlich höher als in reichen Industrieländern. Generell sind die Kapitalkosten zu Ungunsten des Globalen Südens verzerrt, zum Beispiel werden Wechselkursrisiken oft überbewertet. Deshalb muss die internationale Finanzarchitektur umfassend reformiert werden.

Kurzfristig benötigen Länder des Globalen Südens weitreichende Schuldenerlasse (besonders vulnerable Ländergruppen) und eine deutlich erhöhte Bereitstellung von stark vergünstigten Krediten und Zuschüssen. Diese zusätzlichen Finanzmittel können zum Beispiel durch gezielte Steuern auf Sektoren wie den Luft- und Seeverkehr oder durch die Umwidmung von Subventionen für fossile Brennstoffe erbracht werden.

Lesen Sie auch die COP28-Forderungen eines Energiepakets von Brot für die Welt und Misereor.

Autor:innen

Kerstin Opfer, Joachim Fünfgelt, Madeleine Wörner, Petter Lydén

Ansprechpersonen

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Referentin Energiepolitik & Zivilgesellschaft - Afrika

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Bereichsleiter Internationale Klimapolitik

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Referent für Klimadiplomatie und Kooperation – Asien/China