Biosprit-Förderung bedroht das Recht auf Nahrung
Bonn, 13.10.11: Anlässlich des Welternährungstages am 16. Oktober legt die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch die zweite Trendanalyse zur globalen Ernährungssicherung vor. Sie zeigt: Die wichtigste strukturelle Ursache für den dramatischen Anstieg der Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel ist der von der Politik initiierte Agrosprit-Boom in Europa und Amerika.
"Damit wird die immer wieder kolportierte These widerlegt, der steigende Fleischkonsum in China und Indien sei der entscheidende Grund für die Preissprünge auf den Agrarrohstoffmärkten in den letzten Jahren", erklärt Klemens van de Sand, Vorstandsmitglied von Germanwatch und Autor der Studie. In China nimmt der Verbrauch von Schweinefleisch seit etwa fünf Jahren nur noch langsam zu, der Rindfleischkonsum ist in den letzten drei Jahren sogar rückläufig. Während die globale Produktion von Getreide weiter zunimmt, drängt die staatlich geförderte Agroenergie die Nutzung von Pflanzen für die direkte menschliche Ernährung mit deutlich höheren Zuwachsraten als beim Fleischverbrauch zurück.
"Diese Politik heizt auch die Spekulation mit Agrarrohstoffen an", so van de Sand weiter. "Die Anleger setzen darauf, dass die rasch wachsende Nachfrage nach Mais, Zuckerrohr, Palmöl und Soja für die Treibstoffproduktion die Preise steigen lässt. Durch entsprechende Landnutzungsänderungen wirkt sich das dann auch auf das Angebot und die Preise von anderen Grundnahrungsmitteln wie Weizen aus."
Die "Finanzialisierung" der Rohstoffmärkte ist laut Germanwatch neben Exportverboten und infolge des Klimawandels zunehmenden Missernten mitverantwortlich dafür, dass die Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel seit 2007 außerordentlich schwanken - anders als die Lebensmittelpreise in den meisten Entwicklungsländern, die auf dem 2008 erreichten hohen Niveau verharren.
Die internationale Politik muss endlich handeln", so van de Sand weiter. "Es bedroht das Recht auf Nahrung von weltweit über 925 Millionen hungernder Menschen, dass die EU wie auch die Bundesregierung sich nach wie vor gegen die seit langem von Nichtregierungsorganisationen und im Frühjahr 2011 auch von zehn führenden internationalen Organisationen, unter anderem der Weltbank und der OECD, erhobene Forderung sperrt, sämtliche Subventionen und Mindestvorgaben für die Beimischung von Agrarkraftstoffen in Benzin und Diesel abzuschaffen", so van de Sand.
"Außerdem müssen die führenden Wirtschaftsnationen der G20 Maßnahmen zur Limitierung von Termingeschäften und mehr Transparenz auf den Agrarrohstoffmärkten beschließen. Gleichzeitig könnte die Schaffung von Nahrungsmittelreserven kurzfristige Ernteeinbußen und Preissteigerungen auffangen."
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- Dr. Klemens van de Sand, Vorstandsmitglied Germanwatch, 0228 329 87 00