Solidarität mit den Menschen der Ukraine
Auch für uns bei Germanwatch ist der 24. Februar 2022 ein Einschnitt. Seit dem Tag herrscht in nur 800 Kilometern Luftlinie von Berlin Krieg. Die Friedensordnung Europas ist grundlegend in Frage gestellt. Ein Land überfällt sein Nachbarland. Während wir das schreiben, marschiert die russische Armee auf die ukrainischen Kohlestädte im Donbass zu, mit denen wir als Germanwatch seit 2017 intensiv zusammenarbeiten. Mit ihnen zusammen setzen wir uns ein für einen sozial gerechten und mit den Klimazielen kompatiblen Kohlestrukturwandel sowie für den Aufbau neuer sozio-ökonomischer Möglichkeiten jenseits der Kohle (siehe dazu die Themenseite unseres Donbass-Projekts).
Uns lieb gewordene Kolleg:innen unserer Kiewer Partnerorganisationen engagieren sich seit Kriegsbeginn nun für die Versorgung der Bevölkerung mit dem Nötigsten. Andere Partner:innen haben Plätze in Zügen oder Autos ergattert und verlassen mit Millionen Kriegsflüchtlingen die Kampfzonen. Mehrere sehen keine andere Wahl, als zu den Waffen zu greifen.
Unser Ukraine-Engagement
Jahrelang hat Germanwatch sich mit Partner:innen im Donbass und in Kiew für eine ukrainisch-deutsche Klima- und Kohleausstiegspartnerschaft und eine friedliche, demokratische Perspektive für das Land eingesetzt. Seit 2020 gibt es nun die von beiden Regierungen unterzeichnete Deutsch-Ukrainische Energiepartnerschaft. Eine ihrer Umsetzungssäulen ist die Zusammenarbeit für einen sozialgerechten Kohleausstieg. Von Beginn an unterstützen wir diese wichtige Partnerschaft.
In den Wochen vor dem 24. Februar hatten wir begonnen, die sehr erfolgreiche Arbeit mit den Kohlestädten und ihrer Zivilgesellschaft auf ukrainischer Seite der Kontaktlinie im Donbass auf andere Kohleregionen des Landes auszuweiten. In Kiew war bereits eine Kohlekommission der Regierung entstanden, die auch Vertreter:innen unserer Kohlestädte einbezog. Sie sollte den Weg zum notwendigen Ausstieg aus der Kohle bahnen. Die ukrainische Regierung hatte auf dem Klimagipfel Ende 2021 sogar einen Kohleausstieg bis 2035 angekündigt. Eine verstärkte Energiewende-Partnerschaft mit Deutschland und der EU wäre dafür allerdings Voraussetzung.
All das ist nun erstmal ausgesetzt. Sobald die Kämpfe vorbei sind, werden wir die Arbeit vor Ort zusammen mit unseren Partner:innen – soweit und so schnell wie möglich – wieder aufnehmen. Doch nun konzentrieren wir uns zuerst darauf, die Kolleg:innen unserer Partnerorganisationen mit dem Notwendigsten zu unterstützen – egal ob sie bleiben oder fliehen wollen. Wir geben zudem Informationen an die Bundesregierung und die EU weiter. So hat die Ukraine seit einigen Tagen ihr Stromnetz vom russischen Netz abgekoppelt. Für die Versorgung der Bevölkerung kann es von großem Nutzen sein, wenn das Stromnetz nun sehr zeitnah mit dem der EU gekoppelt werden könnte. Nicht unkompliziert, aber möglich (siehe dazu ein Kurzpapier unserer ukrainischen Partnerorganisationen).
Die Menschen in Russland nicht vergessen
Wir stehen in diesen Tagen auch mit langjährigen russischen Partner:innen im engen Austausch. Seit über zehn Jahren arbeiten wir daran, dass Russland und die EU sich gemeinsam auf eine klimaneutrale Zukunft vorbereiten. Für die Entwicklung Russlands könnte das zu einer echten Chance werden. Jetzt hören und lesen wir von den ermutigenden Antikriegsdemonstrationen in Dutzenden russischen Städten. Wir bewundern das Rückgrat der Demonstrierenden, und auch von hunderten Mitgliedern der Russischen Akademie der Wissenschaften sowie vielen bekannten Persönlichkeiten aus Kunst, Sport und Kulturleben Russlands, die sich in Erklärungen mit unmissverständlichen Worten gegen diesen Krieg wenden.
Russland steckt ganz offensichtlich in der größten Krise seit den von Vielen als schlimm erlebten 90er Jahren. Das Land ist so gespalten wie wahrscheinlich nie in seiner postsowjetischen Geschichte. Doch vielleicht führt dieser Krieg letztlich auch hin zu einem Wendepunkt, in Richtung auf ein demokratisches Russland. Wichtig ist nun auf allen Seiten eine ehrliche, selbstkritische Analyse der Ursachen für den Zustand des Landes. Ein demokratisches Russland erscheint jedoch kaum möglich, ohne dass das Land schnell wegkommt von seiner hohen Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen. Noch steckt das Land tief in den Auswirkungen des Ressourcenfluchs, der die Tendenz hin zur Diktatur stark befördert hat. In den letzten Jahrzehnten haben EU und USA diesen Pfad durch ihren Öl- und Gashunger zementiert. Deutschland und die EU können jedoch zu einem postfossilen Entwicklungspfad in einem neu aufgestellten Russland viel beitragen (siehe dazu eine Germanwatch-Analyse von Februar 2020).
Hilfe für die Ukraine
Auch Sie können den Menschen in der Ukraine jetzt helfen. Wir empfehlen u.a. die folgenden Möglichkeiten für dringend benötigte humanitäre Hilfe: