Wie die Wasserzirkulation des Atlantischen Ozeans ihren Kipppunkt erreichen könnte
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Kipppunkte sind bestimmte Schwellenwerte im Klimasystem der Erde. Ihr Überschreiten führt zu abrupten und in der Regel irreversiblen Veränderungen in diesem System. In den letzten zehn Jahren hat die Forschung auf diesem Gebiet wichtige Fortschritte erzielt: Mittlerweile wissen wir, dass einige Kipppunkte in den nächsten Jahrzehnten überschritten werden könnten, was die ohnehin schon gefährliche Klimasituation drastisch verschärfen würde.
Kleine, allmähliche Veränderungen – z. B. ein globaler Temperaturanstieg – können bei Kipppunkten zu rapiden und extremen Reaktionen im Erdsystem führen. Die Folgen reichen von einem Temperaturanstieg, veränderten Niederschlagsmustern, einer Zunahme der Sturmintensität bis hin zu Überschwemmungen und Dürren und gehen sogar noch weiter als die bereits im Zusammenhang mit dem Klimawandel vorhergesagten Szenarien.
Die daraus resultierenden Veränderungen werden das Leben von Millionen von Menschen gefährden, vor allem in den am stärksten benachteiligten Weltregionen: Lebensgrundlagen werden wegfallen, Häuser werden zerstört, ganze Gemeinschaften werden zerbrechen und Menschen werden ihr Leben verlieren. Aufgrund der wachsenden Bedrohung werden zunehmend Forderungen nach einem sofortigen politischen Handeln laut, um die globalen Treibhausgasemissionen zu reduzieren und den besonders schutzbedürftigen Menschen zu helfen, sich auf ein feindlicheres Klima vorzubereiten.
In dieser Blog-Reihe werfen wir einen Blick auf vier der gefährlichsten Kipppunkte: den Amazonas-Regenwald, die atlantische meridionale Umwälzbewegung, die Korallenriffe und denn westantarktischen Eisschild. Außerdem geben wir einen Überblick über die konkreten Prozesse und ihre Folgen für die menschliche Sicherheit, einschließlich der so wichtigen Frage von Schäden und Verlusten – ein Thema, das auf der COP27 viel diskutiert wurde.
In dem Hollywood-Blockbuster The Day After Tomorrow aus dem Jahr 2005 werden die Menschen auf der Erde Zeuge der schnellen und katastrophalen Folgen einer Unterbrechung der nordwärts gerichteten Warmwasser- und Luftströmung im und über dem Atlantik. In den Jahren nach seinem Erscheinen wurde der Film wiederholt für seine ungenauen wissenschaftlichen und klimatologischen Behauptungen kritisiert. Der NASA-Klimaforscher J. Marshall Shepherd zeigte sich damals zwar erfreut, dass es einen Film gibt, der sich mit realen Klimaproblemen befasst, bewertete ihn aber aus wissenschaftlicher Sicht mit einer Vier minus oder gar einer Sechs. Doch so verschrien der Film wegen seiner mangelhaften wissenschaftlichen Grundlagen auch ist, so spielt er doch auf ein sehr reales Klimaphänomen an: den Zusammenbruch oder die Abschwächung der so genannten atlantischen meridionalen Umwälzbewegung (Atlantic Meridional Overturning Circulation, kurz AMOC).
Die AMOC im Atlantischen Ozean bringt die Wärme von der südlichen zur nördlichen Hemisphäre. Sie ist Teil der globalen Ozeanzirkulation, die für den Wärmefluss rund um den Globus sorgt. Im Atlantik trägt das Absinken des Wassers in bestimmten Regionen des Nordatlantiks wesentlich dazu bei, dass Wärme in die nördliche Hemisphäre gelangt. Dieses Absinken ähnelt einer Schlange, die Wasser und Wärme aus südlicheren Teilen des Ozeans in Richtung Norden zieht. Somit steuert die AMOC das Gleichgewicht von Wärme und Temperatur im Atlantischen Ozean sowie in den angrenzenden Regionen der südlichen und nördlichen Hemisphäre.
