Informelles WTO-Ministertreffen in Genf: Entwicklungspolitischer Anspruch nicht erfüllt
Berlin, 21.7.2008: Beim heute beginnenden informellen Ministertreffen der Welthandelsorganisation WTO gibt es nach Einschätzung der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch nur minimale Chancen auf eine Einigung. Obwohl die Verhandlungen als "Entwicklungsagenda" bezeichnet werden, wäre ein Scheitern aus entwicklungspolitischer Sicht kein Beinbruch - im Gegenteil: "Was derzeit an möglichen Kompromissen diskutiert wird, wird die großen Industrienationen nicht zu einer Änderung ihrer entwicklungsschädlichen Agrarpolitik veranlassen", so Germanwatch-Handelsexperte Tobias Reichert.
"Bei einem Abschluss wäre der einzige echte Pluspunkt, dass die EU ihre Zusage verwirklichen müsste, die derzeit ohnehin stark zurückgehenden direkten Exportsubventionen bis 2013 ganz abzuschaffen." ergänzt Reichert. Letztes Jahr wurde dafür noch etwas über eine Milliarde Euro ausgegeben. "An den Bedingungen, nach denen jährlich 40 Milliarden Euro Direktzahlungen an überwiegend größere Betriebe ausgeschüttet werden, würde sich jedoch nichts ändern. Auch die USA könnten ihre derzeitigen Agrarsubventionen unverändert beibehalten."
EU und USA haben Forderungen von Entwicklungsländern, die Regeln für erlaubte Agrarsubventionen in der WTO (die sogenannte "green box") umzugestalten, immer rigoros und letztlich erfolgreich abgelehnt. Die G20-Gruppe um Indien und Brasilien hatte gefordert, dass nur noch Subventionen zugelassen werden, mit denen gezielt benachteiligte Betriebe gefördert und gesellschaftliche Leistungen wie Umwelt- und Landschaftsschutz honoriert werden. Die EU verteidigte dagegen ihr "Recht", Besitzern von Großbetrieben Millionensubventionen zukommen zu lassen - auch wenn diese wie Prinz Charles in England und der Energiegigant RWE in Deutschland solche Finanzunterstützungen nicht unbedingt nötig haben. Innerhalb der EU gehört Deutschland zu den Ländern, die sich am heftigsten gegen eine Begrenzung der Direktzahlungen an Großbetriebe wehren.
Während bei den Agrarsubventionen von EU und USA auch bei einem Abschluss der Doha-Runde praktisch alles beim Alten bliebe, müssten viele Entwicklungsländer weit gehende Zugeständnisse bei der Öffnung ihrer Märkte sowohl für Agrar- als auch für Industriegüter machen. "Was nach sieben Jahren Verhandlungen auf dem Tisch liegt, wird dem Anspruch einer 'Entwicklungsrunde' nicht ansatzweise gerecht" so Michael Windfuhr, Vorstandsmitglied von Germanwatch. "Anstatt zu versuchen, in letzter Minute einen schlechten Kompromiss durchzupeitschen, sollten die Handelsminister über einen Neuanfang nachdenken, mit dem gleichzeitig auch Herausforderungen wie Klimawandel und gestiegene Lebensmittelpreise angegangen werden können."
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- Tobias Reichert, reichert@germanwatch.org