Kanzler Scholz setzt sich bei Klimafinanzierung und globalem Finanzpakt selbst unter Zugzwang
Paris (23. Juni 2023). Bundeskanzler Scholz hat nach Einschätzung von Germanwatch beim Gipfel in Paris klare Akzente gesetzt. Allerdings kritisiert die Umwelt- und Entwicklungsorganisation auch, dass er die Themen Verschuldung im Globalen Süden und neue internationale Abgaben auf Emissionen ignorierte.
David Ryfisch, Leiter des Bereichs Internationale Klimapolitik bei Germanwatch und als Beobachter beim Gipfel: „Der Bundeskanzler hat drei wichtige Elemente ins Zentrum seiner Rede gestellt: die Erfüllung existierender Finanzierungsverpflichtungen wie der 100 Milliarden-Zusage für internationale Klimafinanzierung, die Reform der Entwicklungsbanken und ein vom Globalen Süden stark beachtetes neues Partnerschaftsmodell für grüne Wertschöpfungsketten. Der Bundeskanzler hat sich bei allen drei Punkten auch selbst unter Druck gesetzt. Nun wird er daran gemessen werden, ob er liefert.“
Allgemein haben beim Gipfel für einen Neuen Globalen Finanzpakt vor allem die Regierungschefs des Globalen Südens die Reform der Internationalen Finanzarchitektur vorangetrieben. „Leider hat Bundeskanzler Scholz einige vom Globalen Süden vorangetriebene Schlüsselthemen des Gipfels wie Verschuldung, neue globale Abgaben von CO2-Emittenten oder institutionelle Fragen schlichtweg ignoriert“, kritisiert Ryfisch.
Scholz betont Finanzierungsversprechen: Signal an Lindner
Nach Experteneinschätzungen wird das 100 Milliarden Dollar-Versprechen an die Länder des Globalen Südens in diesem Jahr endlich erreicht. Allerdings müssen dafür nun alle Zusagen auch eingehalten werden. Bundeskanzler Scholz stellte diese Forderung ins Zentrum seiner Rede. Ryfisch weist in diesem Zusammenhang auch auf einen innenpolitischen Konflikt hin: „Der Bundeskanzler geht damit in den Clinch mit Finanzminister Lindner. Die vom Finanzminister angepeilten massiven Haushaltskürzungen für das Entwicklungsministerium und das Auswärtige Amt dürfen internationale Verpflichtungen nicht untergraben. Die geplanten Kürzungen für das Auswärtige Amt um rund ein Drittel und das Entwicklungsministerium um knapp ein Viertel müssen damit umgehend überarbeitet werden.“
Gemeinsame Vision für multilaterale Entwicklungsbanken
Teilnehmende Länder haben sich überdies auf eine Vision für die multilateralen Entwicklungsbanken verständigt. Sie setzt auf mehr Kooperation zwischen den Entwicklungsbanken, zusätzliche Gelder durch die Banken mit existierenden und neuen Ressourcen, wie Sonderziehungsrechten, und auf einen neuen Umgang mit der Klima-Verletzlichkeit von Ländern wie Inselstaaten.
Der neue Weltbank-Präsident Ajay Banga hat nach Ansicht von Germanwatch bereits gezeigt, dass er die Institution verändern will. Jetzt muss sich zeigen, ob er diese Dynamik aufrechterhalten kann, um eine tiefgreifende Reform durchzusetzen. „Bundeskanzler Scholz hält die Dynamik für Entwicklungsbankenreformen aufrecht. Das ist wichtig. Entscheidend ist aber, dass sich Deutschland auch für tiefgreifende Reformen einsetzt. Die Weltbankreform ist der Lackmustest für die Reformagenda. Etwas Halbgares können wir uns nicht leisten“, so Ryfisch.
Sonderziehungsrechte des Weltwährungsfonds – also Zugriffsrechte auf Finanzierung zu vergünstigten Konditionen - spielten bei der Konferenz eine große Rolle. Auch die Bundesregierung trägt die Vision für Entwicklungsbanken mit, die eine freiwillige Nutzung dieser Rechte vorsieht. „Es liegt jetzt an Bundesbank und Europäischer Zentralbank, endlich ihre Positionen zur Weitergabe von Sonderziehungsrechten zu überdenken. Ohne die Unabhängigkeit dieser Institutionen in Frage zu stellen, sollten Bundeskanzler und Finanzminister die Bundesbank dazu auffordern, sich erneut intensiv mit der Verwendung von Sonderziehungsrechten zu beschäftigen.“
Scholz‘ Partnerschaftsmodell: Viel Zustimmung im Globalen Süden
Bundeskanzler Scholz hob hervor, dass sich die Weltgemeinschaft vom extraktiven Modell entfernen muss. Die Ressourcen für eine Klimatransformation dürften also nicht mehr nur aus dem Globalen Süden entführt werden und dann im Globalen Norden verarbeitet. Der Beitrag des Bundeskanzlers wurde von vielen Regierungschefs des Globalen Südens begrüßt. „Der Einsatz von Bundeskanzler Scholz für den Aufbau von grünen Wertschöpfungsketten im Globalen Süden ist ein potenzieller Wendepunkt zu mehr Gerechtigkeit und besseren Entwicklungschancen. Richtig umgesetzt, kann das der Transformation im Globalen Süden viel Dynamik verleihen. Der Bundeskanzler wird nun daran gemessen werden, inwieweit dieses neue Partnerschaftsmodell Realität wird“, betont Ryfisch.