Da die AMOC eine so wichtige Rolle bei der Wärmeverteilung im Atlantik spielt, wird vermutet, dass jegliche Veränderung an ihr zu Verschiebungen in der globalen Wärme- und Niederschlagsverteilung führen würde. Unter anderem wären weltweite Auswirkungen auf Temperatur- und Niederschlagsmuster möglich, z. B. eine Abkühlung im Nordatlantik, eine Erwärmung auf der Südhalbkugel, eine Verschiebung des äquatorialen Niederschlagsgürtels nach Süden, sowie eine Schwächung des Monsuns in Afrika und Asien, was wiederum die Trockenheit in der Sahelzone und Teilen Amazoniens verstärken würde.
In der Geschichte der Erde ist das bereits mehrfach vorgekommen: Aus geologischen Aufzeichnungen geht hervor, dass sich die AMOC in der Vergangenheit mehrere Male entweder abgeschwächt hat oder zum Stillstand gekommen ist, und zwar oft über relativ kurze Zeiträume – Jahrzehnte –, was zu so genannten „plötzlichen Veränderungen“ des Weltklimas geführt hat. Die Beispiele aus der Vergangenheit lassen vermuten, dass die heutige AMOC in ähnlicher Weise gestört werden könnte.
In den letzten Jahren wurde ein Netz an Beobachtungsstationen aufgebaut. Inzwischen wissen wir, dass sich die AMOC tatsächlich abschwächt. Dieser Effekt wird vermutlich in erster Linie – aber nicht nur – dadurch verursacht, dass infolge des Abschmelzens des Grönland-Eisschildes (GES) vermehrt Süßwasser in den Nordatlantik gelangt. Das Abschmelzen des Eisschildes scheint also wesentlich zur Abschwächung der AMOC beizutragen. Interessant ist, dass das Schmelzen des GES einen ganz eigenen Klimakipppunkt darstellt. Schauen wir uns das einmal genauer an.
Was ist der GES und warum ist er so wichtig?
Der GES ist im Grunde ein gigantischer Eisklumpen von kontinentaler Ausdehnung, der auf dem Grundgestein Grönlands aufliegt. In der Vergangenheit beherrschten derartige Eisschilde – während der Eiszeiten – auch wiederholt weiter südlich gelegene Regionen, unter anderem in Nordamerika und Nordeuropa. Infolge der vom Menschen verursachten Erderwärmung wurde in den letzten Jahren ein Abschmelzen des GES verzeichnet, was auch als negative Eismassenbilanz bezeichnet wird. Die Masse des Eisschilds nimmt ab, da weniger Schnee auf der Oberfläche fällt als an den Seiten abschmilzt, was wiederum bedeutet, dass der Schnee die Eisschildmasse nicht regenerieren kann. Seit einigen Jahren sind auf der Spitze des GES sogar die ersten auf die Erderwärmung zurückzuführenden Niederschläge zu verzeichnen. Nimmt der Schmelzvorgang zu, wird der Eisschild zusammenbrechen. Auf lange Sicht werden die Küstengebiete durch die Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs überflutet.
Der GES ist aus verschiedenen Gründen wichtig, insbesondere allerdings, da er Wasser speichert und gigantische Wassermassen in Form von Eis birgt. Der Aufbau der menschlichen Zivilisation erfolgte in einem Zeitraum, in dem dieses Wasser sicher in den Eisschilden der Welt, einschließlich des GES, gespeichert war. Daher haben die Menschen in den vergangenen 10.000 Jahren, seit der landwirtschaftlichen Revolution und der anschließenden Verstädterung vieler Küstenregionen, ihr Leben in Meeresnähe aufgebaut. Wenn das Wasser nicht mehr als Eis gespeichert wird und in die Ozeane schmilzt, steigt der Meeresspiegel und überflutet die Küstenregionen, wodurch sich auch die geografischen Bedingungen ändern. Das war in der Vergangenheit bereits der Fall. Wir wissen, dass der GES auf den so genannten Paläo-Zeitskalen vor dem Entstehen der menschlichen Zivilisation an den Küsten mehrmals zu- und abgenommen hat und durch das Abschmelzen riesige Wassermassen in den Ozean geflossen sind, die ganze Küstenregionen überflutet haben.
