Pressemitteilung | 14.06.2023

Studie: Nachtzüge könnten deutlich günstiger werden

Eine neue Studie der Umweltorganisationen Transport & Environment (T&E) und Back-on-Track Europe zeigt, dass zwei einfache Korrekturen an der Besteuerung von Nachtzügen Europäer:innen helfen könnten, Reisekosten und gleichzeitig auch Emissionen deutlich zu senken
Pressemitteilung

Berlin (14. Juni 2023). In der heute veröffentlichten Studie haben die Umweltorganisationen Transport & Environment (T&E) und Back-on-Track Europe untersucht, wie Nachtzugtarife günstiger werden können. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass zwei einfache Korrekturen einen erheblichen Einfluss auf die Ticketpreise haben können: ein Mehrwertsteuersatz bei 0 Prozent und eine  Reduzierung  der Trassennutzungsgebühren – die Gebühr, die Bahnunternehmen für die Nutzung der Schieneninfrastruktur zahlen müssen.

Insgesamt hat die Studie sieben grenzüberschreitende Bahnverbindungen in Europa analysiert. Sie zeigt, dass einfache Änderungen in der Besteuerung von Nachtzügen die Ticketpreise im Durchschnitt um 15 Prozent für Geschäftsleute, Familien und Alleinreisende senken könnten. Auf den Strecken Berlin–Neapel oder Amsterdam–Madrid könnte eine Einzelperson beispielsweise bis zu 43 bzw. 65 Euro  sparen. 

Jacob Rohm von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch sagt: “Nachtzüge erleben ein Comeback – und sie müssen die kostengünstigere Option für Reisende werden. Um das erwünschte goldene Zeitalter der Nachtzüge zu erreichen, muss die EU handeln und die Kosten senken. Das kann finanziert werden, indem die klimaschädlichen Subventionen für die Luftfahrt gestrichen werden. Die EU und Mitgliedstaaten haben die Instrumente zur Hand, um Nachtzugtickets erschwinglicher zu machen. Das erleichtert Bürgerinnen und Bürgern, sich für klimafreundliches Reisen zu entscheiden.

Erschwingliche Bahnreisen werden auch für Geschäftsreisende relevanter, da immer mehr Unternehmen versuchen, Emissionen durch ihre Geschäftsreisen zu reduzieren.  Auf der Strecke Berlin – Neapel könnten Geschäftsreisende in einer Einzelkabine laut Studie bis zu 163 Euro sparen [1].

Seit 2020 wurden in Europa ein Dutzend neuer Nachtzugverbindungen eröffnet, teilweise als Reaktion auf die wachsende Dringlichkeit, auf klimafreundliche Verkehrsträger umzusteigen. Bahnreisen sind im Durchschnitt 28 Mal weniger umweltbelastend als Flugreisen [2]. Doch hohe Kosten schrecken die Verbraucher oft ab. Eine Umfrage von Europe on Rail aus dem Jahr 2021 zeigt, dass 69 Prozent der Menschen bereit wären, einen Nachtzug zu wählen, wenn das Angebot “angemessen” wäre [3].

Die Preisgestaltung von Nachtzügen ist im Vergleich zu Billigflügen nachteilig, da sie von der zurückgelegten Strecke abhängt. So fallen auf langen Strecken hohe Kosten für die Nutzung der Bahninfrastruktur an. Bei der Luftfahrt liegen die Hauptkosten beim Starten und Landen, was Zügen auf kürzeren Strecken einen Vorteil verschafft. Die Luftfahrt profitiert wiederum von sehr niedrigen Steuersätzen: Internationale Flüge sind von der Mehrwertsteuer befreit; gleichzeitig wird auf internationale und EU-Flüge keine Kerosinsteuer erhoben.

Die EU plant, bis Jahresende Richtlinien für Bahnreisekosten zu veröffentlichen. Die Studie empfiehlt, dass Nachtzüge in Europa von der Mehrwertsteuerbefreiung und einer Reduzierung der Trassennutzungsgebühren profitieren sollten. Dies ist bereits in Frankreich der Fall, wo Nachtzüge als Marktsegment definiert sind, das von einem Teil der Trassennutzungsgebühren befreit ist.

Um die Entwicklung von Nachtzügen zu fördern, könnten die Mitgliedstaaten grenzüberschreitende Nachtzüge auch vollständig von den Trassenpreisen befreien. Dies ist bereits in Belgien der Fall, wo die Regierung Trassenpreise und Energiekosten für internationale Eisenbahnunternehmen erstattet. Gleichzeitig trägt der Ausbau von Nachtzügen dazu bei, die Nutzung bestehender Infrastruktur zu maximieren, so T&E.

Bernhard Knierim von Back-on-Track Germany sagt: “Die EU muss Verantwortung übernehmen, um Nachtzüge zur attraktivsten Option für Reisende zu machen, die den Kontinent durchqueren wollen. Zwei kleine steuerliche Anpassungen könnten eine große Auswirkung auf die Attraktivität des Bahnverkehrs in Europa haben. Es wäre ein Gewinn sowohl für das Klima als auch für die Geldbörsen der Bürger.

 

Germanwatch ist Mitglied des europäischen Dachverbands Transport & Environment.

Back-on-Track ist ein europäisches Netzwerk, das sich für mehr grenzüberschreitenden Bahnverkehr, insbesondere Nachtzüge, als echte Alternative zum Flugverkehr engagiert.

[1] Auf dieser Strecke fährt aktuell kein Nachtzug. Sie wurde beispielhaft für die Modellrechnungen gewählt.