Konflikt um Einbezug des Flugsektors in den EU-Emissionshandel
Bonn, 17.05.12: Seit diesem Jahr leistet auch der Flugsektor einen Beitrag zur Emissionsbegrenzung im Rahmen des Europäischen Emissionshandels. Die EU entschloss sich dazu, nachdem mehr als 15 Jahre auf internationaler Ebene eine globale Lösung für die internationalen Luftverkehrsemissionen ergebnislos verhandelt worden waren. Da diese EU-weite Maßnahme auch die internationalen Flüge adressiert, die in Europa starten oder landen, sind davon auch Nicht-EU Staaten betroffen. Neben den amerikanischen Fluglinien betrifft dies auch Fluggesellschaften aus Entwicklungs- und Schwellenländern. Insbesondere China und Indien haben hierzu ihren Unmut geäußert und das Vorpreschen der EU, das auch sie betrifft, heftig kritisiert.
Ein von Germanwatch und dem Oxford Institute for Energy Studies (OIES) organisiertes Expertengespräch am Rande der Bonner Klimaverhandlungen befasste sich mit Möglichkeiten, wie der Konflikt entschärft werden könnte. Dabei stellte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch, zunächst klar: "Wichtig ist, an dieser europäischen Regelung trotz Kritik festzuhalten, denn sie nützt in dreifacher Hinsicht. Sie trägt zur Emissionsminderung bei, sie erzielt Einnahmen, die sich für die internationale Klimafinanzierung nutzen lassen, und sie kann den Weg ebnen für eine weltweite Lösung, um die globalen Emissionen im Flugsektor zu reduzieren."
Benito Müller vom Oxford Institute for Energy Studies wies auf konkrete Umsetzungsmöglichkeiten hin, um den Konflikt zu entschärfen. "Es wäre denkbar, dass die Entwicklungsländer langfristig in ein erweitertes europäisches Emissionshandelsystem direkt mit eingebunden werden - und zwar nur hinsichtlich des Flugsektors. Sie könnten selbst Zertifikate versteigern und dabei viel Erfahrung sammeln für die Etablierung eigener Emissionshandelssysteme."
Bals und Müller sprachen sich zudem für die Möglichkeit einer Zweckbindung der Einnahmen aus dem Flugsektor-Emissionshandel aus. Dies könne erheblich dazu beitragen, dass Schwellen- und Entwicklungsländer den Einbezug ihrer Fluglinien als fair empfinden könnten. "Die Einnahmen aus dem internationalen Flugverkehr sollten für internationale Klimafinanzierung verwendet werden. Deutschland hat diese Zweckbindung bereits umgesetzt und dieser Ansatz sollte auch innerhalb der EU Schule machen", so Bals.
Auch aus Sicht von Tirthankar Mandal, dem Programmkoordinator des Climate Action Networks South Asia, könnte die Zweckbindung der Einnahmen einen konstruktiven Beitrag zu einer Lösung liefern. "Die EU-Mitgliedsstaaten sollten alle Einnahmen, die durch den Einbezug des Flugsektors in den Emissionshandel erzielt werden, dem Green Climate Fund zukommen lassen. Allerdings mit einer Ausnahme: Die Mittel, die von Airlines aus Entwicklungsländern aufgebracht wurden, sollten direkt in die Herkunftsländer zurückfließen. Entscheidend ist zudem, dass diese Gelder nicht auf die Zusagen der Industrieländer zur internationalen Klimafinanzierung angerechnet werden dürfen."
Jacob Werksman, Vertreter der Europäischen Kommission, hob zudem hervor, dass diese Zweckbindung der Einnahmen auch beim aktuellen Finanzministertreffen thematisiert wurde. Allerdings ist die Entscheidung den einzelnen EU-Staaten unter Einhaltung der Vorgaben der Richtlinie vorbehalten.
Abschließend unterstrich Werksman die Priorität, auf internationaler Ebene eine Lösung zu finden: "Wir sehen im europäischen Ansatz eine gute Voraussetzung dafür, den Verhandlungsprozess auf internationaler Ebene voranzubringen." Bals kommentierte: "Ein zentrales Ergebnis der EU-Entscheidung ist bereits jetzt, dass wir mehr konkrete Bewegung auf internationaler Ebene haben als je zuvor in den letzten 15 Jahren."
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Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer, Germanwatch, 0174 327 56 69, bals@germanwatch.org