Der AMOC-Kipppunkt: Wissenschaftliche Grundlagen und Gefahren
Wenn der GES weiterhin so schnell schmilzt wie heute, was angesichts der künftigen Kohlenstoffemissionen und Klimamodellprognosen wahrscheinlich ist, gelangt noch mehr Süßwasser in den Nordatlantik, was die AMOC vermutlich abschwächen wird. Die meisten neueren wissenschaftlichen Untersuchungen zum AMOC-Kipppunkt berücksichtigen dieses zukünftige Verhalten des GES. Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass sich die Abschwächung fortsetzen und die AMOC ihren Kipppunkt erreichen wird. Wie bei allen Kipppunkten bleibt jedoch ungewiss, wann genau das geschehen wird. Laut der jüngsten Prognose, die sich auf eine viel beachtete Forschungsarbeit in der Zeitschrift Science bezieht, dürfte der Kipppunkt zwischen 1,4 °C und 8 °C über den vorindustriellen Durchschnittstemperaturen liegen (mit einem mittleren Schätzwert von etwa 4 °C). Hierbei ist allerdings zu beachten, dass wir bereits jetzt etwa 1 °C über dem vorindustriellen Mittelwert liegen. Die Studie geht davon aus, dass dieser Schwellenwert bereits in 15 Jahren überschritten werden könnte, wahrscheinlicher ist jedoch ein Überschreiten um das Jahr 2070.
Zu den Folgen dieser Veränderung der AMOC gehören ein geringerer Temperaturanstieg auf der Nordhalbkugel, der eigentlich aufgrund des anthropogenen Klimawandels eintreten sollte, und eine gleichzeitige Erwärmung auf der Südhalbkugel, vorwiegend in Südamerika und Afrika.
Sozioökonomische Auswirkungen, Schäden und Verluste und menschliche Sicherheit
Trotz des katastrophalen Zukunftsszenarios, das uns The Day After Tomorrow schildert, ist sich die Fachliteratur noch uneinig, ob der Wegfall der AMOC zu erheblichen Schäden führt oder ob er die Erderwärmung in der nördlichen Hemisphäre abschwächt – und damit einen wirtschaftlichen Nettogewinn für die Welt darstellt. Letztere Ansicht wird in mehreren Arbeiten namhafter Klimaökonom:innen vertreten, die in angesehenen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden (z. B. 1, 2). Allerdings hält eine andere Gruppe hochkarätiger Klimawissenschaftler:innen diese Annahme sowohl für unwahrscheinlich als auch für gefährlich (3, 4). Die Klimaökonomie räumt ein, dass die Datenlage begrenzt ist und die Klimawissenschaft selbst kaum mehr Informationen zur Verfügung hat. Eine besondere Schwierigkeit der Forschung zu diesem Kipppunkt ist also ein Mangel an umfassenden Daten.
Allgemeine Schäden und Verluste
Die zentrale Studie hinter der These, dass eine Abschwächung oder sogar ein Zusammenbruch der AMOC in Wirklichkeit ein Nettogewinn für Europa sei, wurde 2016 in der einflussreichen und renommierten Fachzeitschrift American Economic Review veröffentlicht. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass „die Abkühlung in Westeuropa aufgrund der Abschwächung der thermohalinen Zirkulation geringer ist als die aufgrund der zunehmenden Treibhausgaskonzentrationen erwartete Erwärmung“. Mit anderen Worten: Der Zusammenbruch der AMOC schütze Westeuropa in der Tat vor einigen der schlimmsten Auswirkungen der globalen Erwärmung und habe somit „bescheidene, aber im Großen und Ganzen positive Auswirkungen auf das menschliche Wohlergehen“. Die Studie beziffert diesen Effekt auf einen Anstieg des globalen Einkommens um über 1 %. Wir nennen diese Haltung die „positivistische Position“.
