Zentrale klimapolitische Weichenstellungen nicht weiter vertagen: Koalitionsausschuss muss Ergebnisse liefern
Berlin (24. März 2023). Vor dem Koalitionsausschuss am Sonntag fordert die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch überfällige Kompromisse, die das Einhalten der gesetzlichen Klimaziele ermöglichen. „Diese Koalition hat am Sonntag die Chance, ihrem eigenen Anspruch wieder näher zu kommen: Als Fortschrittskoalition den Knoten für sozial verträglichen Klimaschutz und Innovation zu zerschlagen“, fordert Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch.
„Wir erwarten Dreierlei: Erstens als Reaktion auf den Rechtsbruch beim Klimaschutzgesetz insbesondere im Verkehrsbereich jetzt ein wirksames Klimaschutz-Sofortprogramm. Zweitens die Durchsetzung der bereits für letztes Jahr vom Bundeskanzler angekündigten Offensive bei der Energieeffizienz. Und drittens die dringend nötige Priorisierung der Schieneninvestitionen vor der Straße. Es ist gut, dass es in Bezug auf Heizungen und beim Ausstieg aus Verbrennermotoren nun Bewegung in Richtung Kompromisse gibt. Notfalls muss Kanzler Scholz mit seiner Richtlinienkompetenz dafür sorgen, dass dabei die Klimaschutzziele und die soziale Verträglichkeit nicht unter die Räder kommen.“
Großer Schaden in der EU bereits angerichtet
Germanwatch weist zudem auf den enormen Schaden hin, den die Blockade von Bundesverkehrsminister Wissing bereits jetzt in der EU angerichtet hat. Bals: „Viele Partner in europäischen Ländern berichten uns, wie sehr das Nein zu einem zu Ende verhandelten Text zum Aus des Verbrennungsmotors 2035 zu großem Vertrauensverlust in die Zuverlässigkeit der Europapolitik der Bundesregierung geführt hat. Bundeskanzler Scholz muss dafür sorgen, dass jetzt Deutschland dem ausgehandelten Text zustimmt - wie bereits vor Monaten vereinbart. Ein zusätzlicher delegierter Rechtsakt darf nur dort begrenzte Ausnahmen für efuel-Motoren für PKWs zulassen, wo es starke sachliche Gründe dafür gibt. “
Streitthemen Verkehr und Gebäude
Vergangene Woche haben auch die Emissionsdaten des Umweltbundesamtes den massiven Handlungsbedarf im Verkehrs- und Gebäudebereich aufgezeigt. Christoph Bals: „Im Verkehrsbereich geht es einerseits um schnelle Schritte zur Emissionsminderung. Zentral ist zum Beispiel eine Umgestaltung des Dienstwagenprivilegs, damit hierüber nur noch vollelektrische Autos gefördert werden. Zum anderem geht es auch um die überfällige langfristige Ausrichtung der Verkehrspolitik an den Klimazielen. Deutschland braucht eine klare Priorisierung der Schiene und ein Moratorium beim Aus- und Neubau von Fernstraßen. Der weitere Fernstraßenbau würde das Erreichen der Klimaziele im Verkehr auch in Zukunft untergraben.“
Im Gebäudebereich geht es vor allem um den bei Neubauten sofortigen und in Bestandsbauten schrittweisen Ausstieg aus dem Heizen mit Erdgas und Öl. „Wegen der langen Lebenszeiten solcher Investitionen ist es so wichtig, dass der Umstieg jetzt beginnt“, betont Bals. Und weiter: „Darüber hinaus brauchen wir ein großes Sanierungsprogramm nach dem Grundsatz „Worst First“. In Gebäuden, die vor der ersten Wärmeschutzverordnung 1977 gebaut wurden, lässt sich durch wärmepumpenfähige Sanierungen die meiste Energie einsparen. Dort rentieren sich Maßnahmen am stärksten. Aber gerade dort bedarf es auch einer sozialen Abfederung durch entsprechende Förderung, weil in diesen Häusern in der Regel eher die ärmere Hälfte der Bevölkerung lebt.“ Nach jüngsten Berichten könnte das Streitthema Heizen allerdings nach Annäherungen der Ministerien am Sonntag ausgeklammert werden.