Globaler Finanzpakt: Großer Wurf ist notwendig
Bonn/Paris (20. Juni 2023). An diesem Donnerstag und Freitag findet in Paris der Gipfel für einen Neuen Globalen Finanzpakt auf Ebene der Staats- und Regierungschefs statt. Nach Einschätzung der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch sollte der Gipfel den Startschuss geben für eine weitreichende Transformation der internationalen Finanzarchitektur. „Die bestehende Finanzarchitektur mit Weltbank und Weltwährungsfonds spiegelt die geopolitische Realität von vor 80 Jahren wieder. Sie ist den Herausforderungen unserer Zeit nicht gewachsen“, sagt David Ryfisch, Co-Leiter des Bereichs Internationale Klimapolitik bei Germanwatch und beim Gipfel als Beobachter vor Ort. „In Zeiten von Rekordgewinnen für fossile Konzerne, enormen Investitionsbedarfs in den Klimaschutz und sich zuspitzender Auswirkungen der Klimakrise brauchen wir ein neues Paradigma für die Finanzarchitektur.“
Der Pariser Gipfel wird sich mit Verschuldung, multilateralen Entwicklungsbanken, Instrumenten des Internationalen Währungsfonds, Solidaritätsabgaben und der Rolle des Privatsektors befassen. „Eine Reform, die tiefsitzende, etablierte Strukturen überwinden muss, gelingt natürlich nicht von heute auf morgen. Deshalb muss von Paris ein Signal des Aufbruchs ausgehen. Die Staats- und Regierungschefs müssen zeigen, dass sie bereit sind, das Schiff neu zu zimmern, anstatt den alten Kahn, der den heutigen Herausforderungen nicht gewachsen ist, immer wieder nur notdürftig zu flicken“, so Ryfisch weiter.
Schuldenlast verhindert oft mehr Klimaschutz
Eine zunehmende Anzahl an Ländern ist in einer Verschuldungsnotlage. Der durch die Vielzahl an Krisen – etwa Auswirkungen von immer häufigeren und heftigeren Extremwetterereignissen – massiv gewachsene Schuldenstand lässt vielen Staaten kaum noch Handlungsspielraum. Die hohen Kapitalzinsen verstärken das Problem. Dies verhindert auch dringend notwendige Investitionen in Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen der Klimakrise. „Immer mehr Länder des Globalen Südens haben gar nicht die Chance, sich entschieden für Klimaschutz und -anpassung zu entscheiden. Die erdrückende Schuldenlast lässt es nicht zu“, sagt Mariana Micozzi, Referentin für internationale klimakompatible Finanzflüsse bei Germanwatch und ebenfalls in Paris vor Ort.
Bundeskanzler Scholz hat bereits signalisiert, dass er bei Entschuldungsfragen vorangehen will. Kolumbiens Präsident Gustavo Petro hat vergangene Woche den Vorschlag gemacht, eine internationale Expert:innengruppe für Klima und Schulden einzusetzen. „Die Expertinnen und Experten könnten notwendige Vorschläge für weitreichende Veränderungen in der globalen Schuldenarchitektur liefern. Bundeskanzler Scholz könnte diese gemeinsam mit Kolumbien anführen. Das wäre weitreichender als einzelne Initiativen“, erklärt Micozzi.
Tiefgreifende Veränderung bei Entwicklungsbanken notwendig
Die multilateralen Entwicklungsbanken sind in ihren Strukturen weder für die Bewältigung der Klimakrise noch für den Umgang mit Vielzahl kurzfristig aufeinander folgender Krisen gestaltet. Zugleich gehören sie aber zu den wichtigsten Finanzierern im Globalen Süden. David Ryfisch: „Multilaterale Entwicklungsbanken können und müssen ein Mehrfaches für den Klimaschutz tun. Bisher bleiben sie nicht nur hinter ihren Möglichkeiten zurück – schlimmer noch: teilweise finanzieren sie noch immer fossile Energieprojekte.“
Die Weltbank hat bereits einen ersten Reformentwurf vorgelegt. Dieser soll bei den Jahrestagungen in Marrakesch im Herbst beschlossen werden. „Der Reformentwurf der Weltbank ist in verschiedener Hinsicht unzureichend. Der Veränderungswille der Bank scheint begrenzt“, kritisiert Ryfisch. „In Paris sollte Kanzler Scholz darauf pochen, dass es eine echte Transformation der Weltbank geben muss. Die Weltbank wird den Ton für andere multilaterale Entwicklungsbanken setzen. Etwas Halbgares kann sich die Weltgemeinschaft einfach nicht leisten.“
Schifffahrtssektor muss Beitrag für mehr Klimainvestitionen leisten
Die Schifffahrt verursacht rund drei Prozent der globalen Emissionen. Da der Sektor größtenteils im internationalen Raum operiert, ist er bisher weitgehend unbehelligt von Klimavorschriften geblieben. Nun wird im Rahmen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) über schärfere Vorgaben diskutiert. „Eine Abgabe auf Schifffahrtsemissionen wäre ein echter Schritt dahin, dass Verursacher auch tatsächlich für den Schaden aufkommen. Die Reedereien verdienten Milliarden, aber sie werden nicht die Schäden mitfinanzieren, die ihre Aktivitäten verursachen. Diese externen Kosten werden auf Mensch und Natur abgewälzt. Das kann und muss sich nun endlich ändern“, betont Ryfisch. „Der Bundeskanzler kommt aus Hamburg. Er weiß, was aus Schiffsschloten kommt. Er sollte sich in Paris hinter eine CO₂-Abgabe stellen, die wirklich Lenkungswirkung erzielen kann.“