Ausgehend von dieser Arbeit kommen Dietz et al. bei dem Versuch, die Auswirkungen von Kipppunkten auf die sozialen Kosten des Kohlenstoffs (social costs of carbon, kurz SCC) zu berechnen – sprich den Betrag, den es uns heute kosten würde, die Emission einer Tonne Kohlendioxid zu verhindern – zu dem Ergebnis, dass ein Überschreiten des AMOC-Kipppunkts die SCC erheblich senken kann. In den schlimmsten Erwärmungsszenarien sinken diese Kosten um bis zu 5,7 %. Das heißt, je stärker der Kollaps der AMOC ausfällt, desto besser. Der SCC ist dabei keine banale Messgröße: Er fließt direkt in die politischen Diskussionen über den optimalen Kohlenstoffpreis ein und stellt somit das Kernstück der Klimaschutzpolitik dar.
Führende Klimawissenschaftler:innen sind jedoch anderer Meinung. Keen et al. erklären, dass die positivistische Position „gegen den gesunden Menschenverstand und den wissenschaftlichen Forschungsstand geht“. Dabei stützen sie sich auf eine Studie der OECD, die die Auswirkungen eines potenziellen Wegfalls der AMOC als „katastrophal“ bezeichnet. Anstatt den Auswirkungen der Erderwärmung entgegenzuwirken, wird ein Zusammenbruch der AMOC nach Ansicht der OECD die Lebensmittelproduktion erheblich beeinträchtigen. Etwa 58 % der weltweiten Ackerflächen, die derzeit für den Weizenanbau geeignet sind, sowie 59 % der Anbauflächen für Mais werden unbrauchbar. Die für den Reisanbau geeignete Fläche wird zwar zunehmen, doch die potenziellen Ertragseinbußen bei Weizen und Mais werden diesen Gewinn wieder zunichte machen. Die Folgen für uns Menschen liegen auf der Hand: ein drastischer Anstieg der Preise für Brot und andere Grundnahrungsmittel, Hunger und Kaloriendefizite und vielleicht sogar eine Massenhungersnot. Die OECD kommt zu dem Schluss, dass die Böden einfach immer weniger für das Leben auf der Erde geeignet sein werden.
Nicht alle Klimaökonom:innen vertreten die positivistische Position. William Nordhaus, der Nobelpreisträger und Vater der Klimaökonomie, hielt diese Prognose im Jahr 2000 zwar für sehr unwahrscheinlich, kam aber dennoch zu dem Schluss, dass ein Zusammenbruch der AMOC einen Rückgang des globalen BIP um 30 % verursachen könnte. Dies deckt sich eher mit den Vorstellungen der OECD und auch mit der Position der Klimawissenschaft. Die wirtschaftliche Katastrophe, die sich daraus ergeben würde, ist erahnbar: Massenentlassungen, Hungersnöte und der komplette Verlust eines menschenwürdigen Lebens für unzählige Millionen Menschen. Allerdings haben wir noch keine konkreten Zahlen für diese Auswirkungen und auch kein klares Bild von deren geographischen Verteilung.
Konkrete Auswirkungen und menschliche Sicherheit
Auffällig an der positivistischen Position ist die Tendenz, die positiven Auswirkungen eines Kollapses der AMOC in Bezug auf Europa zu sehen, während die negativen Auswirkungen anderswo verortet werden. Aufgrund des großen Wohlstands des Kontinents wird dabei der Nutzen für Europa deutlicher höher bewertet als der Schaden für ärmere Länder, die rein finanziell gesehen weniger zu verlieren haben. Als Orientierung für die Politik ist das jedoch klassischer, systematischer Eurozentrismus. Wenn der Maßstab Menschenleben wären, ergäbe sich möglicherweise ein ganz anderes Bild.
Niederschlag
Während das genaue Verhältnis zwischen Erwärmung und Abkühlung noch umstritten ist, sind die Auswirkungen eines Zusammenbruchs der AMOC auf die Niederschlagsmuster vorhersehbarer. Laut Dietz et al. müssen diese Auswirkungen jedoch noch in die wirtschaftlichen Studien einbezogen werden. In Nordeuropa, Mittelamerika und Südostasien steigt das Risiko für Dürren. Das hat offensichtliche Folgen für die Landwirtschaft. Ritchie et al. kamen bei einer Untersuchung in Großbritannien zu dem Ergebnis, dass die Verluste in der landwirtschaftlichen Produktion aufgrund der Erderwärmung mit einer Abschwächung der AMOC zehnmal größer wären als ohne. Laut dieser Studie sei es zwar möglich, sich mittels Bewässerung an die neuen Klimagegebenheiten anzupassen, allerdings wäre dies weitestgehend unerschwinglich. Jackson et al. zufolge wird eine Verlangsamung der AMOC zu schwächeren Spitzenwerten in den Flussläufen und damit zu einer geringeren Vegetationsproduktivität führen, was wiederum Wasserknappheit und große Ernährungsunsicherheit zur Folge hat: Durch Wasserströmungs- und Temperaturveränderungen ist der Zusammenbruch einer Reihe von Fischbeständen, darunter Kabeljau, Schellfisch und Hering, nahezu sicher. Die Studie gelangt zu dem Schluss, dass eine Abschwächung der AMOC die Nettoprimärproduktion im Vereinigten Königreich um bis zu 50 % verringern könnte.
