Pressemitteilung | 21.04.2005

Multipolar gleich multilateral?

Bonn, 21.4.2005: Tektonische Verschiebungen in Demographie, Politik und Weltwirtschaft stehen bevor. Die Welt wird multipolar. Der heutige Westen wird in wenigen Jahrzehnten eine Minderheit sein. Im Jahr 2040 werden die Europäer und die Nordamerikaner nur noch 10% der Weltbevölkerung stellen. Drängende Handlungsfelder sind Armut, Umwelt, Entwicklung und Sicherheit. Der Übergang zur Nachhaltigkeit ist eine zentrale Herausforderung für die Menschheit - und noch ist sie davon in vielen Bereichen weit entfernt. Zu diesem Schluss kam am Donnerstag, den 14.4. in Bonn eine Expertenrunde aus verschiedenen europäischen Ländern.

Schon 1987 stellte die Umweltkommission der Vereinten Nationen fest: Eine nachhaltige Zukunft erfordert eine Reorganisation der Welt. Noch mehr gilt dies heute. Die sehr unterschiedlichen Sichtweisen und Konzepte, die dies- und jenseits des Atlantiks vorherrschen, nahmen die Nordrhein-Westfälische Stiftung für Umwelt und Entwicklung und die Germanwatch-nahe Stiftung Zukunftsfähigkeit zum Anlass, zum "Nachdenken über Weltverantwortung" ins Bonner Wissenschaftszentrum einzuladen.

Die internationalen ReferentInnen zeichneten ein vielschichtiges Bild einer multipolarer werdenden Welt und dem damit verbundenen Paradigmenwechsel. Das Festhalten am Unilateralismus ist nicht zukunftsfähig. "Globalisierung ist aufwändiger als vorgestellt. Die Vereinten Nationen brauchen neue Strategien und eine Bündelung ihrer Potenziale", schloss sich Dirk Messner, Direktor des Bonner Institutes für Entwicklungspolitik der Aussage des unlängst vorgelegten Reformberichts von UN-Generalsekretär Kofi Annan an. Vorrangige Themen der Zukunft sind die Bekämpfung der Armut, umfassende Sicherheit und Global Governance.

"Die Vereinten Nationen sind die einzige Struktur und Organisation, die globale Probleme wirklich angehen könnte - doch ihr fehlt die Autorität", sagte Oystein Dahle, aus Oslo, Vorstandsvorsitzender des Worldwatch-Instituts. Ob Europa hier Akzente setzen kann, hängt nach Ansicht von John Ashton, außen- und umweltpolitischer Berater von Tony Blair aus London, davon ab, ob die EU mit ihren jetzt 25 Mitgliedsstaaten es schafft, sich aus ihrer derzeitigen Desorientierung zu lösen und eine überzeugende politische Identität aufzubauen. "Denn...", so der polnische Nachhaltigkeitsexperte Andrzej Kassenberg " ...europäische Politik ist nicht wirklich europäisch, sondern EU-Politik oder sogar nur die Politik von Teilen der EU".

Und genauso wie die derzeitige USA-Politik nicht nur ein Resultat von Partikularinteressen, sondern auch das Produkt einer sich aus religiösen Wurzeln erklärenden Weltsicht ist, wird künftig auch eine Betrachtung zum Beispiel der religiösen Motivation in den boomenden Staaten China und Indien erforderlich sein. Diesen Ansatz entwickelte Gret Haller aus Bern, Autorin der USA-kritischen Bücher "Die Grenzen der Solidarität" und "Politik der Götter". Europa muss also einen schmalen Grat beschreiten. Die EU sollte ein gemeinsames Profil entwickeln, ohne nationale Identitäten zu verlieren - und sie hat die Verantwortung, sich konstruktiv in die Weltgemeinschaft einzubringen. Das geht nur im Dialog mit der derzeitigen Weltmacht Nr. 1, den USA, und den kommenden Zukunftsmächten.

Mit den Vereinten Nationen ist eine Struktur aufgebaut, die jetzt nutzbar gemacht werden muss zur Lösung der Weltprobleme. "Der Übergang zur Nachhaltigkeit ist einer der größten Herausforderungen der Menschheit", nur zu vergleichen mit dem Prozess der Aufklärung vor 200 Jahren. Doch damit einher geht die Erkenntnis "nie waren wir weiter weg davon als heute". Mit diesen Worten von Oystein Dahle wird ein Dilemma und eine Agenda umrissen. Die Welt braucht "Global Governance". Die nachhaltige Zukunft erfordert eine fundamentale Reorganisation der Welt. Hierzu wird Europa beitragen können. Aber nur im Dialog.

Die Botschaft der Diskussion war eindeutig: "Es wird höchste Zeit: für eine neue Weltsicht, für neue Einsichten, für neue Strategien und für ein neues demokratisch-multilaterales Miteinander in einer multipolaren Welt der Zukunft." Die Veranstaltung der beiden der Nachhaltigkeit verpflichteten Stiftungen zeigte einige Wegschneisen dafür auf.

Weitere Informationen / Kontakt:

  • www.transatlantischer-dialog.de
  • Mona Grosche, Presse- und Öffentlichkeitsreferentin, Nordrhein-Westfälische Stiftung für Umwelt und Entwicklung, Tel. 0228-24335-18, E-mail: mg@sue-nrw.de
  • Klaus Milke, Vorsitzender der Stiftung Zukunftsfähigkeit, Tel. 040-79143121, E-mail: Klaus.Milke@t-online.de