Pressemitteilung | 15.07.2022

Petersberger Klimadialog: Kanzler Scholz klimapolitisch unter Zugzwang

Germanwatch: Glaubwürdigkeit des Bundeskanzlers beim Klimaschutz hat zuletzt gelitten – Er muss mit konkreten Ankündigungen reagieren / Nachweis der 1,5-Grad-Verträglichkeit angekündigter Gas-Förderzusagen sowie Finanzierungspläne für internationale Initiativen nötig
Pressemitteilung

Berlin/Bonn (15. Juli 2022). Beim am Sonntag beginnenden Petersberger Klimadialog steht Bundeskanzler Scholz nach Einschätzung der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch unter besonderem Zugzwang. Nach den überwiegend ernüchternden klimapolitischen Ergebnissen des G7-Gipfels und dem vorläufigen Scheitern eines umfassenden Klimaschutzsofortprogramms muss Scholz nun die Initiative ergreifen. Er sollte international deutlich machen, dass Deutschland dennoch beim Klimaschutz vorangehen will. „Bundeskanzler Scholz hat zuletzt in der Klimapolitik nicht gerade geglänzt. Der Petersberger Klimadialog bietet ihm die Chance, Deutschlands klimapolitische Glaubwürdigkeit zu unterstreichen. Es geht nun darum international zu zeigen, dass die neue Bundesregierung die Energiewende als Reaktion auf den russischen Krieg gegen die Ukraine beschleunigt. Zudem ist es wichtig, dass der Kanzler das notwendige Geld für die Umsetzung weitreichender internationaler Klimapartnerschaften ankündigt“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch.

Beim G7-Gipfel hatte Scholz versucht, vorherige Versprechen der G7 zum Ende der internationalen Finanzierung fossiler Energieträger aufzuweichen. „Der Kanzler muss nun bekräftigen, dass Deutschland und die EU einen wirkungsvollen Prüfprozess auf den Weg bringen, damit die angestoßenen Gas- und Kohleprojekte nicht die Klimaziele torpedieren“, so Bals. „Beim G7-Gipfel wurden klare Kriterien für die Umsetzung der Gas- und Kohleprojekte benannt: Bis zur Weltklimakonferenz im November müssen Deutschland, die EU und Großbritannien offenlegen, wie viel Gas und Kohle trotz deutlicher Beschleunigung von Investitionen in Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und grünen Wasserstoff benötigt wird. Und wie die Menge so begrenzt werden kann, dass sie das 1,5-Grad-Limit nicht torpediert. Bis das geklärt ist, darf es keine weiteren Förderzusagen geben“, ergänzt Bals.

Von Scholz werden konkrete Finanzierungszusagen erwartet, die das Vertrauen der globalen Partner sichern

Unter der deutschen G7-Präsidentschaft wurden sozial gerechte Energiewendepartnerschaften gestärkt sowie der sogenannte globale Schutzschirm gegen Klimarisiken angekündigt. Allerdings wurden diese Maßnahmen noch nicht mit konkreten Finanzierungsplänen abgesichert. „Wenn diese Initiativen nur Lippenbekenntnisse bleiben sollten, würden sie das Vertrauen der Partner im Globalen Süden zerstören und uns der vielleicht letzten Chance berauben, das 1,5-Grad-Limit noch einzuhalten. Olaf Scholz muss nun einen Aufwuchs der internationalen Klimafinanzierung ankündigen, damit die Initiativen auch wirklich starten können“, fordert Bals.

Die Klimafinanzierung muss mittelfristig in neue Dimensionen vorstoßen, um die Ärmsten und Verletzlichsten im Kampf gegen die Klimakrise ausreichend zu unterstützen. Dabei können innovative Finanzierungsinstrumente helfen. Bals: "Deutschland ist das einzige Geberland, dass seine Sonderziehungsrechte – also die Möglichkeit, zusätzliche Liquidität beim Internationalen Währungsfonds zu bekommen - nicht frei weitergeben kann. Dies muss geändert werden, um zusätzliche Mittel auch für die Klimafinanzierung freizumachen. Dann besteht die Chance, dass sich perspektivisch auch die stark emittierenden Schwellenländer an der internationalen Klimafinanzierung beteiligen.“

Getreide auf dem Teller statt in Tank und Trog – das bekämpft die Hungerkrise und gibt dem Klimaprozess Schwung

Es wird immer deutlicher, wie eng die verschiedenen Krisen unserer Zeit miteinander verbunden sind. Mit der Führungsrolle bei der Global Crisis Response Group des UN-Generalsekretärs sowie im Globalen Bündnis für Ernährungssicherung zeigt Deutschland, dass es dies erkannt hat. Ägypten als stark von der aktuellen Ernährungskrise betroffener Gastgeber der kommenden Weltklimakonferenz wird einen besonderen Fokus auf den Zusammenhang von Klimakrise, Landwirtschaft und Ernährungssicherheit legen. „Mit der Übernahme der doppelten Führungsrolle zur Ernährungssicherheit wird von der Bundesregierung erwartet, nun eine schnelle und wirkungsvolle internationale Antwort auf die neue Hungerkrise zu koordinieren. Kurzfristig sollte sie sicherstellen, dass ausreichend Getreide auf dem Teller der Hungernden und nicht im Tank oder Futtertrog landet. Außerdem sollte sie gemeinsam mit anderen Staaten daran arbeiten, die aktuelle Spekulation an Weltmärkten bei den Getreidepreisen einzudämmen", betont Christoph Bals. „Das würde auch Vertrauen aufbauen, das sich beim nächsten Klimagipfel in neuer Dynamik niederschlagen kann.“