Für die Auswirkungen eines Überschreitens des AMOC-Kipppunkts in anderen Regionen gibt es keine detaillierten Studien. Die Rolle der AMOC bei einem potenziellen Kipppunkt-Dominoeffekt lässt jedoch vermuten, dass solche Studien zu erschütternden Ergebnissen kommen würden. Laut OECD ist die AMOC das „wichtigste Bindeglied“ im Klimasystem: Ihr Zusammenbruch würde sich daher auf das gesamte Weltklima auswirken und könnte eine Reihe weiterer Kipppunkte auslösen. Durch die Beeinträchtigung würden sich die Niederschlagsmuster des indischen Sommermonsuns ändern, und Indien würde bei einem Zusammenbruch der AMOC bis zu 70 % seiner derzeitigen Niederschlagsmenge einbüßen. Die Folgen für die regionale Landwirtschaft und die Wirtschaft im Allgemeinen wären verheerend. Auch der afrikanische Monsun wäre betroffen. In Westafrika, einer Region, die bereits unter den Auswirkungen des globalen Temperaturanstiegs leidet, würde dies zu weiteren Dürren, wirtschaftlichem Ruin und zahlreichen Todesopfern führen. Wenn der Amazonas-Regenwald nicht schon den Kipppunkt erreicht hat, der ihn zur Savanne werden lässt, wird er diese Schwelle mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft überschreiten – mit all den Auswirkungen auf die menschliche Sicherheit, die wir in diesem Blog beschreiben.
Offene Forschungsfragen
Die bisherige Forschung zu den Folgen des AMOC-Kipppunkts fokussiert sich noch zu sehr auf abstrakte Zahlen und es gibt nicht genügend eindeutige Daten zu den Auswirkungen auf die Weltbevölkerung. Wir wissen nur sehr wenig darüber, wie viele Menschen betroffen sein könnten und welche Folgen sie zu spüren bekommen werden. Wie viele Menschen werden z. B. in Ernährungsunsicherheit geraten, weil riesige Ackerflächen nicht mehr für den Anbau geeignet sind? Wie viele Arbeitsplätze werden in Westafrika aufgrund der zusätzlichen Auswirkungen der AMOC auf den afrikanischen Monsun wegfallen?
Außerdem ist es fraglich, ob die unvollständigen ökonomischen Studien, die einen Großteil der klimawirtschaftlichen Fachliteratur ausmachen, überhaupt von Nutzen sind. Sie bergen das Risiko, die Verantwortlichen in der Politik in die Irre zu führen, und sind weniger transparent hinsichtlich ihrer Unvollständigkeit, als sie es angesichts solcher Risiken sein sollten. Künftige Forschungsarbeiten müssen sich mit diesen Fragen befassen, wenn wir eine detaillierte Prognose der Auswirkungen für eine Welt erhalten wollen, in der der AMOC-Kipppunkt überschritten wird.
Dr. Conor Purcell ist Klimaforscher und preisgekrönter wissenschaftlicher Autor. Dr. Michael Keary ist Politikwissenschaftler mit den Schwerpunkten Umweltpolitik und politische Theorie. Die Autoren sind Mitbegründer von NovaAura Research, das NGOs und staatlichen Einrichtungen bei der Einschätzung zukünftiger Klimaprognosen und Umweltpolitik hilft.
Autor:innenDr. Conor Purcell, Dr. Michael Keary |