EU-Lieferkettengesetz: CDU setzt im Europaparlament Verwässerung durch
Berlin/Brüssel (25. April 2023). Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat heute seine Positionierung zum EU-Lieferkettengesetz beschlossen. Die Initiative Lieferkettengesetz begrüßt die Einigung, kritisiert aber die weitreichenden Abschwächungen, die Abgeordnete der CDU und CSU im Vorfeld durchgesetzt hatten. So sollen Konzerne laut Rechtsausschuss nicht unmittelbar für Schäden haften, die ihre ausländischen Tochterunternehmen verursacht haben. Die Vorschläge des Ausschusses gelten als wegweisend für die Abstimmung zum EU-Lieferkettengesetz im Europäischen Parlament am 1. Juni.
„Betroffene können kaum beweisen, dass europäische Unternehmen Menschenrechtsverstöße ihrer Tochtergesellschaften mitverursacht haben. Die Beweislast liegt aber auch nach dem Vorschlag des Rechtsausschusses allein bei den Kläger*innen. Für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen ist dies eine enorme Hürde beim Zugang zu Recht“, kritisiert Michelle Trimborn, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz.
„Wir begrüßen, dass der Rechtsausschuss den Vorschlägen der OECD folgt und eigenständige Umweltpflichten für Unternehmen vorlegt. Aber es ist völlig unverständlich, dass der Verweis auf zentrale internationale Abkommen – etwa was den Schutz der Biodiversität und des Weltnaturerbes betrifft – scheinbar willkürlich gestrichen wurde. Sachorientierte, an den ökologischen Grenzen des Planeten ausgerichtete Politik geht anders“, so Cornelia Heydenreich, Teamleiterin für Unternehmensverantwortung bei Germanwatch.
„Zwar will der Rechtsausschuss auch Banken, Versicherungen und institutionelle Investoren künftig zur menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfalt verpflichten. Allerdings beschränken sich die Sorgfaltspflichten auf Geschäftsbeziehungen mit direkten Großkunden. Damit wären Investitionen in kleinere Projekte, die mit Menschenrechtsverstößen verbunden sind, ausgenommen. Auch wurde der Vorschlag zu einer regelmäßigen Überprüfung auf bestehende Risiken abgeschwächt“, kommentiert Ulrike Lohr, Expertin für nachhaltiges Finanzwesen bei SÜDWIND.
„Positiv ist, dass der Rechtsausschuss explizit ablehnt, dass Unternehmen Haftungserleichterungen erhalten, wenn sie sich an Branchenstandards beteiligen oder bestimmte Zertifizierungen nutzen. Dennoch weist der Rechtsausschuss Auditoren und Zertifizierern eine wichtige Rolle zu, obwohl diese nach bisherigen Erfahrungen Gewerkschaften und Betroffene kaum einbinden und menschenrechtliche Risiken oftmals nicht aufdecken – wie auch vor zehn Jahren bei der Katastrophe in Rana Plaza. Umso problematischer ist es, dass keine Haftung für Zertifizierer vorgesehen ist“, bemängelt Livia Hentschel vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).
„Im Dezember letzten Jahres hatten Abgeordnete der Union im Rechtsausschuss Vorschläge eingebracht, welche die gesamte Richtlinie ausgehöhlt hätten. Und noch in der heutigen Sitzung haben zwei Abgeordnete der Union den Antrag gestellt, den Kommissionsvorschlag zum EU-Lieferkettengesetz komplett abzulehnen. Zwar wurde dieser Antrag abgelehnt. Dennoch ist es in erster Linie der CDU und CSU zuzuschreiben, dass die ursprünglich starken Vorschläge der Berichterstatterin Lara Wolters deutlich abgeschwächt wurden“, ergänzt Armin Paasch, Teamkoordinator für Verantwortliches Wirtschaften bei Misereor.