Große Anspannung vor Klimaverhandlungen in Bonn
Bonn (2. Juni 2023). Die am Montag beginnenden Zwischenverhandlungen in Bonn läuten nach Einschätzung der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch herausfordernde Verhandlungsmonate ein. David Ryfisch, Leiter des Bereichs Internationale Klimapolitik, sieht vor allem zwei Knackpunkte: „Alles deutet darauf hin, dass die Vereinigten Arabischen Emirate als kommende Präsidentschaft der Weltklimakonferenz versuchen werden, ihre Agenda zur Verlängerung des Zeitalters von Öl und Gas massiv voranzutreiben. Zugleich war schon der vergangene Klimagipfel über lange Zeit von einer Spaltung zwischen Globalem Norden und Süden geprägt, die wir uns nicht leisten können. Wir brauchen eine Allianz progressiver Staaten, die in Bonn die Grundlage für eine Weltklimakonferenz legt, in der sich falsche Versprechen zur Verlängerung fossiler Energiegewinnung nicht durchsetzen.“
Globales Ausbauziel kann Erneuerbaren Schwung geben
Erstmals findet dieses Jahr der Prozess zur globalen Bestandsaufnahme – also die Untersuchung, wie weit die Weltgemeinschaft noch von den Zielen des Pariser Klimaabkommens entfernt ist – seinen Höhepunkt. In Bonn findet der dritte und damit letzte Expertendialog statt. „Die globale Bestandsaufnahme ist Kernstück des Pariser Abkommens. Wichtig ist, dass nicht nur zurückgeschaut wird, sondern klare Empfehlungen für den weiteren Weg zum Erreichen der Ziele formuliert werden“, erklärt Kerstin Opfer, Referentin für Energiepolitik und Zivilgesellschaft bei Germanwatch.
Um das Pariser Abkommen noch einhalten zu können, müssen die Emissionen bis 2030 weltweit um mindestens 43 Prozent sinken (bezogen auf 2019). Ein entscheidender Faktor dafür ist ein stark beschleunigter Ausbau der Erneuerbaren Energien. Opfer betont: „Wir brauchen bei der Klimakonferenz Ende des Jahres einen Beschluss zum Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, verbunden mit einem globalen Ausbauziel für Erneuerbare Energien, wie es seit dem Petersberger Klimadialog diskutiert wird. Es muss aber klar sein, dass der Globale Süden Unterstützung bei der Transformation seiner Energiesysteme benötigt. Partnerschaften, wie Deutschland sie kürzlich mit Kenia abgeschlossen hat, sind dafür der richtige Weg. Die CCS genannte CO2-Abscheidung und –speicherung, für die die kommende COP-Präsidentschaft so massiv wirbt, sind hingegen in Energiesystemen ein teurer Irrweg, der fossile Geschäftsmodelle auf längere Zeit zementiert und somit das Problem nicht löst. CCS sollte nur in der Industrie in den Fällen zum Einsatz kommen, in denen eine schnelle Dekarbonisierung nicht möglich ist.“
Kritische Fragen zur Klimafinanzierung stehen bevor
Ein großer Durchbruch gelang bei der vergangenen COP bei Zusagen zur Finanzierung im Umgang mit Schäden und Verlusten. Die Verhandlungen zur Struktur eines künftigen Fonds für Schäden und Verluste laufen bereits. „Einen neuen Fonds binnen eines Jahres betriebsbereit zu machen, ist eine große Herausforderung. Noch sind allerdings die kritischen Fragen – wer bekommt Zugang zum Fonds, für welche Zwecke zahlt er aus und wer zahlt wie viel ein – kaum diskutiert worden. Bei diesen Streitfragen müssen die Zwischenverhandlungen vorankommen“, fordert Laura Schäfer, Referentin für Klima-Risikomanagement bei Germanwatch.
Beim Petersberger Klimadialog wurde zudem versprochen, die seit 2020 überfällige Zusage, jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung für den Globalen Süden bereitzustellen, in diesem Jahr endlich zu erreichen. Neben der Einlösung dieses Versprechens geht es bei den Bonner Klimaverhandlungen bereits um die Klimafinanzierung nach 2025. Ryfisch: „Die internationale Klimafinanzierung nach 2025 wird um ein Vielfaches höher ausfallen müssen. Noch ist in diese Richtung wenig erreicht. Ohne nennenswerte Fortschritte in Bonn besteht das Risiko, dass 2024 ein aus der Luft gegriffenes Finanzierungsziel zur Debatte steht, dessen Erreichung erneut höchst fraglich ist und das dem Bedarf trotzdem nicht Rechnung trägt. Das wäre fatal, denn die massive Verzögerung beim 100 Milliarden-Versprechen hat schon erheblich am internationalen Vertrauensfundament genagt.“