Digitalisierung muss in ambitionierte Nachhaltigkeitsstrategien eingebettet werden
Berlin (17. Nov. 2023). Germanwatch begrüßt, dass beim am Montag beginnenden Digital-Gipfel der Bundesregierung die Potenziale der Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit breit diskutiert werden sollen. Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation fordert die Bundesregierung dazu auf, ihre Digitalstrategie an ambitionierten Nachhaltigkeitszielen auszurichten, damit die Digitalisierung nicht zum Brandbeschleuniger aktueller Krisen, sondern zum Teil der Lösung wird. Dazu müssen zum einen die Potenziale der Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit genutzt werden, zum anderen muss der Ressourcenbedarf der Digitalisierung reduziert werden.
Mit Digitalem Produktpass die Kreislaufwirtschaft beschleunigen
„Die Digitalisierung kann ein wichtiger Schlüssel für die Kreislaufwirtschaft und damit die Reduktion des Ressourcenverbrauchs sein. Dafür müssen aber die politischen Rahmenbedingungen stimmen“, meint Johanna Graf, Referentin für Digitalisierung und Klimaschutz bei Germanwatch. Der Digitale Produktpass ist dafür ein gutes Beispiel. Mit dem Pass sollen künftig Informationen zu Produkten, welche beispielsweise für Reparaturen oder Recycling benötigt werden, zwischen Akteuren der Wertschöpfungskette ausgetauscht werden. Zentral sei neben den Rahmenbedingungen wie zum Beispiel leichter reparier- und recyclebaren Produktdesigns auch die Gestaltung der Produktpässe, so Graf. „Damit der Pass wirklich zu mehr Kreislaufwirtschaft führt, muss sich die Bundesregierung beispielsweise dafür einsetzen, dass auch kleine Betriebe, die im Bereich Reparatur oder Wiederaufbereitung tätig sind, Zugang zu den von ihnen benötigten Informationen haben.“
Digitalisierung nachhaltig gestalten: Mehr Datentransparenz als Basis
Umgekehrt muss der ökologische Fußabdruck der Digitalisierung selbst reduziert werden. „Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie bietet jetzt die Chance, ressourcenschonende Digitalisierung voranzutreiben“, erklärt Luisa Denter, Referentin für zirkuläres Wirtschaften bei Germanwatch. „Dazu muss die Strategie ambitionierte Instrumente zur Stärkung von Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwendung von digitalen Geräten und Infrastruktur wie Server und Rechenzentren auf den Weg bringen. Da besteht dringender Handlungsbedarf. Die Menge der in der EU im Jahr 2021 neu in Verkehr gebrachten Elektro- und Elektronikgeräte ist im Vergleich zu 2012 um über 77 Prozent gestiegen“, führt Denter aus.
Für eine systematische Analyse der Klima- und Umweltfolgen der Digitalisierung fehlt derzeit die Datengrundlage. „Die Unternehmen sind bisher nicht verpflichtet, die erforderlichen Daten zu erheben und offenzulegen“, erklärt Lena Steltzner, Referentin für Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Demokratie bei Germanwatch. „Es gibt Studien, die davon ausgehen, dass der Energiebedarf der Digitalisierung jedes Jahr um 4 Prozent steigt, aber die genauen Zahlen kennen wir nicht. Die Bundesregierung muss deshalb für mehr Transparenz zum Energie- und Ressourcenverbrauch und anderen Umwelt- sowie Menschenrechtsauswirkungen von digitalen Produkten, Diensten und Plattformen sorgen“, fordert Steltzner. Das sei die Voraussetzung, um Dynamiken der Digitalisierung einschätzen, datenbasierte politische Entscheidungen treffen und nachhaltige Digitalisierung vorantreiben zu können.
Die Bundesregierung hat erstmals zivilgesellschaftliche Akteure auf den Digital-Gipfel eingeladen, darunter auch Germanwatch. Aufbauend auf diesem wichtigen Schritt ermutigt Germanwatch die Bundesregierung, auch ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen, zivilgesellschaftliche Akteur:innen strukturell in politische Prozesse rund um die Digitalisierung einzubeziehen.