Pressemitteilung | 10.06.2011

Vergabegesetz: Nordrhein-Westfalen schafft den Durchbruch

Gesetzesentwurf der Regierung für ein Vergabe- und Tariftreuegesetz in NRW sieht verbindliche Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen und ökologischer Kriterien vor - noch mangelt es aber an Durchsetzungskraft
Pressemitteilung

Berlin/Düsseldorf, 10. Juni 2011: Als vorbildhaft für alle anderen Bundesländer begrüßen das CorANetzwerk für Unternehmensverantwortung und das Bündnis für sozial-ökologische Beschaffung NRW*, beides Zusammenschlüsse entwicklungs- und umweltpolitischer Gruppen und Gewerkschaften, den vom nordrhein-westfälischen Kabinett beschlossenen Regierungsentwurf zum Vergabegesetz.

NRW ist das erste Flächenland in Deutschland, das im Regierungsentwurf die verbindliche Verankerung der Einhaltung ökologischer Kriterien und der ILO-Kernarbeitsnormen vorsieht. „Damit geht von dem bevölkerungsreichsten Bundesland ein deutliches politisches Signal aus“, so Veselina Vasileva von WEED. „Es freut uns sehr, dass bei der Ausführung öffentlicher Aufträge in Zukunft keine Produkte mehr verwendet werden dürfen, die unter Missachtung grundlegender Arbeitsrechte gewonnen oder hergestellt worden sind“, bekräftigt Johanna Fincke von der Christlichen Initiative Romero.

Der Gesetzesentwurf wird auch unter ökologischen Aspekten der Vorbildfunktion des größten Flächenlandes und größten CO2-Emittenten gerecht. Ökologische Kriterien werden in allen Schritten des Vergabeverfahrens verankert, die verpflichtende Analyse der Lebenszykluskosten aller Neuanschaffungen bricht mit dem starren Dogma des „billigsten Angebots“ und ermöglicht neben einer mittelfristigen finanziellen Einsparung eine relevante CO2-Reduzierung. „Jetzt kommt es darauf an, dass durch eine solide Verwaltungsvorschrift und fundierte Schulungen der Beschaffungsverantwortlichen eine Dynamik entsteht und das Gesetz seine volle Wirkung entfalten kann“ sagt dazu Tobias Pforte-von Randow von Germanwatch.

Für die Gewerkschaft ver.di NRW betont deren Justiziar, Peter Berg, dass die verbindliche Vorgabe der Mindestentgelte und Mindestarbeitsbedingungen sowie eines vergabespezifischen Mindestlohns in Höhe von 8,62 € sehr wichtige Schritte seien, um im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe Lohn- und Sozialdumping zu unterbinden, das Tarifvertragssystem zu stabilisieren und die Kassen der Sozialversicherung zu entlasten. Besonders begrüßenswert sei es schließlich, dass der Gesetzesentwurf darauf abzielt, Maßnahmen der Frauenförderung und die Beachtung des Gleichbehandlungsrechts in der Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe stärker zu verankern, so der ver.di-Vertreter.

In der konkreten Ausgestaltung des Gesetzesentwurfs der Regierung sehen die Bündnisse jedoch an einigen Stellen dringenden Nachbesserungsbedarf. Zu bemängeln sind vor allem fehlende Mechanismen zur Kontrolle der Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen, das Fehlen einer Servicestelle für Kommunen zur Unterstützung bei der Umstellung und Qualifizierungs- und Fortbildungsmaßnahmen für die Beschaffungsverantwortlichen.

„Damit die Einhaltung sozialer und ökologischer Kriterien nicht nur ein Lippenbekenntnis der Unternehmen bleibt, sind regelmäßige Kontrollen unerlässlich“, betont Jürgen Sokoll vom Eine Welt Netz NRW. So empfiehlt das Bündnis NRW dem Kabinett ausdrücklich, die Regelungen des Gesetzesentwurfes zu Nachweispflicht und Kontrolle im Bereich Tariftreue und Mindestlohn auf die ILO Kernarbeitsnormen auszuweiten und mit Beschaffungsberichten Transparenz über die Vergaben zu gewährleisten, denn „was mit den Steuergeldern passiert und wer die Aufträge bekommt, geht alle an“, sind sich die VertreterInnen beider Bündnisse einig.

Kontakt: Veselina Vasileva (WEED): 0176 – 20 01 93 00

Tobias Pforte von Randow (Germanwatch): 0173- 435 05 06


*Dem NRW Fairgabe-Bündnis gehören an: Christliche Initiative Romero (CIR), DGB NRW, Eine Welt Netz NRW, FIAN, Germanwatch, IG Metall, Kampagne Saubere Kleidung (CCC), terre des hommes, vamos, ver.di NRW und WEED


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