Bundesverkehrsministerium will Wettbewerbschancen der Schiene noch weiter verschlechtern.
Bonn, 19. März 1998: "Die Blockade des in mühsamen Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und der Schweiz erzielten Kompromisses zum Alpentransit durch Bundesverkehrsminister Wissmann steht im eklatanten Widerspruch zu den in Hochglanzbroschüren verkündeten verkehrs- und umweltpolitischen Zielen der Bundesregierung," kommentiert Klaus Milke, für die Kampagne Rio Konkret zuständiges Vorstandsmitglied der Nord-Süd-Initiative Germanwatch, die Entwicklung in Brüssel.
Für zu hoch hält Wissmann die ausgehandelten Transitgebühren, die die gegenwärtige Begrenzung des Transits auf Lkw mit höchstens 28 Tonnen Gewicht ersetzen sollen: der Kompromiß sah etwa 400 DM pro Fahrt vor. Die Schweiz hatte ursprünglich sogar 700 DM gefordert, damit sichergestellt würde, daß weiterhin die meisten Güter den Alpentransit auf der Schiene bewältigen. Gerechtfertigt wurde dieser Betrag durch die erhöhte Belastung und Abnutzung der Straßen durch die schweren Fahrzeuge sowie durch die entstehenden externen Kosten des Straßengütertransports. Die Schweiz hat sich dann aufgrund des hohen von der Europäischen Union ausgeübten Drucks auf 400 DM herunterhandeln lassen.
"Wenn der Bundesverkehrsminister nun eine noch weitergehende Senkung der Transitgebühren mit dem Argument fordert, die in Zukunft in der Schweiz entstehenden Transiteinnahmen würden die Kosten der Straßenunterhaltung übertreffen, ignoriert er die auftretenden externen Effekte, als hätte es die intensive wissenschaftliche Diskussion der letzten zehn Jahre darum nicht gegeben", meint Dr. Manfred Treber, Klima- und Verkehrsreferent von Germanwatch. "Unbestritten sind die Klimaschutzvorteile des in der wasserkraftreichen Schweiz völlig CO2-freien Schienengüterverkehrs. Dies sollte nach den Ergebnissen des Klimagipfels von Kyoto auch dem Bundesverkehrsminister zu denken geben."
Dabei ist die Klimabelastung lediglich ein Teil der auftretenden negativen Nebenfolgen des Schwerlastverkehrs. Die Schiene ist zudem sicherer, benötigt weniger Energie und hat eine geringere Flächeninanspruchnahme. Für längere Transportdistanzen ist sie der umweltverträglichere Verkehrsträger, weshalb die Schweiz, selbst in hohem Maße ein ökologisch sensibler Naturraum, die Schiene stark favorisiert.
"Der Bundesverkehrsminister setzt sich faktisch dafür ein, daß die Schweiz ihre bahnfreundliche Güterverkehrspolitik nicht durchhalten kann", bewertet Milke die Handlungen Bonns zusammenfassend. "Dies reiht sich ein in die Benachteiligung des Schienengütertransports in Deutschland, der die vollen Kosten der Schieneninfrastruktur zahlen muß, während die Straßen öffentlich finanziert werden." Diese Bevorzugung des Straßengüterverkehrs in Deutschland erklärt die Befürchtung des deutschen Verkehrsministeriums, die Güter würden auf dem Lkw von Rotterdam oder Hamburg bis an die Schweizer Grenze gebracht und dort erst auf die Schiene verladen - mit hohem Investitionsaufwand für die auszubauenden grenznahen Umschlagstationen (Straße - Schiene) auf deutscher Seite.
"Das Bundesverkehrsministerium sollte die eigene Güterbahn stärken, statt auf die Schweizer Druck auszuüben, die Dämme gegen die Lkw-Flut durch die Alpen niederreißen," empfiehlt Treber der Bundesregierung.