CO2-Abscheidung darf nicht Grundlage neuer Geschäftsmodelle für fossile Energien werden
Berlin (4. Juli 2023). Mit Spannung erwartet Germanwatch die morgige Anhörung im Klima- und Energie-Ausschuss des Bundestags zur Abscheidung und Nutzung oder Deponierung von CO2 (Carbon Capture Use and Storage, CCUS). Aus Sicht der Umwelt- und Entwicklungsorganisation ist die öffentliche Anhörung wichtig, da bei diesem stark umstrittenen Thema ein möglichst breiter gesellschaftlicher Konsens erzielt werden sollte. Die jüngsten Entwicklungen im Stakeholder-Dialog der Bundesregierung zur Carbon Management Strategie (CMS) sowie beim Heizungsgesetz drohten aber die Grundlage für einen klaren Fahrplan Richtung Erneuerbare Energien zu konterkarieren.
Simon Wolf, Leiter des Bereichs Deutsche und Europäische Klimapolitik bei Germanwatch: „Seit Beginn des Dialogs zur Carbon Management Strategie ist uns von der Bundesregierung eine Definition von schwer vermeidbaren Restemissionen versprochen worden. Diese ist Voraussetzung, um den Einsatz von CCUS in Deutschland auf Industrien zu begrenzen, die keine anderen Optionen zur CO2-Reduktion haben. Aber auf diese Definition warten wir bis heute. Stattdessen bringen die jetzt vom Bundeswirtschaftsministerium vorgestellten Szenarien sogar CCS für die heimische Produktion von blauem Wasserstoff ins Spiel. Wenn dieser beim Heizen eingesetzt werden darf, so wie aktuell im Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes vorgesehen, dann wäre die Tür für eine massive Verlängerung fossiler Geschäftsmodelle weit geöffnet.“
Der Einsatz von blauem Wasserstoff stellt die möglichst schnelle und umfassende Transformation zu Erneuerbaren Energien infrage und ist klimapolitisch falsch, weil die CO2-Emissionen bei der Herstellung von blauem Wasserstoff nicht umfassend vermieden werden. Die Erdgas-Förderung ist zudem mit massiven weiteren Umweltproblemen verbunden.
Wolf weiter: „Das Ziel muss sein, so wenig CO2-Infrastruktur wie möglich zu bauen, aber dieses notwendige Mindestmaß auch schnell auf den Weg zu bringen. Es bringen sich aber zunehmend die potentiellen Erbauer einer CO2-Infrastruktur in Stellung, mit dem Ziel: Je mehr Infrastruktur, desto besser. Damit würden massiv Pfadabhängigkeiten geschaffen, die die notwendige Transformation hin zu Erneuerbaren Energien behindern.“
Bals: CCUS ist nur Option, wenn Vermeidung von CO2 nicht möglich ist
Auch der Antrag der CDU zu CCUS, der morgen im Energie-Ausschuss diskutiert wird, atme den Geist der Verlängerung des fossilen Systems, so Wolf. Der Antrag schlägt einen gleichrangigen Innovationswettbewerb zwischen Erneuerbaren Energien und CCUS vor und betont die Bedeutung der CO2-Abscheidung für den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft. „Aus der FDP-Fraktion waren jüngst sogar wieder Äußerungen zu hören, CCS auch bei konventionellen Kraftwerken einzusetzen. Dies würde die Akzeptanz für die gesamte Technologie zerstören“, warnt Wolf.
Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch, ergänzt: „Die Vorschläge von CDU und FDP stehen im Widerspruch zum wissenschaftlichen Konsens, dass es eine klare Priorisierung von Vermeidung von CO2 vor Nutzung und Deponierung geben muss. Ähnliche Dynamiken sehen wir auch auf internationaler Ebene. Die Vereinigten Arabischen Emirate als kommende Präsidentschaft der Weltklimakonferenz versuchen, ihre Agenda zur Verlängerung des Zeitalters von Öl und Gas mittels CCS massiv voranzutreiben. Wenn die Bundesregierung es ernst meint mit dem Klimaschutz, muss sie jetzt klarmachen, dass CCS nur dort zum Einsatz kommen kann, wo es keine anderen Möglichkeiten zur CO2-Reduktion gibt.“