Verhandlungen abgeschlossen: EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte
Die EU trägt durch bestimmte Warenimporte zur Entwaldung in anderen Ländern bei. Das soll sich nun ändern.
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In den frühen Morgenstunden des 6. Dezembers 2022 verkündete die EU-Kommission den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen um eine Verordnung für entwaldungsfreie Produkte der EU. Der Rat und die Kommission der Europäischen Union sowie das Europäische Parlament einigten sich auf einen Gesetzestext, der Unternehmen dazu verpflichten wird nachzuweisen, dass für die Produktion gewisser Agrargüter und Holzprodukte nach Dezember 2020 kein Wald mehr gerodet wurde. Die EU ist nach China durch ihren Import von Soja-, Rindfleisch-, Palmöl-, Kaffee-, Kakao-, Kautschuk- und Holzprodukten der zweitgrößte Treiber von Entwaldung.
Gemäß der neuen Verordnung müssen Unternehmen, die spezifische Produkte auf den EU-Markt bringen oder aus der EU exportieren wollen, zukünftig eine Sorgfaltspflichtenerklärung vorlegen: Diese bestätigt, dass für die Produktion weder Wälder gerodet noch Primär- und natürlich wachsende Wälder in Plantagen umgewandelt und die Gesetze des Produktionslandes eingehalten wurden. Ein großer Schwachpunkt des beschlossenen Gesetzestextes ist allerdings, dass Unternehmen sich lediglich an die Einhaltung der in der Gesetzgebung des Produktionslandes geltenden Menschenrechte halten müssen. Denn wurden internationale Menschenrechtsabkommen im Produktionsland nicht in nationales Recht aufgenommen, müssen die von der Verordnung betroffenen Unternehmen auch nicht nachweisen, dass sie diese einhalten.
Germanwatch hatte sich schon früh für eine Sorgfaltspflicht eingesetzt, die nachgewiesen hätte, dass international anerkannte Menschenrechte, insbesondere im Hinblick auf indigene Völker und lokale Gemeinschaften, und deren Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC) in jedem Fall eingehalten wurden. Nur so wären indigene Völker vor Landraub und dem Entzug ihrer Lebensgrundlagen geschützt.
Ein weiterer Schwachpunkt liegt darin, dass ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung neben Wäldern keine anderen Holzflächen („other wooded land“) vor Umwandlung in Agrarflächen geschützt werden sollen. Dies hatte das EU-Parlament vorgeschlagen – und auch Germanwatch unterstützte diesen Vorschlag –, um wichtige Biodiversitäts- und CO2-Stätten zu erhalten. Stattdessen sieht die Verordnung nun erst ein Jahr nach ihrem Inkrafttreten die Erarbeitung einer Folgenabschätzung für die Einbindung von „other wooded land“ vor. Damit sind große Gebiete, wie die Savannen des Cerrados oder Feuchtgebiete wie das Pantanal Brasiliens, zunächst weiterhin von der Umwandlung in Agrar- und Weideflächen für Produkte für die EU gefährdet.
Die vom EU-Parlament geforderte Einbeziehung von Finanzakteuren in die Sorgfaltspflichten war bis zum Ende ein Streitpunkt der Verhandlungen. Finanzinstitute werden nun nicht unmittelbar dazu verpflichtet werden, ihre Investitionen auf Entwaldungsrisiken zu prüfen. Stattdessen ist vorgesehen, dass die EU-Kommission zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes eine prüfende Bewertung darüber vorlegt, ob die bestehenden Rechtsvorschriften der EU ausreichen, um die Rolle von Banken, Versicherungen und Pensionsfonds bei der globalen Entwaldung zu bekämpfen.
Zusammen mit Climate & Company hat Germanwatch bereits in den vergangenen Monaten bestehende EU-Regularien und EU-Gesetzesvorhaben daraufhin untersucht, ob sie die Finanzierung von Entwaldung verhindern. Aus unserer Studie geht hervor, dass keine anderen EU-Regulierungsmaßnahmen dem Finanzsektor Sorgfaltspflichten in Bezug auf Entwaldung auferlegen werden. Zusammen mit Partnerorganisationen fordern wir deshalb die politischen Entscheidungsträger*innen auf, durch Offenlegungspflichten von Entwaldungsrisiken sowie Sorgfaltspflichten die gewaltigen Investitionen aus Europa endlich zu unterbinden, die zu Entwaldung für die Agrar- und Energieproduktion beitragen. EU-Mitgliedsstaaten werden mindestens neun Prozent der Unternehmen kontrollieren, die Produkte aus Ländern beziehen müssen, deren Entwaldungsrisiko von der EU als sehr hoch eingestuft wurde.
Bei der Liste der von der Verordnung betroffenen Produkte konnte hingegen ein Erfolg erzielt werden, indem Gummi, bedrucktes Papier und Holzkohle mit aufgenommen wurden. Spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung muss die EU-Kommission festlegen, ob in Zukunft weitere Produkte wie Mais, Schweinefleisch und Biodiesel in die Verordnung aufgenommen werden.
Nach der heute erfolgreich abgeschlossenen Verhandlung wird die EU den trotz aller noch bestehenden Mängel historisch einmaligen Gesetzesbeschluss gegen weltweite Entwaldung in Lieferketten auf der 15. Weltnaturkonferenz in Montreal vorstellen. Im Frühjahr 2023 soll der Gesetzestext schließlich formal verabschiedet werden und für große und mittlere Unternehmen 18 Monate und für Kleinst- und Kleinunternehmen 24 Monate nach Inkrafttreten gelten. Unsere eigene Arbeit sowie die von zahlreichen weiteren Umweltorganisationen und Beobachter:innen wird hier nicht enden: Wir werden uns ab jetzt für eine effektive Umsetzung der Verordnung einsetzen. Zudem werden wir die Ausarbeitungen der Folgeabschätzungen für Kleinbäuerinnen und -bauern und für den Finanzsektor sowie produktspezifische Richtlinien für Unternehmen begleiten und uns vor allem für eine Kooperation der EU mit Produktionsländern und weiteren Märkten wie China einsetzen, damit Entwaldung und die damit einhergehenden Menschenrechtsverletzungen, Treibhausgasemissionen und Biodiversitätsverluste ein für alle Mal beendet werden.